Interview mit den jungen Rotariern aus Xanten zum internationalen Jugendaustausch
Gesellschaftlichen und kulturelle Blickwinkel "Downunder", in Argentinien und am Niederrhein

Von links: Paul Schönberner, Amber Sivyer; Lale Spiekermann und Avalon Chapman-Mackay.  | Foto: privat
  • Von links: Paul Schönberner, Amber Sivyer; Lale Spiekermann und Avalon Chapman-Mackay.
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Jährlich sind die Xantener Rotarier ein Teil des weltweiten rotarischen Netzwerks, das den Jugendaustausch von Xantener Schülern unterschiedlicher Schulformen mit Schülern außerhalb Europas ermöglicht.

Ziel ist es, Jugendlichen einen anderen gesellschaftlichen und kulturellen Blickwinkel zu ermöglichen. In einem Alter, in dem junge Erwachsene sehr offen, flexibel und neugierig sind, leben sie mehrere Monate als Familienmitglied in einer oft sehr unterschiedlichen Umgebung. Fast alles ist anders: die Sprache, die Schule, der Umgang miteinander, das Essen und Vieles mehr.

Die Austauschschüler oder auch Outbounds des Schuljahres 2019/2020 sowie die aktuellen Inbounds (Gastschüler) beschreiben gegenüber Rotary Xanten ihre Motivation und Erlebnisse des Internationen Jugendaustausches mit Rotary. Paul Schönberner (16); Gastland: Australien und Lale Spiekermann (17); Gastland: Argentinien sowie die australischen Gastschüler Amber Sivyer und Avalon Chapman-Mackay geben einen Einblick in ihre Erfahrungswelt.

Wie seid Ihr auf die Idee gekommen, um mit Rotary Xanten ein Schuljahr ins Ausland zu gehen?
Lale: Rotary bietet im Gegensatz zu anderen Organisationen eine große Anzahl an Ländern an, in denen man seinen Austausch absolvieren kann. Da Rotary weltweit vernetzt ist, kann man somit darüber hinaus viele Austauschschüler aus der ganzen Welt kennenlernen.
Paul: Rotary hat meine Aufmerksamkeit durch eine Präsentation des Clubs über den weltweiten Schüleraustausch in unserer Schule bekommen. Mein Interesse ein Auslandsjahr zu absolvieren war schon im Vorhinein da gewesen, jedoch hat mich bei der Recherche nach einer geeigneten Organisation, Rotary, auf Grund ihres Konzepts am meisten überzeugt. Ich finde es gut, dass sie so eine Vielzahl an Ländern anbieten, in die man reisen kann. Außerdem finde ich es gut in einer Gastfamilie unterzukommen, da man so den direkten Anschluss z.B. in der Schule, durch Gastgeschwister, und in seiner näheren Umgebung bekommt. Des Weiteren bietet Rotary mehrere Reisen und Wochenenden mit anderen internationalen Austauschschülern an, sodass man sein Gastland weiter entdecken und erkunden kann. Es können weltweit Kontakte geknüpft werden, aus denen sich meist enge Freundschaften entwickeln, die dann hoffentlich ein Leben lang halten.

Wie ist es euch gelungen, die Unterstützung von Rotary zu erhalten?
Lale/ Paul: Wir haben zuerst eine Bewerbung an den Club abgeschickt, auf die dann ein Interview folgte. Anschließend durchliefen wir ein weiteres Bewerbungsverfahren und nahmen an mehreren sog. Orientation-Wochenenden mit anderen Outbounds aus dem Distrikt teil. Es folgt die Auswahl aus mehreren Gastländer, von denen wir dann, nach einem weiteren Interview, eins zugeteilt bekommen haben.

Wie sah euer Alltag aus? was habt ihr an Wochenenden gemacht?
Lale: Morgens hat mich meine Gastmutter nach dem Frühstück mit dem Auto zur Schule gebracht. Meistens hatte ich bis 13.00 Uhr Schule. Danach wurde bei der Gast Oma zu Mittag gegessen. Zu Hause folgte dann die landesübliche Siesta. Anschließend habe ich mich nachmittags mit meinen Freunden getroffen, um ein Terere und Biscotchos zu essen. Um Mitternacht, so ist es in Argentinien nicht unüblich, wurde dann zu Abend gegessen.
Paul: Für gewöhnlich bin ich, obwohl die Schule erst um neun Uhr angefangen hat, um 7 Uhr aufgestanden, da mein Gastbruder und ich von unserem Bus, der direkt bis zur Auffahrt der Farm gefahren ist, um halb acht abgeholt wurden, weil wir fast eine Stunde für den Schulweg bis zur Schule gebraucht haben. Auf dem Weg haben wir noch an weiteren Farmen angehalten und Schüler mitgenommen. Wir wohnten über 25km vom Ort entfernt. In der Schule hatte ich insgesamt nur eine Handvoll an Fächern, die aber mitunter teilweise sehr ungewöhnlich waren. Wir hatten zum Beispiel Fächer wie Woodwork, wo man Holzarbeiten selbst hergestellt hat, oder Cooking und Psychologie. Nach der Schule habe ich meistens auf der Farm verbracht.

