Knapp abgelaufenes MHD, Brot vom Vortag, nicht normgerechtes Obst und Gemüse, Fertiggerichte mit Pferdefleischanteil - kein Abfall sondern vollwertige Lebensmittel!

Bild: Eigener Entwurf, Abfallsymbol: Quelle: Urheber: Frédéric DE GOMBERT (alias Carnby), Creative Commons-Lizenz, wikipedia.
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Vollständig überarbeitete Neufassung unseres Artikels vom 28.02.2013

Von Christel und Hans-Martin Scheibner

Die vereinten Nationen wollen den Welthunger bekämpfen.

Die Vereinten Nationen (UN) haben im Januar dieses Jahres angekündigt, mit der weltweiten Kampagne "Think.Eat.Save." den Welthunger zu bekämpfen. Große Erfolge könne man hier erzielen, würde man die Lebensmittelverschwendung eindämmen.

Wie von den UN im Welthungerbericht vom Oktober 2012 veröffentlicht, hat jeder achte Mensch - das sind insgesamt 870 Millionen Menschen, nicht genug zu essen. Trotzdem landen jährlich 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel im Abfall, wie eine im Januar 2013 vorgelegte Studie ergab - die vierfache Menge von dem, was nötig wäre, um das Welthungerproblem zu lösen.

Zwei Drittel davon wäre noch essbar gewesen. Vieles verdirbt schon durch unsachgemäßen Umgang in der Versorgungskette und zuhause, da oft einfach zuviel gekauft wird.

Hier die Original-Webseite der Kampagne "Think.Eat.Save.", welche leider nur in Englisch verfügbar ist. Man kann sich die entsprechenden Passagen jedoch von Google übersetzten lassen. Zumindest reicht die Übersetzung aus, um zu verstehen, um was es hier geht.

http://www.thinkeatsave.org/

Laut einer Studie der Universität Stuttgart von 2011 wirft jeder deutsche Bürger 81,6 kg Lebensmittel im Wert von 235 Euro im Jahr weg. Insgesamt kostet diese Verschwendung die Gesamtbevölkerung 21,6 Milliarden Euro. Man geht von einer Gesamtmenge von etwa 6,7 Millionen Tonnen aus. Zählt man die gewerblichen Betriebe sowie den Handel noch hinzu, summiert sich diese Verschwendung auf 11 Millionen Tonnen Lebensmittel.

Viele halten so manche EU-Norm für absolut sinnlos.

Angeprangert werden auch die EU-Normen für Obst und Gemüse. Gewicht, Größe und Aussehen sind da vorgeben - der Rest darf nicht in den Handel. So gibt es z. B. beim Porree genaue Vorschriften: "Mindestens ein Drittel der Gesamtlänge oder die Hälfte des umhüllten Teils muß von weißer bis grünlich-weißer Färbung sein. Jedoch muß bei Frühporree/Frühlauch der weiße oder grünlich-weiße Teil mindestens ein Viertel der Gesamtlänge oder ein Drittel des umhüllten Teils ausmachen." Der helle Wahnsinn - also keine Chance mehr für krumme Gurken und Co.! ?

Allein die deutschen Verbraucher werfen jährlich 2.948.000 Tonnen Obst und Gemüse auf den Müll - hinzu kommen noch die Mengen, welche der Handel entsorgt. Aber auch die Erzeuger vernichten riesige Mengen, sei es aus Quotengründen oder weil die Produkte nicht normgerecht sind, also den Schönheitsidealen oder sonstigen Vorgaben nicht entsprechen.

Das Mindesthaltbarkeitsdatum - MHD - ist kein Verbrauchsdatum.

Noch vor gar nicht zu langer Zeit prüfte man mit den eigenen Sinnen, ob ein Lebensmittel noch gut war oder nicht. Die Genießbarkeit ist in den meisten Fällen an Farbe, Geruch, Geschmack und Konsistenz erkennbar. Bei Schimmelbefall ist das Lebensmittel verdorben, und auch Teile davon sollten nicht mehr verzehrt werden, da eine Gefährdung der Gesundheit besteht.

Seit dem Dezember 1981 regelt die Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung (LMKV) die Kennzeichnung von Lebensmitteln, die in Fertigverpackungen an den Endverbraucher abgegeben werden. Man unterscheidet zwischen dem MHD (Mindesthaltbarkeitsdatum) und Verbrauchsdatum. Alle verpackten Lebensmittel müssen diesen entsprechenden Aufdruck tragen. Vorsicht bei geöffneten Verpackungen - die Datumsangaben beziehen sich nur auf die ungeöffnete Ware!

