Schwanenrittersage Teil II.: "Der Schwanenritter" (in Reimen von Franz Freiherrn Gaudy und Karl Simrock)
Die Schwanenrittersage in Reimen von Franz Freiherrn Gaudy´s Werke, Berlin 1853, Verlag A. Homann Comp.
Der Schwanenritter.
Das war des Grafen von Cleve
Holdseliges Töchterlein,
Die saß auf dem steinernen Söller
Der alten Burg am Rhein.
Sie hob den Trauerschleier
Von dem weißen Rosen-Gesicht;
Thränen flimmerten golden
Im Abendsonnenlicht.
Graf Diether ist gestorben,
Die Waise steht allein.
Der neue Herr von Cleve
Bald zieht er gebietend ein.
Und hält er mit Roß und Mannen
Vor dem alten Grafenhaus,
Dann schleicht zum Hinterpförtchen
Leis schluchzend die Maid hinaus.
Die Wellen murmeln und flüstern:
Du arme Waise, Du.
Willst unserm stillen Gekose
Nicht fürder hören zu?
Willst nicht mehr in den Fluthen
Belauschen Dein holdes Bild,
Wenn es aus blauer Tiefe
Dir spiegelnd entgegen quillt?
Ihre grünen Locken wiegen
Weinreben hin und her:
Willst unter unsern Blättern
Nicht fürder ruhen mehr?
Willst nicht die schwellende Traube
Mehr saugen im süßen Kuß?
Willst in die öde Fremde? —
Die Jungfrau seufzt: Ich muß!
Drommetenblitze zucken
Und schlängeln den Rhein sich entlang;
Weich gleitet über die Welle
Des Waldhorns voller Klang.
Aus schreckt der Felsen Echo
Aus träumerischer Ruh,
Und raunt den heimlichen Thälern
Lallend die Töne zu.
Windstraffe Segel tauchen
Aus blauem, fernen Grund;
Gleich Schmetterlingen gaukeln
Aus dem Rhein die Wimpel so bunt.
Die Schiffe schweben, nahen.
Der Hall der Zinken schwillt;
Schon zählt das Auge die Ritter
Mit Waffenrock und Schild.
Bänder und Kränze umwinden
Den Schnabel, das Tau, den Mast.
Tragen die festlichen Schiffe
Des Kaufmanns reiche Last?
Segeln verwegne Räuber
Aus den leichten Böten einher? —
Wohl gilt es Liebeshandel,
Des Herzens Raub wohl eh'r.
Voran den schwarzen Kielen
Schwimmt auf der feuchten Bahn,
Leis wie das Blatt der Rose,
Ein silberheller Schwan.
Eine goldene Kette schwingt sich
Um des Halses weichen Flaum,
Eine Muschel schwankt an der Kette
Und sucht der Wellen Schaum.
Und in dem Muschelkahne
Ein Ritter Jüngling steht,
Der nach der Burg des Grafen,
Nach der schönen Waise späht.
Wieder auf steinernem Söller
Weilet Herrn Diether´s Kind-
Die Zinken, die Hörner schweigen,
Mit den Wimpeln tändelt der Wind.
Beatrix, so verwandelt?
Du weiße Rose erglühst,
Wenn du dem schlanken Ritter
In´s milde Auge siehst?
Er legt die Hand auf´s Herze,
Neigt tief sich vor der Maid.
Sein Blick fleht: Sei die Meine!
Sie flüstert: In Ewigkeit!
Das war der Graf von Cleve,
Herr Gracilis genannt,
Den hatte Carl der Hammer
Zum Gebieter hergesandt.
Das war der Graf von Cleve,
Herr Gracilis genannt,
Der Herr, der sich zu dienen
Der schönen Maid verband.
Er hielt mit Roß und Mannen
Vor dem alten Grafenhaus,
Da flog zum Hinterpförtchen
Keine Waise schluchzend hinaus.
Zu ihren Füßen schallte
Der fröhliche Waffengang,
Sie reichte dem edlen Sieger
Süß lächelnd den Waffendank.
Es war der Gras von Kleve,
Der trug ihre Farben frei;
Herr Gracilis ward Sieger
lieber alle im Turnen;
Es war der Schwanenritter,
Der den höchsten Preis errang.
Der Abends leis zur Ziiher
Das Lied von Lieb' ihr sang.