Was habt ihr an Wochenenden gemacht?
Lale: Am Wochenende konnte man ausschlafen. Nach dem Interact-Meeting um wurde dann meistens zu Abend gegessen. Danach konnte man sich mit Freunden treffen und Mädels Abende organisiert. Alle 2 Wochen habe ich mit meinem Gastvater, Gast Oma und Gast Onkel zu Mittag gegessen. Es gab dann ein traditionelles Asado.
Paul: Meine Wochenenden waren immer sehr abwechslungsreich. Mit meiner ersten Gastfamilie bin ich fast jedes Wochenende zu einem Polocross Turnier mit unseren Pferden gefahren. Bei den Turnieren hatte ich immer sehr viel Spaß, weil ich dort sehr viele nette Leute kennen lernen durfte und eine Vielzahl an Freundschaften geknüpft habe. Meine zweite Gastfamilie besaß ein Haus am Meer, sodass wir immer mal wieder zum Entspannen, aber auch vor allem zum Abkühlen dorthin gefahren sind. Mit meiner dritten Gastfamilie habe ich, so weit die Corona Beschränkungen es zuließen, die nähere Umgebung erkundet und viele Tagestouren zu den dortigen Sehenswürdigkeiten gemacht.

Welchen Einfluss hatte Corona auf Euren Auslandsaufenthalt?
Lale: Auf Grund von Corona habe ich in Argentinien zwei Monate in häuslicher Quarantäne verbracht und konnte daher meine Freunde nicht sehen. Letztendlich bin ich drei Monate früher als geplant nach Hause geflogen und musste meinen Austausch vorzeitig abbrechen.
Paul: Insgesamt kann ich sagen, dass ich trotz Corona wenig Einschränkungen verspürt habe. Ich hatte sehr Glück in einem zeitweise sehr isolierten Inselstaat gewesen zu sein, der sehr weitläufig und nur teilweise bewohnt ist, sodass die Ausbreitung sehr stark eingedämmt werden konnte. Neben sozialen Veranstaltungen und Kontaktbeschränkungen war vor allem auch die Möglichkeit zu Reisen sehr stark reduziert. Unsere geplante mehrwöchige Tour durch den Bush und das Outback musste leider abgesagt werden. Weil unsere Ferien verlängert wurden, habe ich sehr viel Zeit auf der Farm verbracht, wo ich viel über Sheepwork und alle möglichen anderen Dinge lernen konnte. Ich bin sehr dankbar gegenüber meinem australischen Rotary Distrikt, der es uns trotz der Pandemie weiterhin ermöglicht hat zu bleiben und unser Auslandsjahr planmäßig zu beenden. Sie haben das Beste getan uns Austauschschüler Gesund zu halten und auf uns aufzupassen, und gleichzeitig auch noch versucht das Beste aus unseren verbleibenden Monaten zu machen, was keinesfalls selbstverständlich ist.

Was ist Euer Fazit?
Lale: Ich kann jedem empfehlen, der die Chance hat, ein Auslandsjahr zu machen, dies zu tun, da es einem sehr viele Chancen bietet und man Erfahrungen für die Zukunft sammeln kann.
Paul: Durch ein Jahr im Ausland lernt man nicht nur sehr viele neue Menschen und eine andere Sprache kennen. Sondern bekommt einmalige, unvergessliche Eindrücke eines anderen Landes, seiner Landschaft und dessen Kultur. Man sammelt vor allem Lebenserfahrung und lernt Sachen kennen, die einen nicht nur persönlich nach vorne bringen und den Charakter stärken, sondern auch im Leben nützlich sein können. Dennoch sollte dieser Schritt ein Auslandsjahr zu absolvieren gut überlegt werden, weil man neben all den positiven Aspekten manchmal das Gewicht der negativen vergisst, die man auch bei der Entscheidung miteinbeziehen muss. Insgesamt kann ich sagen, dass ich es trotz aller aufgekommenen Schwierigkeiten nicht bereue, diesen Schritt gegangen zu sein und kann es nur jedem empfehlen, der die Möglichkeit hat ein Auslandsjahr zu machen, mutig zu sein und es auf jeden Fall zu machen.