Auf der Verpackung von Produkten, welche maximal 3 Monate haltbar sind, ist das MHD aufgedruckt: "mindestens haltbar bis ... ", dann folgen Tag, Monat und Jahr. Bei allem was länger haltbar ist wie Nudeln oder Mehl, kann die Angabe des Tages entfallen. Bei Dauerkonserven ist die Angabe des Jahres ausreichend - dort heiß es dann "mindestens haltbar bis Ende ... ". Es handelt sich hier lediglich um einen Richtwert, nach dessen Ablauf zu prüfen ist, ob das Lebensmittel noch in Ordnung ist. Bis zu 3 Monate haltbare Produkte können noch etliche Tage verzehrsgeeignet sein. die mit einer Haltbarkeit über 3 Monate bzw. Dauerkonserven nach Datumsablauf noch viel länger.

Aus diesem Grund ist es durchaus sinnvoll, wenn Geschäftsinhaber ihre Ware kurz vor dem Verfalldatum sozialen Organisationen überlassen oder günstiger an den Verbraucher abgeben.

Auf abgepackten leicht verderblichen Lebensmitteln muß das VERBRAUCHSDATUM stehen. Dazu gehören z. B. frisches Geflügel oder Hackfleisch. Dieser Hinweis gibt an, bis wann das Lebensmittel verbraucht sein sollte.

Hier ein Link zur deutschen Verbraucherzentrale: "Das MHD ist kein „Verfallsdatum“

http://www.lebensmittelklarheit.de/cps/rde/xchg/lebensmittelklarheit/hs.xsl/3440.htm

Brot vom Vortag, lecker und günstig.

500.000 Tonnen Brot - ein Fünftel ihrer Produktion - entsorgen die Bäcker in Deutschland jährlich im Müll. Viele Kunden wollen auch noch kurz vor Ladenschluß ein reichhaltiges Angebot vorfinden, weshalb gerade bei Backwaren oft überproduziert wird. Es kommt sogar vor, daß Bäckereibetriebe, welche ihren Backwaren innerhalb des Geschäftes einer Handelskette verkaufen, den Vertrag aufgekündigt bekommen, wenn nicht bis kurz vor Feierabend das komplette Sortiment vorhanden ist.

Viele Bäckereien spenden inzwischen einen Teil des Überschusses an die Tafel, eine wohltätige Organisation, welche diese Spenden an Bedürftige weitergibt.

Der Rest an Brot und Brötchen, aber auch Kuchen "vom Vortag" wird am nächsten Tag zum halben Preis angeboten. Gut, die hellen Brötchen schmecken besser, wenn man sie aufbackt - doch gerade Kuchen, Brot und auch Vollkornbrötchen haben einen Tag nach dem Backen an Aroma dazugewonnen. Außerdem sind Vollkornbackwaren, am Backtag verzehrt, nicht besonders bekömmlich für den Verdauungstrakt. Es handelt sich hier also durchaus nicht um minderwertige Ware!

Zu alt gewordene Backwaren finden auf dem Lande oft noch als Tierfutter Verwendung, bei sonstigen ist die Verwertung als solches allerdings laut gesetzlicher Vorschrift inzwischen verboten.

Pferdefleisch in Lasagne und Co. ist absolut unbedenklich.

Nach dem zweiten Weltkrieg war der Sonntagsbraten in Deutschland noch etwas ganz Besonderes. Am Montag gab es dann, was davon übrig blieb, als neue phantasievolle Kreation. Während der Woche aß man so gut wie gar kein Fleisch, aber auch Wurst nicht so oft und schon gar nicht in diesen Mengen wie heutzutage. In den 60ern änderte sich unser Eßverhalten - zuerst kamen wir auf den Geschmack von fertiggegarten Hähnchen, dann boten fast an jeder Ecke Imbißbuden Currywurst und die ersten Pommes frites an. Schließlich eröffneten die ersten Gyros- und Dönerstuben sowie jugoslawische Grillrestaurants und Pizzerien. Mit besserem Verdienst stieg der Fleischkonsum der Deutschen zusehends. Wer die Möglichkeit hatte, grillte Steaks, Würstchen und was man sonst noch so alles auf den Grill legen konnte zuhause. Diese Sitte, welche inzwischen in Deutschland zur Tradition wurde, importierten wir aus den USA - wie auch den Hamburger. Fleisch kauften viele Bundesbürger nicht mehr beim Metzger, sondern im Supermarkt als Frisch- vor allem als TK-Ware, weil es dort preisgünstiger war.

Im letzten Jahr aß jeder Bundesbürger etwa 60 kg Fleisch. Insgesamt liegt der Verzehr bei 8 Millionen Tonnen. Mit etwa 68 Prozent hatte Schweinefleisch im Jahr 2012 den höchsten Anteil, gefolgt von Geflügelfleisch mit etwa 18 Prozent und Rind mit etwa 14 Prozent. Der Anteil an Pferdefleisch lag bei nicht einmal 0,4 Prozent.

