Ohne Fallschirm abgestürzt
Es ist der Stoff für einen Actionfilm: Ein Pilot fällt nachts ohne Fallschirm in 4000 Meter Höhe aus seinem brennenden Bomber und landet verletzt, aber lebend auf dem Waldboden. Der australische Pilot Joe Hermann hatte keine Zeit mehr, den Fallschirm anzulegen, nachdem seine Maschine von der deutschen Flugabwehr getroffen wurde, er rast auf die Erde zu, denkt an den Tod, weil er gleich hart aufschlagen wird.
Doch während des Falls trifft er auf etwas, das nicht der Erdboden ist: Er umklammert ein menschliches Bein in Fliegermontur. Pilot Hermann ist gerade in dem Moment auf den Bordschützen John Vivash geprallt, als dieser gerade seinen Fallschirm öffnet. Blutend und verletzt in Sichtweite der brennenden Flugzeugtrümmer landen sie im Wald, verstecken sich im Dickicht.
Dieser „Fall“ ist in der Geschichte des Zweiten Weltkriegs wohl einmalig und trug sich am 4. November 1944 in Windrath zu, geriet aber bei der Bevölkerung und der Velberter Geschichtsschreibung in Vergessenheit.
Jetzt erinnert das Buch „Abgestürzt“ an das Schicksal der Besatzung dieser und vier weiterer britischer Halifax-Bomber, die im Zweiten Weltkrieg in Neviges, Langenberg, Mettmann und Beyenburg abgestürzt sind. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter des Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland Dr. Helmut Grau, Marcel Lesaar und Jürgen Lohbeck begaben sich mit Metalldetektor und Spaten auf Spurensuche. „Nach einem solchen Absturz kam sofort die Wehrmacht, die nach geheimen Waffen und Instrumenten in den Wracks suchte“, weiß Dr. Grau, „außerdem wurden die Metallteile sofort wieder dem Rohstoffkreislauf für die Kriegsindustrie zugeführt.“
Dennoch blieben kleine Teil zurück, von Instrumentenscheiben bis zu Landeklappenscharnieren. Anhand dieser kleinen Puzzleteile und durch Recherchen in Stadtarchiven, Militärarchiven, Kontakte zu Veteranenvereinen, Briefe, E-Mails und durch viele Gespräche mit Zeitzeugen konnten die Schicksale der Bomberbesatzungen rekonstruiert werden.
Dabei betrachten die Autoren nicht nur einseitig das Leben und Sterben der Bomberbesatzungen, sondern auch das Leid, das sie über Deutschland brachten. So war die in Windrath abgestürzte Halifax an der schwersten Bombardierung von Bochum beteiligt, bei der 1.700 Menschen starben.
Bei den Nachforschungen gab es viele glückliche Zufälle, die zu persönlichen Kontakten führten. So leiteten die Franziskaner in Neviges an die Geschichtsforscher eine Mail aus England weiter. Paul Knott forschte nach dem Schicksal der Besatzung jener Maschine, die am 4. November in Neviges abgeschossen wurde und in der sein Onkel Harry Knott als Bordingenieur Dienst tat und den Absturz dank seines Fallschirms überlebt hatte.
Gerne kamen die niederbergischen Archäologen der Anfrage von Paul Knott nach, bei der Grabung dabei zu sein. „Das war ein sehr emotionaler Moment, als am 15. Februar diesen Jahres die ersten Fundstücke zu Tage kamen“, erinnern sich die Forscher. Zur Präsentation des Buches reiste Paul Knott gerne nach Velbert, begleitet von seiner Cousine Teresa Church, der Tochter von Bordingenieur Paul Knott, der 1987 mit 72 Jahren starb.
Obwohl ihr Vater sich nach dem Absturz in Windrath bis an den Rhein durchschlagen konnte, wo er in Gefangenschaft kam und bis zum Kriegsende noch einige grausame Monate durchstehen musste, hegen sie keinen Groll gegen die Deutschen. „Das ist Geschichte, das ist vorbei. Man Vater kam sogar gerne nach Deutschland, um hier Urlaub zu machen.“
Das Buch „Abgestürzt“ ist im SCALA-Verlag erschienen und ab sofort im örtlichen Buchhandel erhältlich.
Autor:Lokalkompass Niederberg aus Velbert |
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