Schwanenrittersage Teil III.: "Die Sage von Beatrix von Cleve und Helias Grail, dem Schwanenritter"

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Die Sage von Beatrix von Cleve und Helias Grail, dem Schwanenritter
Zeit des römischen Kaisers Justinian des Anderen, als in Frankreich Hildebert König war, und Pipin von Heristal, Herzog von Brabant, da man schrieb nach der Geburt des obersten Königs, des Heilandes der Welt, das Jahr 713, als schon eine lange Zeit die Abkömmlinge des edlen römischen Geschlechts Ursinus, welches aus der weltberühmten Stadt Troja herstammt, das Regiment über Cleve geführt hatten, war Theoderich, damals Herr in diesem und dem benachbarten Lande, gestorben, als der letzte der Ursiner, denn er hatte in seiner Ehe mit Beatrix, des Grafen von Teisterband Tochter, nach der Mutter gleichfalls Beatrix geheissen.
Beatrix, welche verwaist zurückblieb, denn länst schon ruhte auch ihre Mutter im Grabe, war nun Herrin in den Landen Cleve Teisterbant. Die wunderbare Schönheit der Jungfrau, mehr aber noch ihr reiches Erbe zogen bald eine Menge ebenbürtiger Freier aus der Nähe und Ferne herbei. Es waren aber rohe und unleidliche Gesellen; sie achteten nicht den Schmerz des Fräuleins um den kaum erst hingeschiedenen Vater, sondern Jeder von ihnen, bange, durch einen glücklichen Nebenbuhler seine Hoffnung vereitelt zu sehen, suchte, der Zögerung bald überdrüssig, mit Ungestüm und dann unter Drohungen, das Jawort zu gewinnen. Doch Beatrix wies diese Dränger alle zurück, denn ihr war schon früher im Träume das Bild eines Jünglings erschienen, welches ihre ganze Seele erfüllte, und um so weniger mochte sie daher jetzt ihre Hand ohne ihr Herz vergeben. Aber die verschmähten Bewerber wurden nun allesammt ihre Widersacher, der Hass vereinigte sie zu einem Bündnis, um Rache an ihre Beleidigerin zu nehmen und sich durch die Gewalt der Waffen in den Besitz ihrer Lande zu setzen.
An einem Tage dieser Bedrängnis sass Beatrix auf den hohen Altane ihres Schlosses zu Nymwegen. Es war ein schöner Sommermorgen; doch sie gewahrte nicht, wie die Sonne mit ihren Strahlen vom wolkenlosen Himmel herab die weite Ebene zu ihren Füssen mit einem goldenen Schimmer bekleidete; nicht, wie des Rheines Silberwoge im ruhigen Dahinziehen plätschernd ihre GRüsse hinaufschickte, so tief hatte sie sich in ein Sinnen über ihr trauriges Geschick versenkt, wie sie nun so einsam und schutzlos in der Welt sei, - dass nichts im Stande war, dieses zu durchdringen. Sie sehnte sich ihren Aeltern nach in den Frieden des Grabes, denn das ihr Traumbild sich zu einer Wirklichkeit gestalten werde, daran glaubte sie jetzt nimmer mehr. Als sie so stundenlang gesessen und sich vergeblich nach Rath und Trost gerungen hatte, liess sie ihre Blicke in die Ferne schweifen, gleich als ob von daher für sie ein Retter aus der Bedrängnis kommen könne. Und – siehe! Da zeigt sich ihr auf dem Strome ein weisser Punkt, welcher von den Wellen näher und näher getragen wird, und, o wunderbarer Anblick! Bald gestaltet er sich zu einem grossen Schwan, schneeweiss leutete sein Gefieder, von dessen schlankem Halse eine goldene Kette niederhing, an welcher er ein zierliches kleines Schiff nach sich zog. In dem Schiffe stand ein Jüngling von hoher ritterlicher Gestalt, das männlich schöne Antlitz von wallenden Locken umschattet.; gar heldenmässig und herrlich war er anzuschauen. In seiner Hand hielt er ein goldenes Schwert, an seinem Finger blitzte ein kostbarer Ring, an seiner Seite hing ein schönes Jagdhorn, und vor ihm stand ein rother Schild, mit einem silbernen Inschilde, auf welchem acht goldene Königszepter, in der Form von Lilien, die sich in der Mitte um eine goldene Einfassung, in welcher ein grosser Smaragd prangte, vereinigten. Bald