Das waren rund gerechnet:

58.197.000 Schweine mit einem Gesamtgewicht von 5.458.000 Tonnen

1.428.000 Tonnen Geflügel

3.618.000 Rinder mit einem Gesamtgewicht von 1.136.000 Tonnen

11.350 Pferde mit einem Gesamtgewicht von 3.000 Tonnen

Zu Anfang des Jahres 2012 wurden in etlichen Fertiggerichten und auch Frischfleisch Anteile von Pferdefleisch entdeckt, nachdem man in England teils medikamentebelastetes Pferdefleisch in Fertig-Lasagne fand. Zum Glück war in Deutschland das Fleisch nicht belastet wie zuerst vermutet. Prozentual gerechnet lag der Gesamtanteil an Pferdefleisch bei der verwendeten Fleischmenge höchstens bei 1 Prozent - das wären bei einer handelsüblichen TK-Lasagnepackung mit einem Fleischanteil von 50 Prozent gerade einmal 0,5 g. Zudem ist Pferdefleisch äußerst gesund, enthält kaum Cholesterin, sehr wenig Fett und schmeckt ausgezeichnet. Allerdings haben wir persönlich ein Problem mit dem Verzehr des Fleisches von Pferden, welche von vornherein als Schlachtpferde gezüchtet werden. In früheren Zeiten bis nach Kriegsende kam jedoch nur das Fleisch von ausgedienten Pferdeveteranen auf den Teller, als Hackfleisch oder hier am Niederrhein als "Rheinischer Sauerbraten". Beliebt war auch Pferdewurst.

Bei den in England gefundenen Rückständen von Phenylbutazon handelt es sich um ein Medikament, was bis in die Mitte der 80er Jahre in Deutschland sehr häufig angewendet wurde, in heutiger Zeit jedoch nur noch bei schweren Gelenkerkrankungen. Damit behandelte Pferde werden für den Verzehr als ungeeignet eingestuft. Nicht nur Dr. Frank Antwerpes von der medizinischen Online-Plattform "Doccheck.com", sondern auch die britische Gesundheitskommissarin Professor Dame Sally Davies halten diese Medikamenterückstände für ein eher geringes Gesundheitsrisiko für Menschen. Selbst wenn man über mehrere Tage sehr große Mengen Pferdefleisch essen würde, käme man noch längst nicht auf die Dosis einer Tablette.

Produkte mit Pferdefleischanteil könnten also bedenkenlos noch mit dem entsprechenden Vermerk in den Verkauf - zum vergünstigten Preis sicher ein Renner! Politiker, aber auch Hilfsorganisationen sahen das Angebot der Regierung und des Handels, die wegen des Pferdefleischanteils beanstandeten Lebensmittel mit Hinweis auf den Pferdefleischanteil kostenlos an Bedürftige abzugeben, eher positiv als ablehnend.

Bleibt im Grunde nur ein bitterer Nachgeschmack bei dem Gedanken an den erfolgten Betrug - nicht der einzige, vermutlich auch nicht de letzte.

Abgabe von im Handel lt. gesetzlicher Vorgabe nicht mehr verkäuflichen Lebensmittel an Bedürftige!

Bei all diesen Produkten handelt es sich um vollwertige Lebensmittel, welche gesundheitlich unbedenktlich sind, nur eben nicht mehr regulär verkauft werden dürfen.

Der Einzelhandel sowie Obst- und Gemüsebauern sind schon seit längerem dazu übergegangen, ganze Kisten einwandfreies Obst und Gemüses, was im Grunde noch im Laden hätte verkauft werden können, an die Tafeln zu spenden.

Gegen die Abgabe von Lebensmittel mit fast abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum oder vor Ablauf des Verbrauchsdatums ist absolut nichts einzuwenden. Hier ist es sinnvoll, persönlich jedes Produkt zu prüfen, ob es noch in Ordnung ist. Das mußte man vor Einführung des MHD und Verbrauchsdatum auch.

Brot, Kuchen und Brötchen vom Vortag sind immer noch äußerst lecker. Helle Brötchen schmecken aufgebacken wie frisch vom Bäcker.

Auch Fertiggerichte mit Pferdefleischanteil sind gesundheitlich unbedenklich.

Die Ablehnung dieser Lebensmittel oder gar die Scham, solche zu verwerten, ist also absolut unbegründet. Im Gegenteil, man leistet einen Beitrag zur Verhinderung der Verschwendung von Lebensmitteln und damit auch von Recourcen. Unser Budget ist ebenfalls begrenzt, und wir sind oft sehr froh über aus vorgenannten Gründen preislich reduzierte Lebensmittelangebot in den Geschäften - können wir doch dadurch viel Geld sparen.

Last not least sei Ihnen in diesem Zusammenhang noch die Lektüre folgender Broschüre zu empfehlen - eine Kampagne der Bundesregierung, Frau Ilse Aigner, damals Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz : "Kompass Ernährung, Januar 2012 "Lebensmittel im Müll - die große Verschwendung." Sie kann auch als PDF heruntergeladen werden.

Autor:

Hans-Martin Scheibner aus Xanten

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