20 Jahre Mondpalast in Wanne-Eickel
Volkstheater mit großem Potenzial
Wer wagt gewinnt. Eine Redensart, die auf Prinzipal Christian Stratmann hundertprozentig zutrifft. Allen Unkenrufen zum Trotz hatte es der 72-jährige 2004 gewagt, den städtischen Saalbau von Wanne-Eickel in einen Mondpalast zu verwandeln und damit voll ins Schwarze getroffen. Am heutigen Samstag feiert "Deutschlands großes Volkstheater", das seit acht Monaten von Marvin Boettcher geführt wird, seinen 20. Geburtstag.
Es war der 27. Januar 2004. Ulrich Wickert moderierte damals die "Tagesthemen" in der ARD und schaltete live in den Mondpalast von Wanne-Eickel. Dort eröffnete Christian Stratmann mit „Ronaldo & Julia“, einer Fußballkomödie frei nach Shakespeare, das erste Volktheater im Ruhrgebiet. An jenem Dienstagabend begann eine Erfolgsgeschichte, mit der definitiv nur wenige gerechnet hatten. Seitdem gab es 25 Premieren mit mehr als 3.000 Vorstellungen und mehr als 1,2 Millionen Gästen.
"Mir war damals wichtig, das zu machen. Ich habe gar nicht darüber nachgedacht, wie lange es gehen könnte", erinnert sich Christian Stratmann. Mit dem ersten Stück konnten der Theatermacher und sein Team allerdings kaum etwas falsch machen. Denn der Fußball ist nunmal im Ruhrgebiet zuhause. "Wir hatten eine Testvorstellung mit 500 Leuten aus Heimatvereinen. Es hat funktioniert. Danach haben wir 'Ronaldo & Julia' neun Monate lang am Stück gespielt", sagt der 72-Jährige. Bei der 500. Vorstellung im Oktober 2007 schlüpfte der einstige Schalke-Manager Rudi Assauer in eine Gastrolle, ein Jahr lachte der damalige Bundespräsident Horst Köhler im Mondpalast herzhaft über das
„Meine Entscheidung, Wanne-Eickel als Standort zu wählen und das Haus ohne Subventionen als Privattheater zu führen, war genau die richtige“, erklärt Christian Stratmann. Der leidenschaftliche Gastgeber entwickelte das Konzept, gewann Unterstützer, führte das Haus als Privattheater durch größte Erfolge und gab seiner Theaterfamilie auch in dunkler Zeit Zuversicht, als im Corona-Lockdown alle Lichter ausgehen mussten.
Von Anfang an setzte Stratmann auf moderne Möglichkeiten des Gästemanagements: Er arbeitete mit Marketingexperten der Fachhochschule Gelsenkirchen zusammen, führte Gästebefragungen durch und ließ die Ergebnisse in einer Datenbank auswerten, um sie für weitere Planungen zu nutzen: „Wir waren unserer Zeit immer weit voraus und hatten immer Respekt vor dem Publikum“, sagt Stratmann.
Ruhrpott-Allüren
Es zeigte sich, dass die Komödien von Hausautor Sigi Domke unter der Regie von Gründungsintendant Thomas Rech Menschen in den Mondpalast führten, die sonst kein klassisches Theater besuchen. Sie erfreuten sich an den Ruhrpott-Allüren von zehn festangestellte Schauspielerinnen und Schauspieler, von denen viele seit den Anfangstagen im Mondpalast auf der Bühne stehen. Mit Silke Volkner, Susi Fernkorn, Axel Schönnenberg, Heiko Büscher und Martin Zaik profilierten sich nicht nur Publikumslieblinge, sondern auch die ersten Volksschauspieler des Ruhrgebiets.
Manche Stücke aus dem Mondpalast haben längst Kultcharakter. So ist beispielsweise "Frohet Fest" bei vielen Besuchern fester Bestandteil des Weihnachtsfestes. Und bei "Dinner for Wanne" schlüpfte Christian Stratmann vor wenigen Wochen noch einmal ins Abendkleid und spielte die „Omma Soffie“.
Seit dem vergangenen Jahr tritt Christian Stratmann etwas kürzer. In dem Theatermanager Marvin Boettcher Herne, der bereits während seines Studiums erste Kontakte zu Stratmanns Palastkosmos knüpfte, fand der Essener im Mai 2023 einen Nachfolger. "Ich wollte, dass der Mondpalast so bleibt, wie er ist. Deshalb habe ich Marvin Boettcher als meinen Nachfolger ausgesucht", erklärt Stratmann. Der 37-Jährige führt sowohl den Mondpalast als auch den RevuePalast Ruhr in Herten als alleiniger geschäftsführender Gesellschafter und Theaterdirektor, sein Mentor bleibt den Häusern als Prinzipal in beratender Funktion und als „Gästeversteher“ am Einlass erhalten.
Acht Vorstellungen an einem Wochenende
Im dritten Jahrzehnt will Marvin Boettcher den Mondpalast im Ruhrgebiet noch präsenter machen. Er setzt auf einen gezielten Marketing-Mix aus digitalen Instrumenten wie Newsletter oder Social Media mit persönlicher Ansprache bei lokalen Events wie "Lecker in Eickel", Adventsmarkt und Cranger Kirmes, ergänzt durch Messeauftritte in Essen und Dortmund.
Am zweiten Januar-Wochenende wurde bereits deutlich, wie groß die Beliebtheit des Volkstheaters ist. Insgesamt acht Vorstellungen gab es im Mondpalast und im RevuePalast Ruhr auf Zeche Ewald in Herten. Am Samstag und Sonntag gab's den Mondpalast sogar doppelt: Der Hochzeitsspaß „Ganz in Weiß!?“ wurde im Theater in Wanne aufgeführt, das Revierderby „Ronaldo & Julia“ lief zur gleichen Zeit in Halle 12 auf Zeche Zollverein in Essen. „Zollverein fühlte sich an wie eine Premiere. Dieses Auswärtsspiel hat gezeigt, welches Potenzial wir haben und was wir alles können", freut sich Marvin Boettcher. Mehr als 3.000 Gäste wurden an einem Wochenende bestens unterhalten.
25 Premieren
Januar 2004: Ronaldo & Julia
Oktober 2004: Auf der wilden Rita
Juni 2005: Wat ne herrliche Welt
Silvester 2005: Dinner for Wan(ne)
Mai 2006: Selbs inschuld
Oktober 2006: Peterchens Mondfahrt
September 2008: Flurwoche
November 2009: Piesewotzki, Libuda und ich
Oktober 2010: Indianer vom Revier
November 2011: Anne Tanke
März 2013: Wilhelmstraße
November 2013: Frohet Fest
März 2014: Othello - der Schwatte von Datteln
Oktober 2015: Ein kleiner Engel 2. Klasse
April 2016: Die Wanne-Kopps
April 2017: Herr Pastor und Frau Teufel
Oktober 2017: Der zerdepperte Pott
Oktober 2018: Das Phantom vom Oppa
April 2019: Die (fast) glorreichen Sieben
Januar 2020: Das Schweigen der Frösche
Juni 2020: Für uns soll's wieder Rosen regnen
August 2021: Da sind wir wieder!
November 2022: Waschtag
April 2023: Ganz in Weiß!?
November 2023: Glück aus Mondpalast-Premieren
Autor:Michael Köster aus Essen |
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