Mein kleines Unwetter-ABC

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In den letzten Tagen wirbelten viele Begriffe durch die Medienlandschaft. In diesem OFFENEN Beitrag möchte ich die wichtigsten Unwetterarten und ihre Einteilungen kurz beschreiben, ohne näher auf die vielen Unterformen einzugehen - dies würde den Rahmen sprengen. Das bedeutet, daß ich voraussichtlich in den nächsten Wochen und Monaten diese Seite durch eigenes Bild- und Videomaterial ergänzen werde. Zudem möchte ich ggf. einige Punkte aus diesem Beitrag in den nächsten Wochen in separaten Beiträgen genauer behandeln.

Beaufortskala – Bft

Die Beaufortskala ist eine 12-teilige Skala zur Klassifikation von Windgeschwindigkeiten und dessen Auswirkungen. Es ist das am weitesten verbreitete Meßsystem:

Bft 0 (0-1 km/h) - Windstille, Flaute - keine Luftbewegung, Rauch steigt senkrecht empor.

Bft 1 (0-5 km/h) - leiser Zug - kaum merklich, Rauch treibt leicht ab, Windflügel und Windfahnen unbewegt

Bft 2 (6-11 km/h) - leichte Brise - Blätter rascheln, Wind im Gesicht spürbar

Bft 3 (12-19 km/h) - schwache Brise - Blätter und dünne Zweige bewegen sich, Wimpel werden gestreckt

Bft 4 (20-28 km/h) - mäßige Brise - Zweige bewegen sich, loses Papier wird vom Boden gehoben

Bft 5 (29-38 km/h) - frische Brise - größere Zweige und Bäume bewegen sich, Wind deutlich hörbar

Bft 6 (39-49 km/h) - starker Wind - dicke Äste bewegen sich, hörbares Pfeifen an Drahtseilen und Telefonleitungen, Regenschirmbenutzung schwierig

Bft 7 (50-61 km/h) - steifer Wind - Bäume schwanken, Widerstand beim Gehen gegen den Wind

Bft 8 (62-74 km/h) - stürmischer Wind - große Bäume werden bewegt, Fensterläden werden geöffnet, Zweige brechen von Bäumen, beim Gehen erhebliche Behinderung

Bft 9 (75-88 km/h) - Sturm - Äste brechen, kleinere Schäden an Häusern, Ziegel und Rauchhauben werden von Dächern gehoben, Gartenmöbel werden umgeworfen und verweht, beim Gehen erhebliche Behinderung

Hinweis: In der Vegetationsperiode reicht diese Windstärke bereits aus, um belaubte Bäume auch umzubrechen oder gar zu entwurzeln, da das Blätterdach deutlich mehr (Wind)angriffsfläche bietet als ein im Winter unbelaubter Baum

Bft 10 (89 – 102 km/h) - schwerer Sturm - Bäume werden entwurzelt, Baumstämme brechen, Gartenmöbel werden weggeweht, größere Schäden an Häusern; selten im Landesinneren

Bft 11 (103 – 117 km/h) - orkanartiger Sturm - heftige Böen, schwere Sturmschäden, schwere Schäden an Wäldern (Windbruch), Dächer werden abgedeckt, Autos werden aus der Spur geworfen, dicke Mauern werden beschädigt, Gehen ist unmöglich; sehr selten im Landesinneren

Bft 12 ( über 117 km/h) - Orkan - schwerste Sturmschäden und Verwüstungen; sehr selten im Landesinneren

Die Fujita-Skala

Die Fujita-Skala dient der Schadensklassifikation für Starkwinderscheinungen wie Tornados und Downbursts. Die Stufe der Windgeschwindigkeiten reicht von F0 bis F12.

TORRO-Skala

Die TORRO-Skala, auch kurz T-Skala, ist eine Skala zur Erfassung der Intensität von Tornados und anderen Starkwindereignissen wie Downbursts und umfaßt die Stufen T0 bis T10. Sie wurde dient als Ergänzung zur Beaufort-Skala. T0 entspricht hier Bft 8.

