Systemische Beratungsstelle gegen häusliche Gewalt
Neue Wege gegen häusliche Gewalt geht die Diakonie in Oer-Erkenschwick mit der Systemischen Beratungsstelle „Gewaltfreies Miteinander“.
2002 begrüßten alle Frauenhäuser die Inkraftsetzung des Gewaltschutzgesetzes. Endlich war „Häusliche Gewalt“ keine Privatangelegenheit mehr, sondern eine Straftat. Seither muss der Gewaltausübende die Wohnung verlassen und die Frau hat die Wahl, ob sie in der Wohnung bleiben möchte oder in eine Schutzunterkunft gehen möchte. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Wegweisung des Partners nicht für jede Frau eine sichere Lösung bot. Geht die Frau ins Frauenhaus, bleibt der Partner in der Wohnung. Kehrt sie zurück, beginnt die Gewaltspirale von neuem.
„Viele Frauen, die zu uns kommen, wollen die Beziehung nicht beenden, reden davon, dass sie ihren Partner doch eigenlich lieben und die Familie erhalten wollen. Sie wünschen sich jedoch eine Beendigung der Gewalt“, weiß Andrea Becker, langjährige Leiterin der Diakonie-Frauenhäuser Datteln und Herten, aus Erfahrung. Wichtig wäre es daher, auf den gewalttätigen Partner einzuwirken. „Diese Hilfe konnten wir ihnen bisher nicht bieten, da wir eben parteilich nur für und mit den betroffenen Frauen arbeiteten. Eine Arbeit mit den Gewaltsausübenden war in unserem Verständnis von Frauenhausarbeit bislang nicht möglich“, erklärt Andrea Becker.
In den Niederlanden geht ein erstes Frauenhaus seit Jahren andere Wege. Mit Erfolg. Hier wird der Standort des Frauenhauses und der Aufenthaltsort der Frau nicht mehr verheimlicht. Ein besonders eingerichtetes Haus bietet den Frauen den notwendigen Schutz, aber auch die Möglichkeit, mit dem Täter professionell zu arbeiten und Frauen aus ihrer ausschließlichen Opferrolle herauszuholen. So viel Erfolg dieses Modell auch verspricht, eine 1:1-Umsetzung ist hier in den Frauenhäusern Datteln und Herten schon rein aus baulicher und finanzieller Sicht nicht möglich.
„Mittlerweile haben wir mit der Systemischen Beratungsstelle in Oer-Erkenschwick einen Kompromiss gefunden. Das Projekt erhält die Höchstförderung der Aktion Mensch und wird aus Eigenmitteln der Diakonie finanziert“, berichtet Andrea Becker, die die Beratungsstelle leitet.
An ihrer Seite steht Diplom-Sozialpädagoge Christian Linne. Er sagt: „In diese Beratungsstelle können Gewaltsausübende eingeladen werden - natürlich mit Einverständnis der betroffenen Frauen - und eine systemische Arbeit mit der ganzen Familie durchgeführt werden. Dieses Beratungsangebot wird als mehrstufiges Modell angeboten, das heißt, es werden erst Einzel- und später dann Paargespräche durchgeführt.“
Dieses Angebot ist ausschließlich für Kooperationspartner zugänglich. Das bedeutet, in erster Linie Frauenhäuser der Region und die Gruppe „Echte Männer reden“. Ziel ist es, auch die Frauenberatungsstellen im Kreis als Partner zu gewinnen. Eine enge Zusammenarbeit mit den Jugendämtern, der Polizei und den Familiengerichten ist geplant. Eine Veränderung der bisherigen über 30 Jahre andauernden Frauenarbeit bedeutet natürlich ein Paradigmenwechsel. Die neue Systemische Beratungsstelle bedeutet aber sicherlich eine neue Hoffnung auf dem Weg zu einem gewaltfreien Miteinander.
Weitere Informationen und Kontakt: Systemische Beratungsstelle „Gewaltfreies Miteinander“, Tel. 02368/8909400, E-Mail: sbgm@diakonie-kreis-re.de.
Autor:Petra Pospiech aus Recklinghausen |
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