hatte der Schwan das Schloss zu Nymwegen erreicht, wo er anhielt; der Ritter verliess das Schiff und begehrte die Herrscherin des Landes zu sprechen. Alsbald verliess Beatrix den Altan und ging den Berg hinab dem Ritter entgegen. Doch wer beschreibt ihr freudiges Erschrecken, wer ihr holdes Erröthen, als sie in ihm das Bild ihres Traumes, in der Wirklichkeit aber noch viel herrlicher, als in der Verheissung, erkannte! Der Ritter trat zu dem Fräulein mit sittigem Grusse: ich komme, sprach er, aus weit weit entlegenem Lande, aus dem irdischen Paradiese, Helias Grail ist mein Name; vom Schicksale bin ich herbeibeschieden, Dir meinen Schutz anzubieten, und, wofern Du mir vertrauen magst, soll dieser Arm alle Deine Feinde treffen. – Beatrix reichte dem Ritter die Hand; wie sollte sie ihm vertrauen, der bereits in ihrem Herzen die mächtigste Fürsprache fand. Bald verlor auch Helias Grail seine Freiheit an die schöne Jungfrau und ein Priester segnete ihre Liebe ein zum ehelichen Bunde. Zuvor aber nahm Helias ihr das Versprechen ab, niemals nach seinem Geschlechte oder nach seiner Herkunft zu fragen, denn es sei ihm vom Schicksal verboten, darauf zu antworten, und die Frage werde ihnen beiden sicheres Unglück bringen.
Helias Grail erfüllte getreulich, was er versprochen, sein Schwert blitzte in allen Kämpfen furchtbar voran, kein Feind vermochte seiner Tapferkeit zu widerstehen. Gross wurde sein Ruhm, er erlangte zu hohem Ansehen bei Fürsten, Grafen und Herren, so dass der Kaiser Theodosius ihn zum Grafen, und das Land von Kleve zu einer Grafschaft erhob. Die Grafschaft wurde ein Lehen des heil. Röm. Reichs, und Helias Grail der erste Graf von Cleve.
Nicht aber hielt Beatrix ihre Zusage; ob sie auch mit ihrem Gemahl in der glücklichsten Ehe lebte und drei hoffnungsvolle Söhne das Band der Liebe noch fester um sie schlangen, dennoch hatte auch dieses Paradies seine Schlange, es war das Gelüste nach dem Verbotenen. Als sie einstmals mit ihrem Gatten bei nächtlicher Weile in´s Gespräch kam, da hielt sie nicht länger an sich und ehe sie es bedachte war ihr die Frage entschlüpft: werdet ihr, mein Gemahl, denn Eueren Kindern niemals sagen, von wannen ihr gekommen seiet und wessen Abstammung sie sich zu rühmen haben? – Da seufzte er in tiefem Schmerze laut auf und erhob sich sofort von seinem Lager, und sagte: durch die Frage sei nach des Schicksals Beschluss ihr beiderseitiges Unglück entschieden, er müsse nun fort, keine Macht könne ihn halten. Darauf nahm er Abschied, er umarmte seine Söhne, gab dem ältesten, Theodorich seinen Schild mit dem Wappen, und seingoldenes Schwert und bestimmte ihn zu seinem Nachfolger über Kleve und Teisterbant; dem zweiten Gottfried, gab er sein Jagdhorn, für ihn hatte er die Grafschaft Leon erworben; und dem jüngsten, Konrad, seinen Ring; durch Vermählung ward er Landgraf von Hessen. An der Stelle, wo der Ritter vor 21 Jahren gelandet, hielt wieder der Schwan mit dem Schiffchen, wie damals. Helias stieg ein, und wie flehentlich auch seine Gattin ihre Arme nach ihm ausstreckte, der Schwan zog langsam mit ihm davon; und wieder folgte Beatri vom Altane des Schlosses mit ihren Blicken einem weissen Punkte, der auf den Wogen des Rheins dahin glitt, jetzt aber fern und ferner schimmerte, und bald für immer verschwand.
Helias Grail wurde nicht wieder gesehen, aber eine ungewisse Kunde besagt, dass er in fernen Kämpfen gegen die Sarazenen den gesuchten Tod gefunden. Aber noch war kein Jahr verflossen, da hatte der Gram um das verscherzte Glück Beatrix in das Grab gebettet.
Das Schloss in Cleve wurde, nach dem Ahnherren seiner Grafen und Herzoge, die Schwanenburg genannt, und noch ziert ein Schwan des alten Thurmes Spitze zum Gedächtniss an den Schwanenritter Helias Grail.