Saffir-Simpson-Skala

Die 5-Stufige Saffir-Simpson-Skala (kurz SSHS) wurde entwickelt, um die Stärke von Hurrikanen zu erfassen. Vereinzelt kann im Mittelmeer oder vor Portugal ein (kleiner) Hurrikan der Kategorie 1 auftreten.

Fractus

Fractus: Sie wird für zerrissen erscheinende Quell- oder Schichtwolken verwendet, welche als Wolkenfetzen unterhalb einer Schauer- oder Gewitterwolke vorkommen. Ihre Färbung reicht von hellgrau bis schwarz. Ugs. (umgangssprachlich) werden sie auch als Schlechtwetterfetzen bezeichnet.

Funnel

Funnel: Dies ist der sichtbare Teil einer nicht den Erdboden erreichenden, rotierenden Luftsäule mit einer mehr oder weniger vertikalen Rotationsachse, welche ugs. auch als Trichterwolke bezeichnet wird.

Windhosen

Windhosen sind in der älteren Literatur noch definiert und sollten einen Unterschied zwischen den großen amerikanischen und den kleinen europäischen Tornados darstellen. Physikalische betrachtet ist es aber dasselbe.

Tornado

Ein Tornado ist ein kleinräumiger Luftwirbel in der Erdatmosphäre, der eine annähernd senkrechte Drehachse aufweist und meist an der Unterseite von schweren Gewittern entsteht. Solange dieser den Erdboden noch nicht erreicht hat, ist es ein Funnel, erst bei erfolgreichem Touchdown (Bodenkontakt) spricht man von einem Tornado. Als Stärkegrad wird die Einteilung der nach oben offenen Fujita-Skala (F1 bis F5) verwendet. Beispiel: Der Tornado in Bützow war ein F3, ein "starker Tornado" mit Windgeschwindigkeiten zwischen 256 und 334 km/h. Zudem herrscht im Nahbereich und vor allem in inneren des Wirbels ein starker Unterdruck von teils weniger als 200 hPa (Hektopascal). Zum Vergleich: ein normales Hochdruckgebiet hat ca. 1025 hPa und ein Tief ca. 985 hPa. Orkantief KYRILL im Januar 2007 wies einen Kerndruck von 965 hPa, Hurrikan "Wilma" am 19. Oktober 2005 erreichte 882 hPa. Das war der tiefste je über dem Atlantik gemessene Wert.

Staubteufel

Als Staubteufel oder Kleintrombe bezeichnet man einen kleinräumigen Luftwirbel mit vertikaler Achse und meist geringer Höhenerstreckung. An besonders trocken-heißen Sommertagen mit labiler Luft-Schichtung lösen sich Thermikblasen vom Boden ab und bilden beim raschen Aufsteigen eine vorhandene schwache Rotation, welche gerne mit Staub, Heu und anderen leichten Materialien angereichert wird - daher ihr Name. Die Windstärke eines durchschnittlichen Staubteufels beträgt Bft 6-7.

Staubsturm

Seit dem 06.05.2015 weiß ich - auch am Niederrhein kann es Staubstürme geben. Wenn im Frühjahr die Felder frisch bestellt, aber noch nicht grün sind, reicht stürmischer Wind (Bft 8) aus, um abgetrockneten Ackerboden aufzunehmen und weiterzutragen. Auch im Sommer, wenn die Getreidefelder geerntet und erneut umgebrochen sind, können solche Windverfrachtungen auftreten. Hierzu mein Beitrag: "Überraschendes Sturmchaos – mit Video"

Der folgenschwerste Staub/Sandsturm in Deutschland ereignete sich am 08.04.2011 auf der A19 bei Rostock, welcher eine Massenkarambolage auslöste.