Und hielt er stolz zu Rosse,
In den Lüsten kreiste der Schwan;
Und saß er zu Füßen der Schönen,
Der Vogel schmiegte sich an,
Das Haupt aus des Ritters Knieen,
Vom Herrn kein Auge verwandt —
Und über das Schnee-Gefieder
Glitt schmeichelnd des Grafen Hand.
Es summen die Glocken im Münster,
Die Hymnen schallen laut.
Herr Gracilis ist der Bräut´gam,
Beatrix die holde Braut.
Da sprühen auf den Bergen die Flammen,
Und Jauchsen zieht durch´s Land –
Trübschimmernd haben zur Erde
Zwei Augen sich nun gewandt.
Es sind die Schwanes Augen,
Die feuchter Glanz bethaut,
Wenn er durch´s Eisengitter
Nach der fernen Hofburg schaut.
Wenn er des beglückten Herren
Zur Seite der Braut gedenkt,
Wenn er matt und krank und harnvoll
Das Haupt zur Erde senkt.
Die Kerzen im Schloß verlöschen,
Ein Lämpchen glimmt allein,
Das bräutlich schämige Antlitz
Verklärend im Kämmerlein.
Da schwebt aus dem Schwanenthurme
Ein banger tief schmerzlicher Klang
Zieht über den Rhein, verschwimmet –
Wohl war es ein Schwanengesang.
Beatrix, Du holde, Du meine,
Der ich zu eigen mich gab,
Beatrix, der ich Treue
Gelobt bis in das Grab,
Beatrix forsche nimmer
Nach des Gatten Heimatland.
Einmal den Lippen entflohen,
Hat mich die Frage verbannt.
Rheines Wellen rauschen vorüber
Abglänzend ein selig Paar,
Und wie die Wellen schwinden,
So schwindet Jahr auf Jahr.
Und wieder steht die Gräfin
Mit dem Herren auf dem Altan,
Da lispelt sie leise, schüchtern:
Wo trug Dich her der Schwan?
Herr Gracilis erbleichte
Und wandte sich traurig ab.
Dem ältesten der Söhne
Sein Schwert, seinen Schild er gab.
Der jüngere der Söhne
Das goldene Horn empfing.
Dem Säugling in der Wiege
Schenkt er den Wappenring.
Der Gattin haucht er schweigend
Auf die kalte Stirn einen Kuß,
Verließ die Grafenhalle,
Wandt sich stumm nach dem Fluß.
Dort harrte sein an der Muschel
Der silberhelle Schwan,
Und schwamm mit dem bleichen Grafen
Hinauf die Wasserbahn.
Das war die Gräfin von Cleve,
Jetzt gattenlos, allein,
Die saß auf den steinernen Söller
Der alten Burg am Rhein.
Sie hob den Trauerschleier
Von dem weißen Rosen Gesicht.
Thränen flimmerten golden
Im Abendsonnenlicht.
Die trüben Blicke schweiften
Stromaufwärts in die fern,
Dort wo des Rheines Biegung
Entzogen ihren Herrn.
Und glitzerten hüpfende Wellen,
Schwamm niederwärts der Kahn,
Dann rief sie fragend, zagend:
Erkennt ihr den Herrn, den Schwan?
Die Wellen murmelten flüsternd:
Den Grafen entführte die Feh.
Weinreben wiegten die Locken:
Bleich zog Dein Herr vorbei.
Ihre Stirn sank auf den Söller –
Des Thürmers Horn erklang.
Leise Trauertöne verschwebten –
Wohl war´s ihr Schwanengesang.
Gedichte von Karl Simrock; Leibzig In der hahn´schen Verlagsbuchhandlung 1844 Aus der Sammlung Deutsche Mythen und Sagen
Der Schwanenritter
Die junge Gräfin weinte vom Kleverlande:
Der sie beschützen sollte warf sie in Bande,
Der Dienstmann will der Herrin Verlobter sein,
Und kommt ihr nicht ein Kämpfer, sie muß den Falschen frein.
Kein Kämpfer wollt ihr kommen mit dem Verwegnen,
Sie scheuen sich gewaffnet ihm zu begegnen,
Er schnellt das Schwert so kräftig und schießt den Schaft,
Ohnmächtig zuckt die Achseln des Landes Ritterschaft.
