Wo die Störche stehen

Neben der Straße zwischen Xanten und Wesel

Es ist eine Stelle gleich hinter dem hohen Deich, der entlang der Landstraße in eleganten Bögen dem Fluss folgt, als wäre er ein Hund, der die Aufgabe hat, aufzupassen...Rechterhand liegt eine Senke, von zwei Fußballfeldern Größe, in der meist Wasser steht, das aus einem natürlichen Grund nie ganz versiegt. Vielleicht gibt es eine Verbindung zwischen dem kleinen See und dem Fluss? Als Fahrer auf dieser Straße schaut man besser geradeaus wegen der Kurven, die sich mit längeren Geraden ablösen. Ideal zum Überholen und – verführerisch bis tödlich.

Kein Parkplatz, nicht einmal eine Haltebucht ist vorhanden, um die Szene länger zu betrachten als für den Moment des Vorbeifahrens. Oft wünschte ich mir anzuhalten, um ein Foto zu machen vom See, der gefluteten Wiese mit ihren abgestorbenen Weidenstümpfen, in deren Nähe der Reiher steht, und in dessen Nähe ein paar Störche. Vom gespiegelten Himmel in der grün schimmernden Wasserfläche, auf der plötzlich Wolken das Schwimmen lernen.

Hinten vor den wenigen Höfen stehen Pappeln und Weiden, an die manchmal das Wasser heran reicht. Selten friert es zu, was sich unter Zugvögeln schnell herum spricht. Und während ich mich dem Verkehrsstrom anpasse, bleibt die Welt neben mir stehen. Es rührt sich nichts und hat jene Geduld, die im Rückspiegel oft nicht erkennbar ist. Bewegungslos den Himmel zu ihren Füßen ausleuchtend stehen die Störche, einem Schatten folgend, den es lohnt aufzuspießen.

Diesen Moment sah ich nie. Sah niemals eine Landung mit ausgebreiteten Schwingen, die den Flug beendeten, sah auch keinen Start, der mit wenigen Flügelschlägen den Auftrieb fand, der sie irgendwohin trug. Der fließende Verkehr stört sie nicht. Sie haben sich daran gewöhnt wie an den Deich und die Pappeln. Der Bauer wird von seiner Weide nichts haben. Kein gemähtes Gras, keine Kühe, die dort weiden könnten. Andere, nicht dieser, werden längst Entwässerungsgräben gezogen haben, dieser nicht.

Die Stadt ist nicht weit mit ihren geputzten Scheiben und randgesäuberten Straßen, ihren Sonderüberangeboten. Hier, wo die Störche stehen, legt die Natur einen Teppich aus. Eine alte Kostbarkeit auf der jeder tanzt, der das Muster nutzt, um satt zu werden. Unter Wasser und oberhalb. Fressen und gefressen werden. Über allem der Himmel, der sich im Flachwasser beschaut, als hätte er es nötig bei seiner Grösse und nicht weiß, dass er im Frühlingsblau konkurrenzlos ist.

Autor:

Burkhard Jysch aus Xanten

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