Wohnzimmer auf dem Rücken
Was sagt eine, die schon viel gesehen hat und aus der Großstadt kommt, zur Stadt Xanten? Die Landschaftsgärtnerin Synke ist so genannte Fremd- und Freireisende. Nachname: unbekannt. So ist es in der Zunft usus.
Zwei Wochen war sie in Xanten zu Gast, um bei freier Kost und Logis zu arbeiten. Ihr ganzes Hab und Gut trägt sie bei sich. Sie ist freiwillig gegangen und freut sich auf neue Eindrücke und offene Türen und Menschen. Anderthalb Jahre von drei Jahren und einem Jahr hat sie noch vor sich. Sie kommt ursprünglich aus Berlin
Auf Wanderschaft zu sein ist für Synke genau das Richtige, maßgeschneidert wie die Kluft, die für die gesamte Zeit getragen wird. Da muss die Qualität stimmen. „Ich trage mein Wohnzimmer auf dem Rücken.“, sagt Synke. Etwa fünf Kilo sind es mit allem, was benötigt wird: vom Schlafsack bis zum Zollstock, vom Wanderbuch bis zum eigenen Löffel.
Die jeweilige Unterkunft bekommt sie gestellt. Dafür ist sie handwerklich vor Ort tätig. Aber, „wir Freireisende unterstützen keine Bauvorhaben privater Leute. Es muss gemeinnützig sein.“ Das ist Ehrensache.
Auf die Walz zu gehen ist ein großer Schritt. Neugierde ist eine wichtige Voraussetzung. „Ich war vor der Wanderschaft viel im Ausland, kannte das Gefühl, allein unterwegs zu sein.“, erzählt die Freireisende.Dafür hat sie beinahe ihren gesamten Haushalt aufgelöst, den sie bei einer Abschlussparty verkauft hat. „Nur ein paar Bananenkartons mit persönlichen Dingen habe ich bei einer Freundin untergestellt.“ Ihre Freunde haben Verständnis für ihren Entschluss, finden es mutig. „Nur meine Mutter hatte anfangs ein bisschen Angst um mich.“
Ihre Einsatzmöglichkeiten erfährt Synke durch Mundpropaganda von anderen Leuten ihrer Zunft oder über das Internet, die einzige „moderne“ Kommunikationsmöglichkeit, die sie nutzen darf. „Private Handys sind nicht erlaubt und es gibt einige Auflagen. Man muss sich von allem frei machen.“ So darf man keine Schulden haben, keine Kinder, keine materiellen Verpflichtungen. Und das neue Leben braucht etwa ein Jahr Vorbereitungszeit. Maximal drei Monate ist sie an einem Ort, der mindestens 50 Kilometer vom ehemaligen Wohnsitz entfernt sein muss. Bis vor kurzem schlug sie in Xanten auf und arbeitete in der Kriemhildmühle.
Ihr Eindruck von Xanten? „Es ist eine Tourismusstadt.“ Synke vermisste kulturelles Angebot für die Einheimischen und Möglichkeiten für die Altersgruppe zwischen 20 und 35 Jahre.
Drei Jahre und ein Tag Reisen heißt auch, so die 31-Jährige Synke, zu überlegen, wo man hin will im Leben und letztendlich für die Zeit auch eine andere Lebensstrategie zu entwickeln. „Es gibt keine Rückzugsmöglichkeiten, wenn man immer bei anderen wohnt.“, betont sie. „Als Wandergesellin hat man viel Zeit zum Grübeln, denn auf der Walz zu sein ist auch eine Reise zu sich selbst.“
Autor:Michael Hoch aus Düsseldorf |
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