Xanten - wird dort nach unkonventionellen Erdgaslagerstätten gesucht? Wenn ja - was man nach Möglichkeit spätestens jetzt darüber wissen sollte!
08.09.2014
Von Christel und Hans-Martin Scheibner
Am vergangenen Freitag, dem 05.09.2014, wurden wir bei einer Fahrt im Bus nach Xanten auf eine große rote Bohranlage sowie einen roten Kran linksseitig des Trajanrings - etwas abseits auf der Wiese - aufmerksam und hielten dies spontan digital fest. Ganz in der Nähe liegen auf der anderen Straßenseite die Gaskavernen. In Xanten angekommen, sahen wir uns das Ganze etwas genauer vom Alleenradweg her an. Deutlich war auf den Fahrzeugen die Aufschrift HALLIBURTON zu erkennen, ein international agierender Konzern und führender Anbieter von technischen Dienstleistungen sowie Zulieferer diverser Produkte der Erdöl- und Energieindustrie. Ein lautes, dumpfes Maschinengeräusch drang zu uns herüber. Wir machten einige Fotos und fragten auf dem Rückweg einen Spaziergänger, ob ihm Näheres bekannt sei. Genaues wisse er nicht, nur, daß es in diesem Bereich Öl- und Gaslagerstätten gäbe, was hier ja auch für die Bevölkerung gspeichert würde. Dann machte jedoch der Umstand, daß ein Wagen ohne Nummernschild aus Richtung der Bohrstelle recht nahe kam, der Fahrer in unsere Richtung ein Foto machte, um dann abrupt umzukehren, unseren Recherchen ein rasches Ende. Vielleicht war dies ja auch nur ein Zufall. Handelt es sich bei den beobachteten Maßnahmen um eine Aufsuchungsbohrung von unkonventionellen Erdgaslagerstätten der Dart Energy Europe? Diese hatte die 2009 an Queensland Gas vergebenen Aufsuchungserlaubnis von Kohlenwasserstoffen vor einiger Zeit gekauft. Der nördliche Teil des Kreis Wesel, wozu auch Xanten gehört, liegt im Aufsuchungsfeld Saxon I West. Wo genau gesucht wird, darüber findet man im Web keine Informationen, wohl aber, daß Städte und Gemeinden wie Wesel, Xanten, Uedem, Sonsbeck und Alpen betroffen sein könnten.
Unterschieden wird Erdgas aus konventionellen und unkonventionellen Lagerstätten. In der Zusammensetzung jedoch unterscheidet sich das Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten nicht vom Erdgas aus konventionellen; die Bezeichnung bezieht sich lediglich auf die Lagerstätte.
Bei konventionellen Lagerstätten ist das Erdgas in gut durchlässigem Gestein enthalten, welches ohne spezielle Bohrtechniken gewonnen werden kann. Derartige Gasvorkommen erstrecken sich auf eher kleinere Gebiete, wobei es sich oftmals um Gasblasen handelt. Es fallen hier jedoch große Mengen an salz- und schwermetallhaltigen Bohrschlämmen und Lagerstättenwasser an, welche ein Entsorgungsproblem darstellen. Üblich ist meist eine Entsorgung in sogenannten Versenkborstellen (Disposalbohrung), wobei die Grundwasserschichten passiert werden. Oft muß dieses Gemisch durch Rohrleitungen über weitere Entfernungen dorthin transportiert werden, ein riskantes Unterfangen, da des öfteren schon Undichtigkeiten im Transportweg auftraten. Nur 30 Prozent des Lagerstättenwassers werden aufbereitet und entsprechend weiterverwendet.
Beim unkonventionellen Lagerstätten wiederum muß man unterscheiden zwischen:
Tight Gas = Erdgas, welches sich in schwer durchlässigem Gestein angesammelt hat
Shale Gas = im Schiefergestein gebundenes Schiefergas
Coal Bed Methane - CBM = Kohleflözgas - meist in Steinkohle gebundenes Erdgas
Bei der Gasförderung aus unkonventionellen Lagerstätten muß im Gegensatz zu dem konventionellen erst das umgebende Gestein aufgebrochen = gefrackt werden. Der Begriff Fracking leitet sich vom englischen Wort fracturing bzw. frac(c)ing ab.
Aufgrund der Kombination des horizontalen Bohrens sowie die hydraulische Behandlung = Hydraulic Fracturing ist es seit Ende des 20. Jahrhundert möglich, Gas aus unkonventionellen Lagerstätten gewinnbringend zu nutzten.
Die unkonventionellen Lagerstätten erstrecken sich im Gegensatz zu den konventionellen auf sehr viel größere Gebiete, welche hunderte, ja sogar tausende Quadratkilometer umfassen können. Das Auffinden kommerzieller Gebiete erfolgt durch entsprechende Aufsuchungsbohrungen. In Deutschland und anderen Teilen Europas vermutet man größere Schiefergas- sowie Kohlegasvorkommen, Tighgas eher in der Ukraine und in Ungarn.
Forschungen im Zusammenhang mit Erkundung und Gewinnung sind hier noch vonnöten, da sich das Ganze noch in einem Frühstadium befindet. Diesbezüglich finden derzeit in Europa einige Projekte statt, um genaue Standorte von unkonventionellem Gas zu ermitteln:
The Shale Gas Research Initiative (GASH) = Initiative zur Erforschung von Schiefergas, ein europäisches Forschungsprojekt, an dem Wissenschaftler unterschiedlichster Bereiche als Einzelforscher (Explorationsprojekte) beteiligt sind.
