Frühlingsgefühle
Der bisher nahezu eingefrorene Mitteleuropäer, also ich, beobachtet nach den schauerlichen Frosttagen und finsteren Nächten zur Zeit ein wahres Schauspiel, das sich gleich gegenüber auf dem First eines Daches abspielt. Außer den allgegenwärtigen Rabenkrähen, die sich in hohen Bäumen jahrelang fortpflanzen, außer diesen Schreihälsen gibt es Tauben. Nicht zu knapp, wie ich feststellen muss.
Ein Paar fällt mir die Tage ins Auge, das den Begriff Turteltaube allzu deutlich versinnbildlicht.
Da ist sie, die graue umworbene Dame und er, der Werber, Zirzer, Schwärmer, allzeit potenter Galan. Soweit die Darsteller. Das Parkett besteht aus einer ordentlich verlegten Reihe von Dachpfannen, die den Regen abweisen sollen, nicht aber Tauben abweisen können. Das Schauspiel beginnt gleich nach Sonnenaufgang mit einem ohrenbetäubenden, (man achte auf das Wortspiel), Gurren, das vor keiner Pfanne haltmacht und durch jede Mauer dringt.
Ich erhebe mich aus den Laken und gehe ans Fenster. Der Herr Balzer ist von seiner Angebalzten 5-6 Dachpfannen entfernt, verbeugt sich feierlich, und zeigt der Angebeteten seinen Rücken. Sie schaut zum Nachbarhaus. Gelangweilt, ja provokant, und irgendwie würde auch mich solch Verhalten rasend machen. Da verliert man fast das Gleichgewicht, um seine Gunst zu beweisen, und was macht sie? Schaut zum Nachbardach, wo nichts ist außer Dachpfannen....ein Schritt weiter mit noch mehr Flügel und tiefer Verneigung, sie dreht den Kopf zweimal um die eigene Achse, (meiner wäre schon abgefallen), und bemüht sich nicht hinzusehen in seine Richtung....
Er hüpft, gurrt, balzt, und tatsächlich, er schafft es bis auf eine Fuge an Sie heran zu kommen. „Geh weg! Nicht jetzt, nicht heute, und schon gar nicht morgen, also Nie, Nie, Nie, hörst Du?“ Sie fliegt weg und hinterlässt ihn, sagen wir ruhig maßlos enttäuscht dazu. Das wird nix, denke ich mir, mittlerweile mit einer Tasse Kaffee in der Hand, heute nicht, morgen nicht, und so weiter...Am Nachmittag desselben Tages überrascht sie mich. Während er sich die Federn putzt, und Kreuzschmerzen haben muss, von der Stimme ganz abzusehen, hüpft sie auf Ihn zu, bietet ihren Rücken an, legt sich flach auf die Pfanne und zieht ihren Kopf ein....
Das Ergebnis: Er putzt sich weiter. Beachtet ihre Bemühungen nicht, was mich zur Überzeugung bringt, dass Tauben nicht vergessen können. Jedenfalls männliche...
Burkhard Jysch 04/2018
Autor:Burkhard Jysch aus Xanten |
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