Warum bist Du mit Rotary nach Xanten gekommen?
Amber: Ich wusste von Anfang an, dass ich zum einem Austausch nach Deutschland kommen wollte, bekam aber erst im Dezember 2019 meine Platzierung für Xanten. Ich entdeckte Rotary und ihr Austauschprogramm erst im Februar 2019. Sie organisierten schnell meinen Austausch nach Deutschland. Ich wurde im Oktober für Deutschland bestätigt, aber Xanten war eine Überraschung. Als ich sah, wie klein Xanten war, war ich überrascht, dass ich in einer so kleinen Stadt leben würde. Ich war es bisher gewohnt in einer Großstadt wie Melbourne zu leben.
Avalon: Bevor ich nach Xanten kam, war ich für einige Monate bei einer Gastfamilie in Mailand. Italien war für mich im Rahmen des internationalen Austausches der Erstwunsch, gefolgt von Deutschland. Die Eindrücke in Italien waren sehr schön. Ich hatte darüber hinaus einen sehr schnellen Zugang zur italienischen Sprache. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht. Aufgrund der dann sehr strengen Corona-Maßnahmen wurde es jedoch immer schwieriger, den Aufenthalt in Italien sinnvoll zu gestalten. Über den Kontakt zu Amber und der für sie zuständigen Kontaktperson bei Rotary eröffnete sich dann der Weg nach Xanten.

Was sind, trotz Corona, die bisherigen Eindrücke von Deutschland und von Xanten im Besonderen?
Amber: Mein erster Eindruck war definitiv, wie kalt es hier war. Ich habe mich immer noch nicht daran gewöhnt. Auch das Gefühl, in einer kleinen Stadt zu leben, hat manchmal etwas Isolierendes. Deutschland ist anders organisiert als Australien. Deutschland hat überall viele kleine Städte, während es in Australien sehr viele große Städte mit entsprechend großen Vororten gibt.

Was gefällt Dir an Xanten am besten?
Amber: Das, was mir an Xanten am besten gefällt ist, dass ich mich nach vielen Monaten sehr gut auskenne und jeden Tag Menschen treffe, die mir bekannt sind.
Avalon: An Xanten gefällt mir, dass es im Unterschied zu meiner Heimatstadt Albury wesentlich gemeinschaftlicher/familiärer erscheint. Die Menschen kennen sich und grüßen auf der Straße. In Albury ist es wesentlich anonymer! Außerdem sind hier in Xanten mehr Menschen mit dem Fahrrad unterwegs als in meiner Heimatstadt. Das ist in meiner Stadt gar nicht üblich, und im Straßenverkehr wird dies auch nicht respektiert.

Was sind die größten Unterschiede, die Dir hier im Vergleich zum Heimatland aufgefallen sind?
Amber: Einer der größten Unterschiede ist die Einstellung der Menschen. In der Schule dauerte es lange, bis Leute auf mich zukamen und sich vorstellten oder mich nach der Schule einluden. Es dauerte eine Weile, um die Leute besser kennenzulernen und neue Freunde zu finden. In Australien geht das in der Regel schneller.
Avalon: Dem kann ich mich nur anschließen. In Italien verlief der erste Kontakt zu den Mitschülern viel schneller als in Deutschland. Mittlerweile habe ich jedoch einige Freunde. Ich denke und hoffe, dass der Kontakt zu den Xantener Freunden auch nach dem Aufenthalt in Deutschland auch weiter bestehen bleibt.

Von welchen Erfahrungen wirst besonders profitieren können?
Amber: Eine Erfahrung, von der ich profitieren werde, war das Erlernen einer zweiten Sprache. Wenn auch nicht immer perfekt. Ich kann kommunizieren und Freunde finden. Das reicht für im Augenblick. Darüber hinaus bin ich auch viel selbstbewusster geworden. Das kommt mir sicherlich auch weiterhin zu Gute.

Vielen Dank für Euer offenes Wort und weiterhin viel Erfolg!
Das Interview führte Andreas Kochs (Rotary Club Xanten)

Autor:

Lokalkompass Kreis Wesel aus Wesel

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