Die Weseler Arbeitsagentur-Chefin Barbara Ossyra im Interview
Die Juristin Barbara Ossyra leitet seit Mitte 2014 die Bundesagentur für Arbeit in Wesel. Sie sieht ihre Behörde auf einem guten Weg. Lesen Sie das Interview mit der Agenturchefin über die Besonderheiten des Arbeitsmarktes im Kreis Wesel, über die aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen. Bei der Arbeitsvermittlung ist Barbara Assyra bewusst, dass sich hier Menschen mit Ängsten und Hoffnungen an ihre Behörde wenden.
Wesel. Die gebürtige Oberhausenerin Barbara Ossyra leitet seit Mitte 2014 die Arbeitsagentur in Wesel mit ihren 260 Mitarbeitern. Im Gespräch erläutet sie Entwicklungen und Ergebnisse des Arbeitsmarktes im vergangenen Jahr und geht auf Schwerpunkte der Behörde in diesem Jahr ein. Der Kreis Wesel zeichnet sich vor allem durch seine kleinen, mittelständischen, oftmals familiengeführten Betriebe aus. Große Unternehmen sind hier eher selten zu finden. Die Landwirtschaft spielt nicht eine so große Rolle, wie beispielsweise im Kreis Kleve
Redaktion: Frau Ossyra, wie bewerten Sie den Arbeitsmarkt im Kreis Wesel im vergangenen Jahr??
Barbara Ossyra: „Unter dem Strich war 2015 ein gutes Jahr für den Arbeitsmarkt im Kreis Wesel. Die Beschäftigung ist weiter gestiegen und die Nachfrage der Arbeitgeber nach neuen Mitarbeitern war hoch. Die Arbeitslosigkeit hat sich positiv entwickelt und liegt niedriger als ein Jahr zuvor.“
Redaktion: Wie drückt sich das kurz und prägnant in Zahlen aus?
Barbara Ossyra: „Im Kreis Wesel waren im Jahresdurchschnitt 18.007 Personen gemeldet. Das sind 390 Personen oder 2,1 Prozent weniger als 2014. Die durchschnittliche Arbeitslosenquote lag bei 7,5 Prozent und damit 0,2 Prozentpunkte niedriger als im Vorjahreszeitraum.“
Redaktion: Welche Stärken hat der Kreis Wesel mit Blick auf den Arbeitsmarkt in anderen Kreisen. Wo könnte er noch besser werden?
Barbara Ossyra: „Ein besonderer Erfolg war der deutliche Abbau der Jugendarbeitslosigkeit im Kreis Wesel, von dem junge Menschen profitiert haben. Diese Entwicklung wollen wir weiter vorantreiben, ebenso wie die Reduzierung der Langzeitarbeitslosigkeit. Auch hier sind erste Erfolge zu verzeichnen, aber es bleibt eine langfristige Aufgabe und bedarf einer individuellen Begleitung und kleiner Schritte. Wir setzen insbesondere auf Qualifizierungen, die zu einem Abschluss oder Teilabschluss führen. Aber wir sind angewiesen auf Arbeitgeber, die auch Menschen mit lückenhaften Lebensläufen eine Chance geben, ihre Fähigkeiten zu beweisen. Die hohe Langzeitarbeitslosigkeit im Kreis Wesel lässt sich nur gemeinsam mit allen Partnern reduzieren.“
Redaktion: Gibt es „Besonderheiten“ in einzelnen Gemeinden, die ins Auge fallen?
Barbara Ossyra: „Sicher hat jeder Ort nicht nur seine historischen Besonderheiten, sondern auch branchenspezifische Schwerpunkte oder größere Arbeitgeber. Sofern Arbeitnehmer mobil sind, spielen die Ortsgrenzen bei der Beschäftigung keine Rolle. Bei Jugendlichen auf Lehrstellensuche und Arbeitsuchenden, die auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen sind, erschwert die große Fläche des Kreises Wesel jedoch manchmal die Arbeitsuche.“
Redaktion: Gibt es so etwas wie „Knackpunkte“ im Berufsleben?
Barbara Ossyra: „Ganz wichtig ist der erfolgreiche Übergang von der Schule in die Ausbildung. Wir unterstützen Jugendliche mit einer frühzeitigen und abgestimmten Berufsberatung dabei, diesen Schritt gut zu planen – inklusive Plan B. – und dann auch zu schaffen. Was das Alter angeht: Heute sind mehr lebensältere Personen beschäftigt als früher, auch weil die geburtenstarken Jahrgänge länger in Beschäftigung bleiben. Einmal arbeitslos, dauert es jedoch bei Älteren und bei Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen länger, bis sie wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen.“
Redaktion: Was empfehlen Sie jungen Leuten, die eine Ausbildung beginnen möchten?
Barbara Ossyra: „Sein Berufsleben mit einer dualen Ausbildung zu beginnen ist eine gute Entscheidung, Ich empfehle, sich frühzeitig – das heißt spätestens ab der Vorentlassklasse – mit der Wahl des Ausbildungsberufs auseinanderzusetzen und sie mit persönlichen Interessen und Stärken abzugleichen. Dabei helfen unsere Berufsberaterinnen und Berufsberater. Sie geben auch Eltern Tipps, wie sie bei der Berufswahl unterstützen können. Sehr wichtig sind auch Praktika, um das Berufsleben kennenzulernen und sich seinem Traumberuf zu nähern. Hilfreich sind auch die Berufserkundungstage, wie sie im Rahmen von ‚Kein Abschluss ohne Anschluss‘ vorgesehen sind.“
Redaktion: Wie schätzen Sie die Entwicklung des Arbeitsmarktes im Kreis Wesel in den nächsten Jahren ein?
Barbara Ossyra: „Für 2016 lassen die anhaltend robuste Konjunktur, die Signale der Unternehmen und die Prognosen der Volkswirte ein durchaus positives Jahr für den Arbeitsmarkt erwarten. Was die Fachkräftesicherung angeht, werden die Unternehmen zunehmend stärker auf die Ausbildung eigener Nachwuchskräfte setzen, denn fertig ausgebildete Kräfte sind in vielen Bereichen auf dem Markt nicht oder nicht sofort verfügbar. Auch die Qualifizierung von Beschäftigten wird immer wichtiger.“
Redaktion: Wie bewerten Sie die Integration von Flüchtlingen und Asylbewerbern in den Arbeitsmarkt?
Barbara Ossyra: „Mit den ‚Integration Points‘ haben die Arbeitsagentur und das Jobcenter Kreis Wesel unter Einbindung des Kreises einheitliche Anlaufstellen geschaffen. Dort arbeiten spezialisierte Kräfte daran, berufliche Erfahrungen und Talente von geflüchteten Menschen frühzeitig festzustellen. Sprachkurse, Qualifizierungen und Praktika werden dazu beitragen, dass diese Menschen sich in den Arbeitsmarkt integrieren können. Die ersten Erfahrungen sind positiv, denn viele sind motiviert und lernen schnell Deutsch. Aber das braucht Zeit, es sind also eher die Fachkräfte von übermorgen.“
Autor:Christoph Pries aus Xanten |
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