Schauerböe

Als Schauerböe bezeichnet man kurze, mäßig starke Fallwinde (bis Bft 7), welche in Verbindung mit teils großtropfigen (Platz)-Regen aus einer „Cumulonimbus“ (Quellwolke oder typische Schauerwolke) niedergehen. Vorzeichen hierfür sind die typischen Fallstreifen (Praecipitatio), welche sich in Form vertikal oder schräg herabhängender Schleppen an der Unterseite zeigen.

Downburst

Ein Downburst ist eine schwere Fallböe, die meist bei Gewittern beobachtet werden kann. Die stärksten Downburst am Niederrhein ereigneten sich am 14. und vor allem am 12. Juli 2010. Mit einer Dauer von 10 Minuten, orkanartigen Winden (Bft 11) und extremen Starkregen mit Sichtweiten von fast Null hinterließ dieser neben 30 Litern Regen auch eine Schneise der Verwüstung.

Siehe hierzu mein Video: "Gewittersturm am 14. Juli 2010 in Xanten-Marienbaum"

Ab Stelle 3.30 Minuten ist der Downburst sehr deutlich zu erkennen, am Anfang des Videos die ausgeprägte Shelf-Cloud .

Cumulonimbus capillatus

Der Cumulonimbus oder Kumulonimbus ist die größte Form einer Gewitter-Quellwolke und kann in Höhen von über 10 Kilometern aufsteigen. Typisches Merkmal einer Nimbuswolke ist der Gewitterschirm, welcher aus Eiswolken (Cirren) besteht. Ugs. wird sie auch als Amboßwolke bezeichnet. Da in ihrem oberen Stockwerk auch im Sommer -20 bis -40 Grad vorherrschen, produziert sie immer teils große Eiskörner, welche als (kleiner) Hagel oder aufgelöst als großtropfiger Platzregen niedergehen.

Mammatuswolken

Mammatuswolken (lat. „brustartig“; Abkürzung: mam), kurz mamma, sind häufig am hinteren Eisschirm einer Gewitterwolke (Cumulonimbus) zu beobachten. In sackartigen Formen hängt die Gewitterwolke nach unten, wobei lokale Auf- und Abwinde, trockene Warmluft, Verdunstungskälte und allgemein sehr starke Turbulenzen eine wichtige Rolle spielen. Vor allem im Sommer deuten gut ausgeprägte Mammatuswolken auf trockene Warmluft in der Höhe hin. Ein Gewitter, das ausgeprägte Mammaten besitzt, ist meistens eine sehr starke Zelle, welche oftmals heftige Fallwinde, teils großen Hagel und sintflutartigen Platzregen mit sich führen kann. Auch verfügen sie über genug Energie, um entlang der Shelf Cloud (Böenwalze) Tornados auszubilden.

Graupel

Bei Graupel handelt es sich um kleine Schneekristalle, welche durch angefrorene Wassertröpfchen zu kleinen, bis zu 5mm großen Kügelchen verklumpen.

Hagel

Als Hagel werden Eiskugeln mit einer Größe von über 5mm bezeichnet. Anders als beim Graupel beginnt ihre Geburt mit einem Kristallisationskeim innerhalb einer Gewitterzelle. Starke Aufwinde und unterkühltes Wasser sorgen so lange für ein Wachstum, bis das Hagelkorn zu schwer für die Aufwinde wird und zu Boden fällt. Im Durchschnitt wird ein Hagelkorn bei uns ca. 1-2cm groß und erreichen dabei Fallgeschwindigkeiten von etwa 70km/h. Großhagel ab einer Korngröße von 5cm ca. 120km/h, Riesenhagel von 10cm und mehr über 150km/h. Das größte Hagelkorn wurde am 9. August 2010 im amerikanischen Bundesstaat South Dakota gefunden. Es hatte einen Durchmesser von 20,32 und einen Umfang von 47,29 Zentimetern, sein Gewicht betrug 875 Gramm.