Zum Himmel ruft die Gräfin und steht sich heiser:
"Laß dich die Noth erbarmen, o Himmelskaiser,
Du bist nicht unerbittlich, wie Menschen sind,
Dich rührt ein Herz voll Jammer, ein hartbedrängtes Kind."
An ihrem Rosenkranze hieng eine Schelle,
Und schlug sie sich die Brüste, so klang sie helle,
Und raufte sie im Leide das schöne Haar,
So klang das kleine Glöcklein und tönte wunderbar.
Und klang es in der Nähe nur leise, leise,
Durch alle Fernen brach es in Donnersweise,
Wohl über tausend Meilen vernahm den Schall,
Wo er dem Grale diente, der König Parzival.
Da musten die Templeisen in Sorgen leben,
Die Erde schien im Grunde dem Ton zu beben,
Der schlanke Thurm erzittert, die Mauer kracht,
Und Thor und Thüren rasseln vor des Geläutes Macht.
"Und wieder stürmt die Glocke, die Haare sträuben,
Es will uns gar die Ohren der Klang betäuben,
Wohin ist unser Frieden, der Nächte Schlaf?
Was haben wir begangen, daß Gottes Zorn uns traf?
"Was er gebiete, laßt uns den Gral befragen,
Das wird an seinem Rande die Inschrift sagen."
Da war es klar zu lesen an Kelchesrand:
"Der Jungfrau sei vom Grale der Kämpfer ausgesandt.
"Das Abenteuer ziemet dem Königssohne,
Ihm ist die Magd beschieden und ihre Krone;
Doch berg er sein Geheimniss in tiefer Brust,
So, soll auch sie nicht fragen, die Neugier straft Verlust."
Der Jüngling hört es freudig und wills vollbringen,
Schon denkt er in den Stegreif den Fuß zu schwingen:
Da kommt herbeigeschwommen ein Silberschwan,
Und zieht an goldner Ketten ein kleines Schiff heran.
"Bringt mir zurück, ihr Knappen, das Ross zur Krippe!
Mich führt wohl dieser Vogel vorbei der Klippe,
Vorbei dem Wellenstrudel ans schöne Ziel."
So trat er in die Barte, dem Blick entschwand der Kiel.
Nun war indess zu Kleve der Tag erschienen,
Vom Söller sah die Gräfin mit Trauermienen.
Der falsche Dienstmann spottet: "Du lockst ihn nicht
Mit Seufzen und mit Weinen herbei, der für dich ficht.
"Die Seufzer, die du schicktest, entführten Winde,
Die Thränen trug die Welle dahin geschwinde;
So werben deine Boten in aller Welt,
Die Menge gafft und staunet, und nicht erscheint der Held."
Da hörte man ein Singen wie Flötenstimmen,
Und auf dem Waßer schien es einherzuschwimmen,
Das Ohr berauschen Wonnen, das Aug erschrickt
Ungläubig vor dem Wunder, das es doch klar erblickt.
Vom Singeschwan gezogen die kleine Barke,
Da schläft auf seinem Schilde der jugendstarke;
Schon naht sie dem Gestade, sie hält und gleich
An schöner Augen Schimmer erwacht er freudenreich:
„Du bists, du allen Wünschen zum Ziel geschaffen,
Dich soll ich mir gewinnen im Schmuck der Waffen:
Für dich das Kampfspiel wagen ist Heldenlust,
Den Feind für dich zu schlagen, wie schwillt mir hoch die Brust!
"Schön sah ich dich im Traume, doch gleicher fließen
Die Locken, vollre Stralen die Augen schießen,
Ein selger Lächeln, spielet um Wang und Mund,
Beredter lädt die Lippe zu Kuss und Minnehund."
So neigt' er sich der Schönen und gab dem Schwane
Das Zeichen heimzuschwimmen mit seinem Kahne;
Der trieb schon lange wieder den Rhein hinab,
Sein engelweiß Gefieder noch fernen Schimmer gab.
"Wohl auf, wer mir die Jungfrau will abgewinnen!
Der muß beherzter fechten und heißer minnen."
Da kam der falsche Dienstmann, im Streit bewährt,
Sein Wuchs hat Riesenlänge und schrecklich tönt sein Schwert.
Und wie der Kampf entbrannte, die Funken stoben,
Des zarten Jünglings Kühnheit muß Jeder loben;
Zwar scheint er jetzt erlegen, doch wieder klingt
Sein Stahl und trifft den Gegner, daß rothes Blut entspringt.
