Achilles und die alte Kaffeekanne
Hans Gelre, geboren in Geldern, nun Hauer auf der Zeche Hannibal hatte die Kaffeekanne (Kaffeeteute) vor 10 Jahren von seiner Frau zum Geburtstag bekommen. Es ging damals genau ein Liter hinein. Wenn Hans mit den Kameraden beim Frühstück saß, wurde die glatte, blanke Kanne aus Aluminium von allen bewundert.
Inzwischen war sie unansehnlich und verbeult. Außerdem fing sie an, undicht zu werden, so dass die Ledertasche, worin sie neben den Butterbroten transportiert wurde, immer feucht war und nach altem Kaffee roch. Deshalb wurde der Bergmann ihrer überdrüssig und warf sie eines Tages auf dem Heimweg in ein Gebüsch. Er wollte gerade weiter gehen, als ihn eine seltsame Stimme ansprach: „Finden Sie das gerecht, was Sie gerade getan haben?“ Hans schaute überrascht in das Gebüsch und sah einen grün-roten Feuersalamander, der ihn aus vorwurfsvollen Augen anstarrte. Nach einer Weile des Nachdenkens antwortete er: „Die Kanne hat mir tatsächlich treu gedient. Aber 10 Jahre sind eine lange Zeit.“
Der Feuersalamander hielt plötzlich in der rechten Tatze einen grünen Zweig, den er von dem Busch abgebrochen hatte. Er belehrte den Bergmann, dass ein solcher Zweig im Altertum ein Zeichen für gerechtes Handeln gewesen sei. Damals habe man die Grundlagen des Zusammenlebens formuliert und auch einen Ausgleich zwischen jung und alt, stark und schwach gefunden. Hans Gelre wurde ungeduldig. Was wollte eigentlich das merkwürdige Wesen von ihm?
Er steckte widerwillig die alte Kanne in seine Ledertasche und ging nach Hause.
Als er sie auspackte, um sie in die Rumpelkammer zu stellen, wo schon andere ausgediente Gegenstände lagerten, hatte sie keine Beulen mehr und war neu wie am ersten Tag. Am nächsten Morgen kam er wieder an dem Gebüsch vorbei, wo er den Feuersalamander getroffen hatte. Der Zweig lag noch da.
Teute stammt von mittelhochdeutsch „tuere“, das lieb/wert/kostbar bedeutet. Das Wort ist wahrscheinlich von gotisch „tiuris“ entlehnt, was Kostbarkeit/Wertschätzung heißt. Die Belehrung von Achilles hat also den Sinn, dass Dinge, die wertvoll sind, ihren Wert nicht verlieren, obwohl sie alt und scheinbar nutzlos geworden sind. Dieses gilt auch für die Menschen.
Aus: Die Route des Achilles
Autor:Gerd Kaemper aus Gelsenkirchen |
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