In nur 70 Minuten ein ganzes Leben verändern - Interview mit Dr. Christian Löhlein

Dr. Christian Löhlein, Chefarzt am Klinikum Niederberg - Institut für Anästhesie und operative Intensivmedizin. | Foto: Philip Kistner
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Dr. Christian Löhlein, Chefarzt des Institutes für Anästhesie und operative Intensivmedizin am Klinikum Niederberg, ist ein Wiederholungstäter. In seinem Fall handelt es sich um außergewöhnliche Taten; und zwar um außergewöhnlich gute Taten! Der 61-Jährige war nun zum inzwischen 23. Mal auf den Philippinen, um dort für die Organisation "Pro Interplast Seligenstadt" kostenlos Kinder und Erwachsene zu operieren. Dem Stadtanzeiger Niederberg erzählte er in einem exklusiven Interview von dem Auslandseinsatz.

Herr Dr. Löhlein, fassen Sie doch bitte einmal zusammen, worum es bei ihrem ehrenamtlichen Engagement auf den Philippinen geht.
Dr. Löhlein: „Unser Ziel ist es, den Menschen vor Ort mit den Operationen zu helfen, ihnen teilweise ganz andere Perspektiven zu ermöglichen. Denn wir behandeln kostenlos Kinder und Erwachsene, die zu arm sind, um sich eine Behandlung zu leisten. In der Regel handelt es sich dabei um plastische, chirurgische Eingriffe. Wir operieren beispielsweise viele Kinder, die unter entstellenden Gesichtsfehlbildungen leiden, also Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten. Aber auch Handfehlbildungen, schwere Verbrennungsnarben, Tumore sowie Defekte durch Unfälle oder Kriegsfolgen zählen dazu. In diesem Jahr waren es darüber hinaus auch sehr viele Schilddrüsen-Operationen.“

Wie viele Operationen haben Sie während der zwei Wochen durchgeführt und welche Bedeutung hat das für die Patienten?
Dr. Löhlein: „Es waren insgesamt 130 OPs, wir standen also wirklich immer von morgens bis spät abends im OP-Saal, teilweise blieben wir auch nachts dort. Es ist immer sehr anstrengend, doch es lohnt sich! Denn wir schaffen damit Zukunftsperspektiven. Es geht nämlich nicht nur um optische Korrekturen. Kinder, bei denen die Kiefer-Gaumenspalten nicht geschlossen werden, müssen ohne Behandlung unter schweren Folgen leiden."

Welche Folgen wären das?
Dr. Löhlein: "Sie können nicht richtig sprechen, nicht richtig essen und leiden unter vielen Atemwegserkrankungen. Durch unsere Behandlung schaffen wir die Möglichkeit, dass sie überhaupt Chancen auf einen Job haben. Ohne uns würden sie ein Leben lang von ihren Familien abhängig bleiben.“

"Nur 70 Minuten, um das komplette Leben eines Menschen entscheidend zu verbessern"

Wie wird ein Kind mit einer solchen Gaumenspalte in Deutschland behandelt?
Dr. Löhlein: "Hier werden in solchen Fällen mehrere kleinere Eingriffe vorgenommen. Der erste im Alter von rund sechs Monaten. In Deutschland ist so etwas sehr gut behandelbar. Auf den Philippinen sind es teilweise junge Erwachsene, die zu uns kommen, wegen der Spalte nicht richtig sprechen können und auch ganz klar einen Außenseiter-Status haben. In einer OP von rund 70 Minuten beheben wir das Problem. Das muss man sich einmal vor Augen führen: Nur 70 Minuten, um das komplette Leben eines Menschen entscheidend zu verbessern."

Wie fühlt man sich nach so einem Einsatz?
Dr. Löhlein: "Nach den zwei Wochen ist man natürlich kaputt, aber auch glücklich darüber, etwas so Gutes bewirkt zu haben. Anders kann man wohl auch nicht erklären, warum so viel erstklassiges Fachpersonal immer wieder solche Auslandseinsätze durchführt. Wer einmal miterlebt hat, wie viel man in dieser Zeit bewegen kann, wie vielen Menschen man ein besseres Leben ermöglichen kann, der möchte dieses Erfolgs- und Glücksgefühl immer wieder spüren."

Das erklärt, warum auch Sie zum inzwischen 23. Mal vor Ort waren? Denken Sie denn inzwischen auch schon ans Aufhören?
Dr. Löhlein: "Ich bin jetzt 61 Jahre alt. Natürlich möchte ich das am liebsten möglichst lange beibehalten. Solange ich am Klinikum Niederberg angestellt bin, ist das auch kein Problem. Das Haus unterstützt mich sehr! Ich darf das Material hierhin bestellen und hier lagern. Aber auch der Zuspruch von Geschäftsführung und dem Kollegium ist enorm, einige von ihnen sind ebenfalls im Ausland engagiert. Übrigens hat auch HELIOS, der neue Betreiber des Klinikums, die weitere Unterstützung zugesagt. Das freut mich sehr!"

Verstehe ich das also richtig, dass Sie das notwendige Material für die Eingriffe auf den Philippinen aus Deutschland mitbringen?
Dr. Löhlein: „Ja genau, wir operieren bevorzugt mit dem, was wir kennen. Außerdem ist die Qualität teilweise auch besser. Mehrere Hundert Kilogramm Material gehen mit uns auf die Reise, eine logistische Herausforderung. In diesem Jahr hat uns ein Hersteller sogar ein großes Monitoring-System im Wert von mehr als 24.000 Euro zur Verfügung gestellt. Um nicht so viel Geld für Übergepäck auszugeben, reisen wir daher auch nur mit Handgepäck und stellen alle unser Freigepäck für das Material zur Verfügung.“

Und wo genau arbeiten Sie dann vor Ort?
Dr. Löhlein: „Wir waren in diesem Jahr das erste Mal in Puerto Galera, dort wurde ein neues Krankenhaus gebaut. In den Jahren zuvor waren wir immer in einem anderen Ort. Außerdem wurde angefragt, ob wir uns nicht auch einen Einsatz in Vigan vorstellen können. Im September werde ich voraussichtlich dorthin fliegen, um mir die Bedingungen vor Ort anzusehen. Und wer weiß, vielleicht werden wir uns auch demnächst zusätzlich hier engagieren. Das ist aber natürlich nur möglich, wenn weiterhin viele Bürger die Organisation ,Pro Interplast Seligenstadt' mit Spenden unterstützen.

Weitere Infos:
-,Pro Interplast Seligenstadt' ist eine Organisation zur Förderung Plastischer Chirurgie in Entwicklungsländern.
-Vorsitzende ist Waltraud Huck.
-Infos erhalten Interessierte unter www.pro-interplast.de
-Spendenkonto: Volksbank Seligenstadt eG, BLZ 506 921 000, Kontonummer: 280 208.

Autor:

Maren Menke aus Velbert

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