Kriminal-Biologe Dr. Mark Benecke im Interview
"Ich kenne Ekel"

Der Kriminal-Biologe Dr. Mark Benecke ekelt sich vor Haaren im Abfluss, aber eine aufgedunsene Leiche macht ihm nichts aus. | Foto: Meike Poese
2Bilder
  • Der Kriminal-Biologe Dr. Mark Benecke ekelt sich vor Haaren im Abfluss, aber eine aufgedunsene Leiche macht ihm nichts aus.
  • Foto: Meike Poese
  • hochgeladen von Miriam Dabitsch

Dr. Mark Benecke ist Deutschlands bekanntester Kriminal-Biologe. Sein Arbeitsplatz sind Tatorte und das Labor. Mit uns spricht er über eine lebensverändernde Uni-Party, das Gefühl von Ekel und seine Faszination für das "Dunkle".

Du warst als Kind Messdiener. Wann begann dann deine Verwandlung?
Ich hab mich nicht verwandelt. Ich bin genau gleich geblieben.

Das heißt, man könnte dich heute immer noch als Messdiener in der Kirche antreffen?
Ich kenne die Abläufe noch. Es ist sicher kein Zufall, dass viele Bühnenkünstlerinnen und Bühnenkünstler früher mal Messdiener waren. Da waren viele von schon früh auf der Bühne - nämlich in der Kirche.

Du hast dich also nicht geändert? Warst schon immer so, wie du heute bist?
Ja, würde ich mal glauben.

Dr. Mark Benecke stammt aus Köln und arbeitet als Kriminal-Biologe und Forensiker.  | Foto: Foto: Sallyhateswing 
  • Dr. Mark Benecke stammt aus Köln und arbeitet als Kriminal-Biologe und Forensiker.
  • Foto: Foto: Sallyhateswing 
  • hochgeladen von Miriam Dabitsch

Siehst du dich denn als "anders" an oder als komplett normal?
Keine Ahnung. Ich weiß nicht, was normal sein soll. (lacht)

Weißt du noch, wann der Zeitpunkt war, als du wusstest, dass es beruflich für dich in Richtung Biologie geht? Du warst ja zunächst für Film- und Fernsehwissenschaften, Psychologie und Germanistik eingeschrieben.
Das war ganz früh. Ich kannte ja niemanden, der studiert hat. Und dann bin ich einfach da rumgelaufen an der Uni und hab geguckt, wo irgendwas stattfindet, bevor das Studium richtig losging. Die Biologen haben eine Party gemacht in der alten Hutablage, wo die Leute in den 50er Jahren ihre Hüte hingelegt haben. Dann war es das, da hab ich gesagt: Wer in der Hutablage eine gute Party macht, der ist cool. 

Und dann ging es in Richtung Rechtsmedizin. Durch eine Professorin, richtig?
Nein, nein, das entstand durch ein Praktikum, das ich im Institut für Rechtsmedizin gemacht habe, um etwas über genetische Fingerabdrücke zu lernen. Dort habe ich später auch meine Doktorarbeit geschrieben.

Kennst du eigentlich Ekel?
(Pause) Ja. Oder zumindest freu ich mich nicht, wenn Haare im Abfluss sind. Oder gerade eben habe ich eine Werbung für leckere Steaks an der Haltestelle gesehen, das finde ich alles sehr unerfreulich.

Also du findest eine Werbung für Steak ekeliger als einen Tatort?
Die Werbung nicht. Aber die Tatsache, dass Leute fröhliche, freundliche, liebevolle Tiere tot foltern und dann essen, das finde ich ziemlich unangenehm.

Seit wann bist du Veganer?
Schon lange. Zehn Jahre oder länger. Vorher war ich Vegetarier. Da kannte ich vegan nicht, die Leute haben noch Milch getrunken oder Eier gegessen. Aber Vegetarier bin ich schon wirklich lange, keine Ahnung... schon immer.

Warum?
Zum einen raffe ich es einfach nicht, warum man Lebewesen foltert und tötet. Und der zweite Grund ist in den Klimavideos zu sehen, die ich monatlich update. Ich verstehe nicht, was dieses ganze Rumgeeiere soll: "Ich müsste mal, man sollte..." Wenn es dich stört, dass die Welt untergeht, dann mach doch was! Das ist die einfachste und schnellste Technik, ab sofort keine Tierprodukte mehr zu verwenden, für den Rest deines Lebens. Das steht in wirklich allen wissenschaftlichen Berichten. Und wenn du das eben nicht willst, dann lass es bleiben.

Was treibt dich an in beruflicher Hinsicht?

