Waltroper Familie nimmt jungen Flüchtling bei sich Zuhause auf

Nicht nur beim Apfelmus kochen sind Birgit Schäfer, Diamond Samse und Heinz Coenen ein eingespieltes Team. Familie Schäfer-Coenen aus Waltrop hat dem 25-jährigen Flüchtling aus Nigeria vorübergehend ein neues Zuhause gegeben.
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Die ehrenamtliche Hilfe für Flüchtlinge in Waltrop läuft auf Hochtouren. Wachsende Sorge bereiten der Stadt jedoch schon jetzt fehlende Unterbringungsmöglichkeiten, daher werden private Wohnungen dringend gesucht. Eine Waltroper Familie nahm vor sechs Wochen kurz entschlossen einen jungen Nigerianer in ihrem Haus auf.

„Unser Sohn David, der nicht mehr bei uns wohnt, brachte uns auf die Idee, sein Zimmer einem Flüchtling zu überlassen“, erzählt Birgit Schäfer. Zuvor hatte er gemeinsam mit Maria Gaida-Greger, einer guten Bekannten der Familie und Koordinatorin der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe, mehrere Flüchtlingsunterkünfte besucht, um für sein journalistisches Studium über die Flüchtlingssituation in Waltrop zu berichten. Auch die restliche Familie konnte sich mit dem Gedanken anfreunden.

„Daraufhin vermittelte unsere Bekannte den Kontakt zu Diamond Samse.“
Der junge Nigerianer lebte völlig traumatisiert seit einiger Zeit mit vier arabisch sprechenden Syrern, mit denen er sich nicht verständigen konnte, in einer nahe gelegenen Flüchtlingsunterkunft in Waltrop. Um ihn kennenzulernen, lud Familie Schäfer zum gemeinsamen Essen in ihr Haus ein. Mutter Birgit Schäfer, Vater Heinz Coenen, die Söhne Jonas (19) und David (21) erkannten schnell, dass hier ein Mensch war, der dringend Ruhe und Sicherheit brauchte, um sein Trauma verarbeiten zu können und entschlossen sich spontan, den 25-Jährigen aufzunehmen.

Der junge Asylbewerber nahm das Angebot dankbar an. Drei Wochen später wurde im gegenseitigen Einverständnis ein Mietvertrag mit der Stadt Waltrop geschlossen. Diamond hat ein eigenes Zimmer im Haus und gehört schon fast zur Familie. Birgit Schäfer und Heinz Coenen nennt er Mum und Dad, aus Respektbezeugung, wie er selbst sagt. Erstmals nach langer Zeit fühlt er sich wieder sicher und geborgen.
Inzwischen ist der Alltag in der Familie eingekehrt. Regelmäßig, an vier Tagen in der Woche besucht Diamond Samse die Alphabetisierungs- und Deutschkurse in Waltrop. So oft es geht, übt Birgit Schäfer Deutsch mit ihm. Es wird gemeinsam gekocht und gegessen.

Erst im Laufe der Zeit erfuhr die Gastfamilie die Einzelheiten seiner traumatischen Flucht aus Süd-Nigeria. Nach einem terroristischen Überfall auf ihn, fußend auf den ethnischen Konflikten im Land, musste der junge Schneider fliehen. Seine lebensgefährliche monatelange Flucht führte ihn über Nigeria, Niger und Libyen bis nach Rom. Nach drei Tagen ohne Essen und Trinken wurde er zwar von der dortigen Polizei registriert, dann aber unversorgt weggeschickt. Völlig verzweifelt, am Ende seiner Kräfte, brach er weinend zusammen. Ein Mann in Uniform setzte ihn in einen Zug nach Deutschland. Insgesamt fünf Monate dauerte die Odyssee, bis er Waltrop erreichte.

Der sehnlichste Wunsch des jungen Nigerianers ist es, bald die deutsche Sprache zu beherrschen, möglichst hier in Waltrop für immer eine Heimat zu finden und bald wieder einen Beruf ausüben zu können. „Doch vor einigen Tagen erhielt Diamond die Nachricht, dass er wahrscheinlich nach Italien, wo er erstmals registriert wurde, zurückgeführt werden soll“, berichtet Gesamtschullehrerin Birgit Schäfer erschüttert. „Seitdem fühlt sich Diamond völlig verunsichert, ist in sich gekehrt, kann nicht mehr schlafen. Für ihn bedeutet Italien ein fremdes Land, in dem er Schlimmes erlebt hat. So kann man doch mit traumatisierten Menschen nicht umgehen“, ist sich Familie Schäfer-Coenen einig.

Für Heinz Coenen hat die Aufnahme des jungen Flüchtlings auch einen politischen Aspekt. Er gibt zu bedenken: „Vieles, was in den Kriegsgebieten dieser Welt geschieht, was die Menschen zur Flucht veranlasst, haben westliche Staaten verursacht. Ich sehe es auch als moralische Verpflichtung an, durch unser Zutun diesen Menschen zu helfen.“

Birgit Schäfer und Heinz Coenen möchten anderen Waltropern Mut machen, ebenfalls Asylanten bei sich Zuhause aufzunehmen. Sie sind sich sicher: „Wir haben die richtige Entscheidung getroffen.“

Autor:

Petra Pospiech aus Recklinghausen

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