Am Rande beobachtet - die Solidaritätskundgebung der Yeziden in Kleve am 13. August 2014
14.08.2014 / Check-Up am 19.07.2018
Von Christel und Hans-Martin Scheibner
Eigentlich wollten wir nur einen schönen Tag in Kleve verbringen - dem über der Stadt kreisenden Polizeihubschrauber maßen wir zuerst keine Bedeutung zu. Gegen Nachmittag bemerkten wir, daß etliche Kurdengruppen in der Unterstadt und im Bahnhofsbereich unterwegs waren. Ein Teil der Frauen als auch Männer trugen Plakate und Fahnen mit sich, es lag eine spürbare Anspannung in der Luft. Es waren auch Kinder, selbst Kleinkinder im Kinderwagen, mit dabei. Am frühen Abend nahm die Polizeipräsenz auffällig zu. Einer Nachfrage zufolge in der Touristikinformation Kleve war um 18.00 Uhr auf dem Parkplatz an der Hochschule Rhein-Waal eine friedliche Großdemonstration geplant, welche auf die katastrophale Lage der Jesiden (Yeziden), einer religiösen Minderheit im Nordirak, aufmerksam machen soll. Deutschland wird von den Organisatoren um unverzügliche humanitäre Hilfe gebeten. Im Gebiet um Kleve leben einige Tausend dieser Bevölkerungsgruppe, weshalb als Demonstrationsort Kleve gewählt wurde. Alle Jesiden wurden zum Mitmachen beim Protestmarsch durch die Klever Innenstadt, abschließend am Elsabrunnen, aufgerufen. Man erwartete einige tausend Teilnehmer. Da Unruhen durch Übergriffe gegnerischer Parteien befürchtet wurden, war das Polizeiaufgebot entsprechend groß.
Da unser Bus nach Marienbaum kurz nach 18.00 Uhr fuhr, haben wir Weiteres nicht mehr in Erfahrung bringen können. Am Kreisel Richtung Stadtausfahrt hatte sich eine riesige Autoschlange gebildet, weil der Verkehr umgeleitet wurde. Viele, so auch unserer Busfahrer, glaubten an einen Zusammenhang mit der Demo. Entsprechend groß war dann seine Verärgerung, war es doch so kaum noch möglich, den Fahrplan einzuhalten. Ist es Unkenntnis der Sachlage oder tatsächlich mangelndes Verständnis, wenn bei einigen Menschen Sätze wie "Die sollen bei sich zuhause demonstrieren!" fallen? Ein Versuch des Busfahrers, das Hindernis zu umfahren, schlug fehl. Es stellte sich dann jedoch heraus, daß eine Großbaustelle auf der Bundesstraße Richtung Kalkar der Umleitungsgrund war. Also wenden - und vorbei an der Demo, welche gerade begonnen hatte, wodurch uns noch die Möglichkeit gegeben war, vom Bus her Fotos zu machen.
Hier eine Grundinformation über die Sachlage:
Der Protest richtet sich gegen die Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS), vor der Tausende aus Angst um ihr Leben ins Sindschar-Gebirge geflüchtet sind, wo sie schutzlos der Witterung, Hunger und Durst ausgeliefert sind. Es ist ein im Sommer trockenheißes Steinwüstengebirge. Versorgt werden die Flüchtlinge momentan durch Hilfsflüge der Türkei sowie den USA, aber alle Hilfsbedürftigen können nicht erreicht werden.Tausende, denen die Flucht nicht gelang, wurden umgebracht.
Die Jesiden sind innerhalb der kurdischen Bevölkerung eine äußerst friedfertige religiöse Minderheit, welche u. a. auch in der südöstlichen Türkei vertreten ist, jedoch durch Migration in heutiger Zeit auch in anderen Ländern. Der Begriff „Yezidi“ oder „Ezidai“ kommt aus dem Kurdischen und bedeutet „Der, der mich erschaffen hat“ also der Schöpfer und einziger Gott. Dieser wird im Yezidentum „Xweda“ (Khuda) genannt, was so viel wie „Der, der sich selbst erschaffen hat“ heißt. Niemand kann zu diesem Glauben konvertieren, man muß als Yeside geboren sein, Yesiden dürfen aus Religionsgründen nur untereinander heiraten. Es heißt, ein Yeside kann ein guter Mensch sein, aber um ein guter Mensch zu sein, muß man nicht Yeside sein. Das Yesidentum ist tolerant gegenüber anderen Religionen. Weder ist das Bedürfnis zur Bekehrung Andersgläubiger vorhanden, noch hat man Berührungsängste mit anderen Religionen. So heißt es in einem Yesidengebet: “Lieber Gott, schütze erst die 72 Völker und dann uns”.
PS: Wie heute aus den Medien zu erfahren war, verlief die Demo ohne Zwischenfälle. Die Angaben über die Teilnehmerzahl bewegt sich zwischen 1500 und 1700 Personen.
Auf folgender Homepage finden Sie umfassende Information u. a. zur Geschichte und Kultur der Yeziden: https://www.remid.de/info_yeziden/
Autor:Hans-Martin Scheibner aus Xanten |
5 Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.