Blitz

Ein Gewitter-Blitz ist ein kurzzeitiger elektrischer Lichtbogen zwischen Wolken oder zwischen Wolken und der Erde. Hierbei entstehen extrem hohe Stromstärken von etwa 20.000 Ampere und Spannungen von ungefähr 100 Millionen Volt sowie Temperaturen von bis zu 30.000 Grad Celsius. Die Hauptentladung (0,1 bis 3 Sekunden) kann aus Dutzenden Einzelentladungen bestehen, welche ihrerseits nur ein paar Millisekunden dauern. Der Donner entsteht durch den Zusammenbruch des Blitzkanal (Plasmaschlauch) und breitet sich mit Luft-Schallgeschwindigkeit (ca. 330 Meter pro Sekunde) in alle Richtungen aus. Dabei entstehen aus komplexen physikalischen Vorgängen Echo-Effekte, die wir als Donnergrollen wahrnehmen.

Gewittriger Schauer

Physikalisch betrachtet besteht zwischen einem gewittrigen Schauer und einem Gewitter kein Unterschied, dennoch wird der Begriff gerne für kurze, kräftige Schauer mit einzelnen Blitzentladungen und Schauerböen bis Bft 8 verwendet. Als Wolkenbasis steht hier die Cumulonimbus - "gemeine" Gewitterwolke.

Gewitter

Die kleinstmögliche abgeschlossene Form, in der ein Gewitter auftreten kann, nennt man Einzellen-Gewitter. In unseren Breiten treten sie meist an feucht-warmen Sommertagen auf und werden auch als Wärmegewitter bezeichnet. Auch große Temperaturunterschiede zwischen Boden und hohen Luftschichten sowie Kaltfronten lösen wegen der entsprechenden Labilisierung Gewitter aus. Charakteristisch für ein "normales" Gewitter sind Platzregen, Graupel, kleiner Hagel, Sturmböen (Bft 8-9) und eine mäßig hohe Blitzaktivität. Nach 30 Minuten ist der Spuk meist wieder vorbei.

Unwetter

Als Unwetter werden die extremen Formen eines Gewitters bezeichnet:

Superzelle

Als Superzelle bezeichnet man eine große, rotierende Gewitter(ein)zelle. Ihre Lebenszeit kann mehrere Stunden und ihre Ausdehnung über 300 Kilometer betragen. In ihr können Starkregen, Großhagel, Orkanwinde (teils über Bft 12) und Tornados auftreten. In Deutschland bilden sich Superzellen nur an wenigen Tagen im Jahr, wenn schwüle Hitze von über +30 Grad und kleine Tiefdruckrinnen den Nährboden dafür geben.

Gewitter-Cluster, Zell-Cluster

Ein Gewittercluster ist eine zusammenhängende Multizelle, welche aus dem Zusammenschluß von vielen einzelnen Gewitterzellen entstanden ist und weist mehrere, große Niederschlagskerne auf. Aufgrund ihrer organisierten Struktur entstehen sie immer wieder neu, was zu stundenlangen und flächendeckendem Starkregen führen kann. Hagel tritt dagegen nur selten auf, auch über 95% der elektrischen Entladungen finden nur innerhalb der Wolken statt.

Böenwalze

Als Böenwalze oder Rollkragen werden in der Meteorologie zwei unterschiedliche Wolkenformationen bezeichnet, wobei für uns die Shelf Cloud am relevantesten ist.

Shelf Cloud

Dies ist eine tiefe, horizontal ausgerichtete Arcus-Wolke in Keilform, die seltener mit Kaltfronten, vor allem aber in Verbindung mit schweren Gewittern und dabei insbesondere an Böenfronten recht häufig auftritt. Beim Eintreffen der Shelf Cloud kann der Wind vor allem an heißen Tagen Orkanstärke erreichen.

Hier eine einfache Shelf-Cloud: „Rotierende Böenwalze über Xanten-Marienbaum“

Grundinformationen abgeglichen mit "Die BLV Wetterkunde: Das Standardwerk, Ausgabe - Juni 2011, von Günter D. Roth.

Autor:

Hans-Martin Scheibner aus Xanten

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