Quellennachweis:
Gustav von Velsen, die Stadt Cleve. Verlag Fr. Char 1846

Das Schwanenschiff am Rhein
Im Jahr 711 lebte Dieterichs. Des Herzogen zu Cleve, einzige Tochter Beatric, ihr Vater war gestorben, und sie war Frau über Cleve und viel Lande mehr. Zu einer Zeit saß diese Jungfrau auf der Burg von Nimwegen, es war schön, klar Wetter, sie schaute in den Rhein, und sah da ein wunderlich Ding. Ein weißer Schwan trieb den Fluß abwärts, und am Halse hatte er eine goldene Kette. An der Kette hing ein Schiffchen, das er fortzog, darin ein schöner Mann saß. Er hatte ein goldenes Schwert in der Hand, ein Jagdhorn um sich hängen, und einen köstlichen Ring am Finger. Dieser Jüngling trat aus dem Schifflein ans Land, und hatte viel Worte mit der Jungfrau, und sagte: daß er ihr Land schirmen sollte, und ihre Feinde vertreiben. Dieser Jüngling behagte ihr so wohl, daß sie ihn lieb gewann und zum Manne nahm. Aber er sprach zu ihr: fraget mich nie nach meinem Geschlecht und Herkommen; denn wo ihr danach fraget, werdet ihr mein los und ledig, und mich nimmer sehen. Und er sagte ihr: daß er Helias hieße; er war groß von Leibe, gleich einem Riesen. Sie hatten nun mehrere Kinder mit einander. Nach einer Zeit aber, so lag dieser Helias bei Nacht neben seiner Frau im Bette, und die Gräfin fragte unachtsam, und sprach: Herr, solltet ihr euren Kindern nicht sagen wollen, wo ihr herstammet? Über das Wort verließ er die Frau, sprang in das Schwanenschiff hinein, und fuhr fort; wurde auch nicht wieder gesehen. Die Frau grämte sich, und starb aus Reue noch das nämliche Jahr. Den Kindern aber soll er die drei Stücke, Schwert, Horn und Ring zurück gelassen haben. Seine Nachkommen sind noch vorhanden, und im Schloß zu Cleve steht ein hoher Thurm, auf dessen Gipfel ein Schwan sich drehet; genannt der Schwanenthurm, zum Andenken der Begebenheit.

Quellennachweis:
Helinandi chronicon. Lib. IV. Vincent. Bellovac. Sp. Hist. Gerhard van Schuiren Hopp Beschr. Von Cleve 1655 p. 148-150 Über Samml. alter Chroniken. Braumschw. 1732 54 Görres Lohengrin LXXI – LXXIII.
Deutsche Sagen von den Gebrüdern Grimm, Berlin Nicolaischen Buchhandlung 1818

Schwanenrittersage Teil I : www.lokalkompass.de

Schwanenrittersage Teil II : www.lokalkompass.de

Schwanenrittersage Teil IV : www.lokalkompass.de

Schwanenrittersage Teil V : www.lokalkompass.de

Autor:

Günter van Meegen aus Bedburg-Hau

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