Sebastian Neugebauer erlebt Freud und Leid in der Welt hautnah

An der RUB kennt er sich aus: Hier hat Sebastian Neugebauer Chemie und Humanitäre Hilfe studiert. Foto: Wiemers
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Der Bochumer arbeitet bei „Ärzte ohne Grenzen“ und kann den nächsten Einsatz kaum noch abwarten

Anderen Menschen helfen und einen zufriedenstellenden Beruf ausüben - das sind die Dinge, die Sebastian Neugebauer antreiben. Der 34-Jährige arbeitet für die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“. Weihnachten verbringt er dieses Jahr zuhause in Bochum.

An das kalte Klima musste sich Sebastian Neugebauer erst einmal wieder gewöhnen, denn von Mai bis Oktober war er in Uganda im Einsatz. Der Bochumer ist kein Arzt, sondern kümmert sich um die Logistik. „Ich bin Chemiker und habe an der Ruhr-Universität promoviert“, berichtet er von seinem Werdegang. „Danach habe ich in der Industrie gearbeitet, aber ich habe mich damit nicht zufrieden gefühlt.“
Schon zwischen Studium und Promotion hat er in Brasilien acht Monate lang bei einem sozialen Projekt geholfen, das sich gegen HIV einsetzt. Diese Erfahrung hat ihn schließlich dazu inspiriert, „Humanitäre Hilfe“ zu studieren, ein Aufbaustudium, das an der RUB unter dem Kürzel „NOHA“ angeboten wird. Zwei Semester verbrachte er im Ausland, in Dublin und Indonesien. Gelernt hat er dabei etwas aus der Gesundheitswissenschaft, Anthropologie und übers Management.
„Ich möchte helfen, aber ich möchte es professionell tun!“, begründet er seine Entscheidung für das Studium und seine Tätigkeit bei „Ärzte ohne Grenzen“. „Mir gefallen die Arbeitsweise der Organisation und die familiäre Atmosphäre“, zeigt er sich sehr glücklich mit seinem Arbeitgeber.
Durch das Aufbaustudium kann er seine Arbeit auch reflektieren und kennt die moralischen Dilemmata seines Berufs. „Ein Dilemma ist beispielsweise, dass sich die lokalen Ministerien oft zurückziehen, wenn eine Hilfsorganisation vor Ort ist und ihre Arbeit nicht mehr machen, sich aus der Verantwortung stehlen. Ein anderes Beispiel ist, dass wir Helfer viel luxuriöser wohnen als die Menschen, denen wir helfen. Eine offene Frage ist dann, wie viel Luxus man sich erlauben sollte“, erklärt er.
Sebastian Neugebauers erster Einsatz für „Ärzte ohne Grenzen“ begann im Juni 2011. Für neun Monate ging er nach Sierra Leone. Die Gesellschaft dort ist relativ stabil, aber das Gesundheitssystem schlecht. „Ich habe im Bezirk Bo an einem Geburtshilfekrankenhaus mitgearbeitet“, berichtet er. Schreibtischarbeit ist seine Hauptbeschäftigung: „Als Logistiker sorge ich dafür, dass alle Dinge in der richtigen Qualität und Menge zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind“, beschreibt er, worum er sich zu kümmern hat. Medizin, Nahrungsmittel, Reinigungsmittel, Wartung der Fahrzeugflotte, Instandhaltung und Elektrik - das und mehr sind seine Aufgabengebiete.
„Wichtig ist, dass zum Team immer eine lokale Belegschaft gehört, die das Projekt am Ende weiterführt. Denn ‚Ärzte ohne Grenzen‘ ist immer nur temporär vor Ort. Die Verantwortung wird zum Schluss ans dortige Gesundheitsministerium zurückgegeben“, erklärt der humanitäre Helfer.
Sein nächster Einsatz führte ihn nach Uganda. Dort ging es um die Behandlung von HIV und Tuberkulose. „Das Projekt ist abgeschlossen und wurde zurückgegeben“, ist er stolz auf das Erreichte. „Wir sind voller Hoffnung, dass unsere Arbeit vernünftig weitergeführt wird.“
Seit Mitte Oktober ist der Bochumer wieder zuhause und wartet auf seinen nächsten Einsatz. Zuerst war Entspannung angesagt, denn wenn er vor Ort ist, hat er nur alle drei Monate eine Woche lang frei. „Das ist körperlich anstrengend, aber es macht auch unglaublich viel Spaß“, merkt man ihm die innere Zufriedenheit an. „Ich könnte in der freien Zeit auch mein Französisch aufbessern und es werden verschiedene Trainings angeboten - aber ich habe erst einmal Zeit mit der Familie und Freunden verbracht.“ Dass er in dieser Zeit auch kein Geld verdient, ist langfristig gesehen natürlich ein Manko. Aber noch macht ihm die Arbeit so viel Freude, dass er noch lange nicht ans Aufhören denkt.
Das letzte Weihnachtsfest hat er in Sierra Leone gefeiert. „Obwohl wir in kurzer Hose und Flip-Flops gefeiert haben, war es sehr weihnachtlich, mit vielen Lichtern und Wichtelgeschenken“, erinnert er sich. „Das Team war sehr gemischt und jeder hat etwas gekocht, was typisch für seine Heimat ist.“ Trotzdem ist er froh, dieses Jahr zuhause zu sein. „Man muss seine Basis in der Heimat haben. Wer einfach nur weg möchte, ist für diesen Job ungeeignet“, ist er überzeugt, „man sollte mit sich selbst im Reinen sein.“
Eine besondere Herausforderung ist das interkulturelle Lernen. Andere Länder, andere Sitten. „In Uganda hat man eben ein anderes Zeitverständnis und was im Ruhrpott als direkte Art geschätzt wird, sorgt dort für beleidigte Gesichter“, lacht er.
Seine Persönlichkeit hat sich durch die gemachten Erfahrungen nicht verändert, glaubt er. Aber eine gewisse Gelassenheit für die Probleme des Alltags hat sich schon eingestellt.
Besonders schlimme oder schöne Ereignisse herauszugreifen fällt ihm schwer. „Es gibt viele Aufs und Abs während der Einsätze. Sehr nahe ging mir zum Beispiel die Trauer der Familien in Sierra Leone, wenn ein Kind gestorben ist“, erinnert er sich. „Die Trauer wird dort sehr nach außen getragen, und wenn sich eine Mütter schreiend auf den Boden wirft, dann bleibt man nicht unberührt.“ Psychologische Hilfe kann von den Helfern jederzeit in Anspruch genommen werden. Zum Ausgleich gibt es immer auch schöne Momente. So weiß Sebastian Neugebauer noch genau, wie damals, nach einem anstrengenden Tag, ein Vater lachend sein Neugeborenes aus dem Krankenhaus trug - ein kleiner Moment, der das alles wert macht. „Generell zu sehen, wie die Menschen vor Ort wieder selbstständig werden und ihr Leben in die Hand nehmen, das ist ein tolles Gefühl“, sagt er. cawi

Autor:

Carolin Wiemers aus Bochum

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