Migration als Chance
Wo bin ich zu Hause?
Ein Neuanfang ist nicht leicht. Ich kann mich noch gut daran erinnern wie einsam ich mich fühlte wo ich vor fast 30 Jahren versuchte mir hier ein neues Leben aufzubauen. Es war nicht genau hier in Xanten, aber gar nicht so weit weg von hier und auf jeden Fall ziemlich weit weg von der Schweiz wo ich aufgewachsen bin. In einem ehemaligen Kloster auf dem Land hatte ich ein Zimmer zur Miete. Es war Winter, ich hatte nichts zu tun und kannte keine Menschenseele. Mir war langweilig, aber das schlimmste war die Einsamkeit die mich innerhalb weniger Wochen in einen tiefen Abgrund der Trostlosigkeit zog. Ich weiß noch, dass der einzige Vorfall der mich für einen Moment aus der Lethargie riss, ein kleines Erdbeben im niederländischen Limburg war.
Nach drei Monaten war ich kurz davor aufzugeben und zurück zu gehen in die Schweiz. Mit diesem Erlebnis kann ich ein gewisses Verständnis aufbringen für die Migranten aus armen und fernen Ländern, die im Gegensatz zu mir die Sprache nicht kennen und auch nicht die Möglichkeit haben zurück zu kehren falls es ihnen hier nicht gefallen sollte.
Ein Neuanfang ist wahrlich nicht leicht und erfordert viel Kraft und Durchhaltewillen. Aber es scheint zu uns zu gehören, unvermeidlich ja sogar unverzichtbar zu sein.
Die Wiege des Menschen liegt in Afrika, doch die Neandertaler lebten schon in Europa. Wie konnte das gehen? Was hat sie getrieben hierher zu kommen in ein damals noch durchschnittlich 10 Grad kälteres Europa? War es die reiche Beute die sie hier machen konnten mit Mammuts, Antilopen und Säbelzahntiger? Oder war es das Recht des Stärkeren der die Schwachen aus dem Paradies vertrieben hat? Und dann kam der Homo Sapiens, der den Neandertaler verdrängt hat, dann die Kelten, die Römer, die Franken, die Mongolen, die Araber und dann vor gut 60 Jahren schließlich die Ostdeutschen die vom Krieg Vertriebenen. Später arbeitswillige Türken und Polen und jetzt politische, wie wirtschaftliche Flüchtlinge aus Afghanistan, Syrien und afrikanischen Ländern.
Und das war und ist alles nicht einfach..... für keinen. Auch für die Xantener nicht die schon Jahrzehnte in dieser Gegend wohnen. Es ist zumindest ungewohnt im Bus zu sitzen, in der Stadt in der Fußgängerzone rumzulaufen und ringsum polnisch, arabisch oder afrikanisch zu hören und dann all die jungen Männer die in Gruppen rumhängen, cool und bedrohlich. Diese Leute aus einer anderen Kultur deren einzige Gemeinsamkeit mit uns ist, dass sie auch Coca Cola und Mc Donalds lieben. Und darüber hinaus vielleicht auch genauso wie jeder Xantener sich selbst und ihren Familien ein gutes oder wenigstens ein besseres Leben ermöglichen wollen, dass sie ihre Kinder lieben, dass sie arbeiten wollen (weil nichts tun langweilig ist und unglücklich macht), dass sie auch ein Smart-Phone wollen.
Wir brauchen sie, die Migranten. Seit jeher haben sie dafür gesorgt, dass die Menschheit biologisch divers und stark geblieben ist und unser Überleben gesichert. Aus allen Ecken der Erde kommend könnten sie heute dafür sorgen, dass wir unser Gesichtsfeld ein bisschen erweitern und über den eigenen Tellerrand schauen. Denn spätestens seit COVID 19 sollte deutlich geworden sein, dass es nicht möglich ist die Welt auf Xanten, den Niederrhein, NRW, Deutschland oder gar Europa einzugrenzen.
Jan De Baer
Autor:Jan De Baere aus Xanten |
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