Vor 40 Jahren von Korea nach Waltrop

Yi Deuk Bisiör (Schwester Ingrid), Sang-Yea Baek (Schwester Claudia) und Sung-Nam Yook (Schwester Gaby) leben und arbeiten seit 40 Jahren in Waltrop.
  • Yi Deuk Bisiör (Schwester Ingrid), Sang-Yea Baek (Schwester Claudia) und Sung-Nam Yook (Schwester Gaby) leben und arbeiten seit 40 Jahren in Waltrop.
  • hochgeladen von Petra Pospiech

Sollen ausgebildete Fachkräfte aus dem Ausland nach Deutschland geholt werden? Diese Frage klingt zwar aktuell, ist aber keineswegs neu. Vor 40 Jahren warb die Stadt Waltrop in Korea um gut ausgebildete Krankenschwestern, um den Pflegenotstand in den 70er Jahren am St. Laurentius Krankenhaus zu beheben.
Yi Deuk Bisiör, Sang-Yea Baek und Sung-Nam Yook, besser bekannt als Schwester Ingrid, Schwester Claudia und Schwester Gaby, waren drei von 20 examinierten Krankenschwestern, die sich vor 40 Jahren auf den langen Weg von Korea nach Waltrop machten, um hier zu arbeiten. Jetzt begrüßte Bürgermeisterin Anne Heck-Guthe die drei Krankenschwestern, die blieben und Waltrop seit 40 Jahren zu ihrer zweiten Heimat erkoren, im Rathaus.
Yi Deuk Bisiör (Schwester Ingrid) erinnert sich noch gut an ihre Ankunft in Waltrop: „Ich war sehr enttäuscht. In Korea erzählte man uns, alles sei besser in Deutschland - das Gehalt, die Arbeitsbedingungen, man hätte sogar überall Blumen auf den Toiletten.“ „Die Wirklichkeit sah anders aus“, bestätigen auch Sang-Yea Baek (Schwester Claudia) und Sung-Nam Yook (Schwester Gaby). „Das Krankenhaus war damals noch nicht renoviert, es war alt, alles war ganz dunkel und unmodern. Aus Korea waren wir moderne Kliniken gewöhnt.“
Schwierig gestaltete sich auch die Verständigung, obwohl alle schon etwas Deutsch gelernt hatten. „Ich kann mich noch erinnern, dass mich eine Patientin bat, mir den Topf ans Bett zu bringen. Einen Topf - zum Kochen? Eine Kollegin klärte mich auf“, lacht Schwester Gaby. „Am nächsten Tag bat man mich um eine Pfanne. Da wusste ich wieder nicht bescheid.“
Auch machten sich die meisten Patienten nicht die Mühe, sich die koreanischen Namen zu merken. „Für sie sahen wir 20 asiatischen Schwestern alle gleich aus. Um uns zu unterscheiden, gab die Krankenhausleitung eine Liste aus, aus der wir uns einen deutschen Namen aussuchen konnten“, erinnert sich Schwester Gabi.
Richtig unheimlich wurde es den Schwestern an ihrem ersten Weihnachtsfest: „In Korea feiern die Kirchengemeinden große Feste auf den Straßen. Hier war die Stadt Heiligabend wie ausgestorben.“ Der nächste Schock kam Silvester. Nachts um 12 Uhr fuhren alle Schwestern aus den Betten, als es rings um das Schwesternhaus knallte und blitzte. „Wir dachten, es sei ein Krieg ausgebrochen, denn Feuerwerke kannten wir nicht“, amüsieren sich die Drei.
Eigentlich wollten die Frauen nur ihren Drei-Jahresvertrag erfüllen und dann wieder fort. So auch Schwester Gaby, die jetzt in Castrop-Rauxel lebt. Sie träumte davon, nach Amerika zu reisen und sich weiterzubilden. Doch dann lernte sie 1972 bei den Olympischen Spielen in München ihren koreanischen Ehemann kennen. Nach der Heirat kamen die Kinder, und so blieb sie in Waltrop und arbeitete weiter im Krankenhaus.
Auch Schwester Ingrid träumte von den USA: „Aber dann traf ich meinen Horst. Wir heirateten und Amerika war vergessen.“
Schwester Claudia hatte nur ein Ziel: „Ich bin begeisterte Klavierspielerin und wollte so lange in Deutschland arbeiten, bis ich mir einen ‚Steinway‘ kaufen konnte. Doch als ich mich nach dem Preis erkundigte, war ich schockiert. Ein solcher Flügel sollte 90.000 DM kosten, ich verdiente jedoch nur 400 DM im Monat.“ Sie lernte ihren Ehemann in der evangelischen koreanischen Gemeinde in Dortmund kennen und so nahm das Leben seinen Lauf. Inzwischen sind die beiden Kinder groß, sie arbeitet noch immer im Waltroper Krankenhaus und spielt Musik in der Dortmunder Gemeinde.
An eine Rückkehr nach Korea denken die Schwestern schon wegen ihrer Kinder und Ehemänner nicht. Außerdem hat sich Waltrop im Laufe der Jahre von einem „dunklen, unmodernen Ort“ in ein schönes Städtchen gewandelt. Einstimmig sagen die Drei: „Jetzt ist Deutschland unsere Heimat.“

Autor:

Petra Pospiech aus Recklinghausen

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