GeoEn = ein deutsches Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Bereich Schiefergas
BGR = Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, welche dem Bundesministerium unterstellt ist.
Deutschland gehört zu den wenigen Länder in Europa, wo bereits Explorationsprojekte durchgeführt werden.
Für die vermuteten Gebiete wird eine sogenannte Aufsuchungserlaubnis = Claim erteilt, welche anschließend verlängert werden kann - momentan sind dies bis zu jeweils 5 Jahre. Das erteilt Unternehmen das Recht, dort nach Erdgas zu suchen; jedoch muß die Suche oder Förderung noch nicht begonnen haben. Durch Aufsuchungserlaubnis findet für die einzelnen Firmen zuerst einmal ein Gebietsschutz statt. So wurde in NRW knapp die Hälfte des Landes zur unkonventionellen Gasförderung freigegeben. Bei der jeweiligen Bezirksregierung - in NRW hat diese ihren Sitz in Arnsberg, muß jede weitere Probebohrung oder Förderung beantragt werden. In Europa müssen sich die Betreiber an höchste Bohrungsstandards halten.
Erst, nachdem alle Untersuchungen abgeschlossen und alle Genehmigungen erteilt wurden, wird entsprechende Bohrstelle vorbereitet sowie die Infrastruktur für die benötigte Wasser- und Elektrizitätsversorgung aufgebaut. Sichergestellt werden müssen jedoch zuvor geringstmögliche Auswirkungen des Betriebs auf die angrenzenden Gemeinden. Ein Ausheben einer Grube, welche mit dicken Plastikplanen ausgekleidet wird, dient der Aufnahme von anfallenden Material wie Erde und Gestein und soll eine Verunreinigung des Bodens und Grundwassers verhindern.
Nach diesen Maßnahmen wird der Bohrturm errichtet und mit dem eigentlichen vertikalen Bohrvorgang begonnen. Der Teil des Bohrlochs, welcher durch die trinkwasserführende Schicht führt, wird mit einer Vielzahl von Schichten aus Stahl und Beton ummantelt, um den Schutz des Trinkwassers sicherzustellen. Es heißt, daß zwischen den trinkwasserführenden Schichten und dem gasspeichernden Gestein ein mehrere hundert bis tausend Meter dickes, undurchlässiges Deckgebirge liegt, welches es unmöglich mache, daß die feinen Risse sich bis ins Trinkwasser ausdehnen.
Erst dann wird die Bohrung fortgesetzt, bis die bis in über 4 km Tiefe liegende Zielgesteinsschicht erreicht ist. Bei der konventionellen Lagerstätte wäre jetzt hier Schluß, bei vielen unkonventionellen jedoch geht nach Drehung des Bohrkopfes die Bohrung in vertikale Richtung weiter.
Anschließend wird mit Hochdruckpumpen Flüssigkeitsgemisch (Hydraulic-Fracturing-Flüssigkeit = Fluid) aus 98 bis 99,5 Prozent Wasser und Sand sowie 0,5 bis 2 Prozent unterschiedlicher chemischen Zusatzstoffen, welche sich nach den geologischen Gegebenheiten richten, zum Aufbrechen des Gesteins durch das Bohrloch in die Lagerstätten gepreßt, wobei der Wasserverbrauch pro Frackvorgang mehrere tausend Kubikmeter betragen kann. Das zu diesem Zweck verwendetet Wasser stammt meist aus dem öffentlichen Versorgungsnetz. Durch diesen Vorgang entstehen feine Risse, welche eine Länge bis zu 30 m erreichen können. Durch diese Risse, welche durch den verwendeten Sand offengehalten werden, strömt das Gas mitsamt dem "Flowback" nach oben. Die nicht immer unbedenklichen Chemikalien haben u. a. die Aufgabe, Reibung zu vermindern, Wasser und Sand zu vermischen, Bakterien abzutöten und die Bildung von Faulgasen zu verhindern. Mit dem Flowback verfährt man wie bei der konventionellen Gasgewinnung.
Derzeit arbeiten Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (beide SPD) an einem gemeinsamen das Fracken betreffenden Gesetzesentwurf, worüber schon in absehbarer Zeit abgestimmt werden soll. Zugrunde liegt u.a. eine vom Umweltbundesamt (UBA) in Auftrag gegebene und veröffentliche Studie. Der Hydrogeologe Uwe Dannwolf, Verfasser dieser Studie, sieht wie viele andere Kollegen Fracking durchaus als Zukunftstechnologie und ist erstaunt über gegenteilige Fehlinterpretationen, schließt aber Risiken nicht ganz aus.
Die Gegner des Frackens verweisen auf die Gefahr der Wasserverunreinigung sowie unkontrollierten Methangasaustritt, aber auch den nicht unerheblichen Maschinenlärm hin. Erwiesen ist, daß infolge von Gasbohrungen Erdbeben auftreten können, weshalb davor gewarnt wird, in tektonischen Zonen zu bohren.
Als großes Problem stuft man in Deutschland, vor allem im Grenzgebiet, die Fracking-Pläne der niederländischen Nachbarn ein.
Beitragsfoto: FRACKING IN XANTEN ???
Autor:Hans-Martin Scheibner aus Xanten |
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