Ich möchte gerne die messbare Wahrheit ermitteln und nicht immer nur das ganze Wortgeklingel, Verhandeln und Rumgeschwätz, sondern ich mess' lieber was und weiß dann, was da passiert ist oder wie das abgelaufen ist oder was da vorhanden ist; ob eine Aussage ausgeschlossen oder eingeschlossen werden kann.

Daraus schließe ich, dass es auch bei deiner Arbeit Interpretationsspielräume gibt?
Nee, auf der messbaren Ebene nicht. Ich bewege mich nur auf der messbaren Ebene, das Interpretieren mache ich nicht. Das überlasse ich den anderen, insbesondere denen, die Profis darin sind: die Polizei, Gericht, Journalistinnen und Journalisten, es ist ja deren Beruf zu bewerten. Ich halte mich da raus. Das fängt schon bei der Frage an, wer gut oder böse ist. Das ist aus unserer Sicht völlig sinnleer, weil natürlich auch die meisten Guten viel Scheiße bauen und wir sehr viele sehr, sehr böse Leute sehen, die sehr viel Gutes tun für ihre Verhältnisse. Deswegen fang ich gar nicht erst an, solche Begriffe, die so vieldeutig und schillernd sind, und in der Spurenwelt keine Bedeutung haben, zu verwenden.

Woher kommt deine Faszination für "Das Dunkle"?
Vielleicht, weil es dort mehr zu entdecken gibt. Aber ehrlich gesagt: dunkel und hell würde ich auch nicht unterscheiden. Wenn du im Dunkeln eine Taschenlampe dabei hast, kannst du auch was sehen. Oder du bist im Hellen und kneifst die Augen zu, bildlich gesprochen.
Aber das, was die meisten Leute nicht so gerne angucken, da gibt es besonders viel zu erforschen und zu entdecken.

Warum lässt du die Menschen an deiner Arbeit teilhaben, indem du öffentliche Vorträge hältst?
Wer fragt, kriegt 'ne Antwort, wenn ich sie weiß. Mir ist es als Kind halt auf den Wecker gegangen, dass ich alle möglichen Leute was gefragt habe, aber dann hat mir keiner was gesagt, weil alle gesagt haben "das ist doch jetzt egal". Das fand ich doof, so wollte ich nicht werden.

Wie viele Stunden hat eigentlich dein Tag? Neben deiner Arbeit, vieler Veröffentlichungen, Vorträgen, TV-Auftritten usw. engagierst du dich politisch in DIE PARTEI, bist "Donaldist", setzt dich für Autisten ein, und, und, und...
Teamwork. Während wir sprechen, spricht meine Frau gerade mit dem Techniker bezüglich des Vortrags heute Abend, in fünf Laboren sitzen Kolleginnen und Kollegen und werten komplizierte Spuren aus. Das ist alles Teamwork.

Da musst du aber loslassen können.
Mmmmh, das ist bei mir ein bisschen anders. Ich würde es nicht loslassen nennen, das ist bei mir extrem kontrollierte Verschachtelung. Mein System ist halt, dass ich jederzeit über jeden Schritt des Ablaufs informiert bin. Ansonsten lasse ich es eben nicht los. Dann drücke ich auf Pause und sage: Dann machen wir das jetzt nicht.

Zu deinem Äußeren. Polarisierst du gerne damit, Stichwort Tattoos?
Hat noch nie jemand was zu mir gesagt, außer meiner Mutter. Die hat am Anfang gesagt: Äh, muss das sein? Ansonsten habe ich keinerlei Erfahrungen damit. Ich finde es aber auch richtig, dass man andere Leute in Ruhe lässt, die einem nichts tun.

Dr. Mark Benecke live erleben

Der Kriminal-Biologe Dr. Mark Benecke widmet sich auf skurrile bis teilweise eklige Weise spannenden Fragen: Welche Madenart kriecht aus dem Mundwinkel der aufgedunsenen Männerleiche? Er tourt mit seinen Vorträgen durchs Land und ist im März 2024 in Duisburg, Essen und Bochum.

Der Kriminal-Biologe Dr. Mark Benecke ekelt sich vor Haaren im Abfluss, aber eine aufgedunsene Leiche macht ihm nichts aus. | Foto: Meike Poese
Dr. Mark Benecke stammt aus Köln und arbeitet als Kriminal-Biologe und Forensiker.  | Foto: Foto: Sallyhateswing 
Autor:

Miriam Dabitsch aus Velbert

Miriam Dabitsch auf Facebook
Miriam Dabitsch auf Instagram
Miriam Dabitsch auf X (vormals Twitter)
following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

260 folgen diesem Profil

3 Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.