So schwanken hin und wieder des Kampfs Geschicke,
Doch immer kühner stralen des Fürsten Blicke,
Verwegen zuckt er jetzo das Schwert und taucht
In des Feindes Brust die Spitze, der keinen Beichtger braucht.
Frohlockend schaut die Menge den Sieg gelungen,
Den Heldenmüthgen preisen viel tausend Zungen,
Der Gräfin liegt zu Füßen der Königssohn:
Die zieht ihn an die Lippen und beut ihm süßern Lohn.
"Hier gönne mir zu knien, mir solls genügen,
Und laß mich deinem Fuße den Goldschuh fügen:
Hier stehen deine Mannen, es braucht ein Wort,
So sind wir Braut und Bräutigam verbunden hier und dort."
Das Wort ist gern gegeben so liebem Freier,
Beginne denn, beginne die Hochzeitfeier!
Girrt zärtlicher ihr Flöten, Drometen rauscht
Und überschallt die Küsse, die dort ein Pärchen tauscht.
"Um Eins muß ich dich bitten, du meine Minne,
Damit uns stäts so selig das Leben rinne:
Uns webt ein zarter Faden den Liebesbund,
Ein wunderbar‘ Geheimniss versiegelt mir den Mund.
"Du sollst der Stunden Süße genießend schlürfen,
Woher der Schwan mich brachte nicht forschen dürfen.
Ich kann dir nichts verweigern: doch heisch es nie,
Denn ach, wir sind geschieden, die Frage, thust du sie." —
"Woher du kamst, was kümmert es mich zu wißen?
Wirst dieser Arme Schranken du nicht entrißen,
Darf ich dem Morgen fröhlich entgegenschaun,
Wie früg ich Wohl nach Gestern? Da kennst du nicht die Fraun."
Er kannte nicht die Frauen, daß er vertraute,
Auf losen Sand, der Dünen sein Haus erbaute.
Es deucht' ihn unzerstörlich, er wohnte drin,
Daß es zusammenbräche, es kam ihm nicht in Sinn.
Bald wuchsen in dem Hause drei Heldensöhne:
Wie weidete sein Auge der Knaben Schöne!
Sein Schwert gab er dem einen, den Edelstein
Dem andern, gab dem dritten sein Horn von Elfenbein.
"Du hast sie ausgestattet mit reichen Gaben,
An diese Schätze knüpft sich das Glück der Knaben:
Es kann ihm nie gebrechen, der sie bewahrt,
Dem Eigner ist die Fülle des Reichchums aufgespart.
"Doch Eins gebricht, das habm des Dienstmanns Kinder,
Und Die von Bauern stammen sogar nicht minder:
Des Vaters Namen erbet sein jung Geschlecht,
Der Sohn des Vaters Ehre, sonst gilt er nicht für echt." —
"Laß ab, du willst die Zarten zu früh verwaisen,
Zu früh aus deinen Armen mich hinnen weisen.
Wohin du zielst, empfind ich nur allzugut,
O ende nicht, mir schaudern im Tiefsten Herz und Muth." —
"So soll des Vaters Herkunft der Sohn nicht kennen!
Das Volk wird ihn verwerfen und Bastard nennen:
Den Kleinen thu's zu Liebe und sprich einmal;
Vergieb, vergieb der Mutter, ihr bleibt nicht andre Wahl." —
"Es ist geschehen! Eilet herbei, ihr Mannen!
O war das Wort vermieden! Ich muß von dannen.
Nun sollt ihr Alles hören: mich, Lohengrin
Hat her der Gral gesendet, zum Glücke, wie es schien.
"Das Glück ist zerbrochen, mich ruft der Vater,
Parzival der König, des Grals Berather:
Einst hätten unsre Söhne sein Reich geerbt,
Die Frage, die uns scheidet, die hat auch sie verderbt.
"Euch muß ich sie befehlen, die holden Kleinen,
Und laßt nicht ungetröstet die Mutter weinen;
Drei Kleinode bleiben den drein zurück,
So lang sie die bewahren, bewahren sie das Glück."
Da kam der Schwan geschwommen auf blauer Welle,
Noch einmal klang das Glöcklein wie Silber helle;
Der Gräfin riefs den Gatten nicht wieder her:
Er ist hinweg gefahren, sie sah ihn nimmermehr.
Karl Simrock
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Autor:Günter van Meegen aus Bedburg-Hau |
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