Randbemerkungen

An meiner Laufstrecke steht eines der Riesenfelder, auf denen in diesem Jahr die Gerste wächst. Aus dem ersten zarten Grün im Frühjahr ist mittlerweile ein erwachsenes Feld geworden. Auf recht kurzem Halm nicken sich die gelb goldenen Ähren gegenseitige Zustimmung zu. Rascheln gegeneinander, wenn der Wind darüber geht und strömen ihren so eigenen Duft aus. Besonders intensiv nach einem Regen riecht es nach Vergangenheit.

Vor meinen Augen sehe ich sie noch stehen. Kleine Felder, um die Feldwege so etwas wie eine Richtung vorgaben. Vielen gehörte gerade einmal so viel, wie bewirtschaftet werden konnte. Über allem kreisten Bussarde, Falken standen über einer Stelle, die eine Maus versprach. Schwärme von Rauchschwalben umkurvten in halsbrecherischer Art unsichtbare Slalomstangen. Manchmal hoch, dann wieder soeben über den Ähren. Manchmal fuhr ein Sturm in die Reihen, legte ganze Gebiete flach, in denen kurze Zeit später Disteln wuchsen. An den breiten Feldrändern durfte der Mohn blühen, der sich den Platz teilte mit Kamillewolken.

In diesem Flickenteppich aus unterschiedlichen Feldern zu stehen, wird manchen Maler bewogen haben etwas festzuhalten. Auf Papier mit Farbe. Werden sie geahnt haben, dass alles Bunte, jede Vielfalt einmal einer Einheitsfarbe weichen würde, aus der das Leben entweichen würde, wie zu früh abgereister Besuch? Ich gebe zu, dass ich in Kenntnis dieser Zeiten zu einem Vergleich neige, der den erhobenen Zeigefinger beinhaltet. Doch ebenso wenig, wie sich ein Sturm geplagtes Feld nicht wieder aufrichten lässt, lässt sich keine Zeit zurück drehen, lässt keine Schwalbe wiederkehren.

Hinter den Rheindeichen werden bald Mähdrescher ans Werk gehen. Schnell und gründlich und ungeheuer effizient wird Staub aufgewirbelt, der sich bald wieder legt. Störche werden die Stoppel nach Fressbarem absuchen, bevor sie später weiterziehen.

An meiner Laufstrecke steht eines der Riesenfelder. Schmunzelnd bemerke ich den schmalen Rand zur Straße hin. Gerade einmal so schmal, dass dort Kornblumen stehen, und Mohn neben Kamille. Ein kleiner Gruß aus ferner Zeit vielleicht. Gerade einmal ausreichend sich zu erinnern.

Autor:

Burkhard Jysch aus Xanten

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