Blinde Dattelnerin steht anderen Blinden mit Rat und Tat zur Seite
Blind zu sein, ist für die meisten Menschen ein unvorstellbares Schicksal. Gisela Schönlein lebt seit ihrer Jugend mit der Gewissheit ständig zunehmender Blindheit. Heute hat die sympathische Dattelnerin nur noch eine Sehkraft von zwei Prozent. Trotzdem hat die positiv denkende 68-Jährige nie ihren Mut verloren und hilft anderen Menschen, mit ihrer Blindheit umzugehen.
Trost schöpft Gisela Schönlein aus ihrem Glauben und auch aus der Erkenntnis, dass kein Mensch vollkommen ist. Sie weiß: „Jeder hat seinen Teil zu tragen. Statistiken besagen, dass jeder vierte Mensch ab 60 Jahren von einer Sehbehinderung oder Erblindung bedroht ist.“
Um diesen und anderen von Blindheit betroffenen Menschen beizustehen, haben Gisela Schönlein und Ehemann Horst eine einjährige Ausbildung beim Blinden- und Sehbehindertenverband Westfalen absolviert.
Die Dattelnerin besticht durch ihre Fröhlichkeit und positive Ausstrahlung. Sie bewegt sich geschickt in ihrem Haushalt und erläutert: „Ich bin noch nicht ganz blind. Ich habe ein sehr eingeschränktes Gesichtsfeld, kann aber noch Umrisse erkennen.“
Bereits während ihrer Pubertät wird bei ihr die genetisch bedingte Augenerkrankung Retinitis-Pigmentosa (RP) festgestellt. Die Krankheit verläuft in Schüben. Gisela Schönlein arbeitet als Erzieherin und schult später um zur Altenpflegerin. Ab ihrem 50. Lebensjahr verschlechtert sich ihre Krankheit wesentlich. Sie sieht nur noch schwarz-weiß und kann nur noch mit einer starken Lupe lesen. Den schubweisen Verlust ihrer Sehkraft beschreibt Gisela Schönlein als stetes Abschiednehmen: „Es bedeutet für mich immer wieder Trauerarbeit. Aber das darf ich auch. Auch wenn ich nicht mehr sehen kann, bleibe ich doch der gleiche Mensch. Meine Freude wissen: Das ist Gisela, mit der kann man was unternehmen, Spaß haben, aber auch ernste Dinge bereden.“
Trost und Stärkung findet die Katholikin in ihrem unerschütterlichen Glauben. „Der Glaube ist mein Wanderstab. Er muss mich stützen, wenn das Leben heftig mit mir umspringt, aber es gibt auch Strecken, wo ich ihn vor Freude schwingen kann“, sagt Gisela Schönlein lächelnd.
Ein besonderer Anlass zur Freude war für die blinde Dattelnerin in diesem Jahr ihre Heilig-Rock-Wallfahrt zu Trier. Gemeinsam mit Ehemann Horst nahm sie im Rahmen des Deutschen Katholischen Blindenwerks am Pilgertag für blinde und sehbehinderte Menschen teil. Der Heilig-Rock wird außerhalb der Wallfahrtszeiten in einem Schrein in einer Kapelle verborgen aufbewahrt. Für die meisten Pilgerinnen und Pilger besteht die Besonderheit der Wallfahrt darin, den Heilig-Rock zu sehen. Wie aber sieht eine Blinde?
„Man muss nicht alles mit den Augen sehen, um etwas zu fühlen und zu verinnerlichen“, versichert die 68-Jährige. „Wenn wir an Gott glauben, sehen wir ihn auch nicht und doch glauben wir an ihn. Warum muss ich dann den Heilig-Rock sehen? Ich konnte den Schrein fühlen und durfte meine Hände auf das Glas legen.“ Noch heute wirkt Gisela Schönlein tief bewegt durch dieses „innere Sehen“, wie sie es selbst nennt.
Das „äußere Sehen“ übernimmt Ehemann Horst für seine Frau. Seit 20 Jahren sind die beiden verheiratet und ein eingespieltes Team. „Mein Mann steht mir immer zur Seite. Er beschreibt mir alles so toll und weiß, zu welchen Fragen ich gerne Antworten hätte“, schwärmt die 68-Jährige. Einmal im Monat informieren beide als zertifizierte Berater in Datteln und Recklinghausen Menschen, die von Sehbehinderung und Blindheit bedroht sind.
Gisela Schönlein berät blinde Menschen jeden ersten Montag im Monat von 15 bis 18 Uhr in der Dattelner Buchhandlung „Bücherwurm“, Castroper Straße 33.
Horst Schönlein informiert jeden ersten Dienstag im Monat von 15 bis 18 Uhr im Prosper-Krankenhaus Recklinghausen, Mühlenstraße 27.
Autor:Petra Pospiech aus Recklinghausen |
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