Ein knallroter Himmelsgruß

Wie jeden morgen laufe ich meine Hunderunde im angrenzenden Wald der Maasduinen. Meistens tanke ich ein wenig auf, für die folgenden Stunden und der Hektik des Alltags.
Es passiert auch selten etwas besonderes und ich treffe so früh auch meistens niemanden.
Gerade das aber macht mir diesen Moment des Tages so besonders und wichtig.
Der einzige Moment des Tages, den ich ganz für mich allein habe.

Heute aber sehe ich etwas besonderes in einem der kahlen Bäume flattern. Knallrot, in Fetzen zwar, aber mit einer langen weißen Schnur, an der noch etwas hängt.
Ich muß mich recken , um den Ast zu biegen und um die Schnur aus den Ästen zu entwirren.
Ein zerfetzter roter Luftballon an dessen anderem Schnurende ein genauso knallrotes Papierherz hängt.

Erst denke ich, es ist einer von diesen: Welcher fliegt am weitesten Wettbewerbsluftballons.
Sie wissen schon, die an irgendeiner Veranstaltung, meist von Kindern, in die Luft geschickt werden, damit irgendein Finder, die daran hängende Karte an den Absender oder Veranstalter zurückschickt, mit der Mitteilung des Fundortes. Derjenige, dessen Luftballon am weitesten geflogen ist bekommt dann angeblich einen Preis.
Ich weiss nicht wieviele dieser Karten ich beschriftet habe und wieviele Luftballons ich schon mit diversen erwartungsvollen Kinderaugen in die Welt geschickt habe, aber gewonnen haben wir nie etwas. Nicht einmal eine Antwort haben wir jemals erhalten.
Wahrscheinlich ist das der Grund, warum es für mich eine ganz klare Sache ist, als Finder einer solchen Karte kein Spaßverderber sein zu wollen.

Aber die Karte hier ist ein rotes Papierherz auf welchem in krackeliger Kinderhandschrift steht:

Lieber Paskal,
ich wünsche mir das es dir gutgeht!
Ich wünsche mir das du viele Neue Freunde findest!,
Ich wünsch mir das es dir guht geht!

Und auf der Rückseite:

Dein Alex

Ich schlucke. Keine Ahnung warum. Aber ich suche direkt nach der Geschichte, welche hier hinter steckt. Wer ist Pascal? Wer Alex? Was ist mit Pascal passiert?

Erinnerungen steigen auf. Wie ich mit meinem Freund Basti in seinem Krankenzimmer stehe, am Fenster. Und wie wir einen knallgelben Luftballon in den Himmel schicken, mit meinen Wünschen für ihn und meinen Ängsten um ihn. Und mit seinen Hoffnungen und seinen Träumen. Und unserer Traurigkeit.

Ich schlucke wie damals. Ob Pascal verstorben ist?

Auf dem knallrotem Herz hat Alex noch eine Zeichnung gemalt. Ein Haus, darüber zwei Wolken und einen Schmetterling. Die Größenverhältnisse lassen mich schmunzeln.

Ich denke an den Abschied meiner Jüngsten, als sie den Kindergarten verließ. Auch hier stieg ein Luftballon gen Himmel. Ein blauer Luftballon. Mit 24 Kinderwünschen. Und 24 Kinderaugenpaare, die der Kindergärtnerinnen und meine, welche sich hinter dem Fotoapparat versteckten, starrten in den Himmel.
Meine Augen waren nicht die einzigen, die nicht trocken blieben.

Ob Pascal vielleicht auch nur umgezogen ist?

Als ich zu Hause bin, lege ich das rote Herz in meine hölzerne Schatztruhe.
Die Truhe für ganz besondere Schätze.

Und ich schicke einen kleinen Gruß gen Himmel.

Autor:

Olga Vierweg aus Düsseldorf

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