Helfen in der Ferne und Perspektiven schaffen
Dr. Christian Löhlein, Chefarzt des Institutes für Anästhesie und operative Intensivmedizin am Klinikum Niederberg, stieg gestern Abend ins Flugzeug, um zu seinem 22. Auslandsaufenthalt auf den Philippinen aufzubrechen. Im Vorfeld stand er dem Stadtanzeiger Niederberg für ein exklusives Interview zur Verfügung.
Herr Dr. Löhlein, was genau machen Sie auf den Philippinen? „Gemeinsam mit 13 weiteren Ärzten und Pflegekräften fliege ich dorthin, um für die Organisation ,Pro Interplast Seligenstadt‘ ein Operationsteam zu leiten. Zwei Wochen werden wir dort kostenlos Kinder und Erwachsene operieren, die zu arm sind, um sich eine Behandlung zu leisten.“
Welche Operationen führen Sie dort genau durch? „Es geht um plastische, chirurgische Eingriffe. Wir operieren viele Kinder, die unter entstellenden Gesichtsfehlbildungen leiden, also Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten. Aber auch Handfehlbildungen, schwere Verbrennungsnarben, Tumore sowie Defekte durch Unfälle oder Kriegsfolgen werden von uns behandelt.“
Welche Bedeutung hat dieser engagierte Einsatz für die Patienten? „Unsere Operationen haben innerhalb der Philippinen einen sehr hohen Stellenwert - wir schaffen damit Zukunftsperspektiven. Denn es geht dabei keineswegs nur um optische Korrekturen. Kinder, bei denen die Kiefer-Gaumenspalten nicht geschlossen werden, müssen ohne Behandlung unter schweren Folgen leiden. Sie können nicht richtig sprechen, nicht richtig essen und leiden unter vielen Atemwegserkrankungen. Durch unsere Behandlung schaffen wir die Möglichkeit, dass sie überhaupt Chancen auf einen Job haben. Ohne uns würden sie ein Leben lang von ihren Familien abhängig bleiben.“
Bekommen Sie vor Ort Hilfe von einheimischen Ärzten? „Inzwischen haben wir ein relativ gutes Netzwerk aufgebaut, so dass die niedergelassenen Ärzte und Mitarbeiter in den Krankenhäusern im Vorfeld auf unser Angebot aufmerksam machen und uns entsprechend Listen von Patienten anfertigen. In diesem Jahr sind es wieder 80 Leute, die wir behandeln werden, wobei diese Zahl wahrscheinlich noch steigen wird. Und auch für die Nachsorge haben wir eine Fachkraft.“
Wo wird operiert und welche Bedingungen finden Sie vor? „Wir operieren in einem Krankenhaus in St. Carlos City, eine Stadt im Norden, rund fünf Fahrtstunden von der Hauptstadt Manila entfernt. Natürlich sind die hygienischen Bedingungen ganz anders als hier in Deutschland. Stromausfälle gehören zum Beispiel täglich dazu. Ich habe auch immer wieder ein ungutes Gefühl im Bauch, wenn ich unseren 12.000 Euro teuren Monitor an das Stromnetz dort anschließen muss.“
Das heißt, dass Sie Ihr Material selber mitbringen? „Ja genau, wir haben keine Zeit, um uns an deren Material zu gewöhnen und operieren lieber mit dem, was wir kennen. Außerdem ist die Qualität auch teilweise einfach besser. Rund 450 Kilogramm Material gehen mit uns auf die Reise, eine logistische Herausforderung. Um nicht so viel Geld für Übergepäck auszugeben, reisen wir daher nur mit Handgepäck und stellen alle unser Freigepäck für das Material zur Verfügung.“
Es ist inzwischen Ihr 22. Einsatz auf den Philippinen. Gibt es weitere Ärzte und Pflegekräfte, die ebenso engagiert sind? „Wir sind sogar fast alle Wiederholungstäter. Es ist wie eine Virus-Erkrankung, für die es kein Heilmittel gibt. Wer einmal miterlebt hat, wie viel man in dieser Zeit bewegen kann, wie vielen Menschen man eine bessere Zukunftsperspektive damit bietet, der möchte dieses Erfolgs- und Glücksgefühl immer wieder spüren. Für mich ist es inzwischen ein Hobby geworden - auch wenn es im Vorfeld mit sehr viel Arbeit verbunden ist.“
Welche Aufgaben übernehmen Sie denn zusätzlich noch? „Ich habe diesen Stützpunkt auf den Philippinen im Jahr 1994 für die Organisation gegründet und kümmere mich seither jedes Jahr um das Einholen aller Genehmigungen, stelle das Team zusammen, kümmere mich um die Arbeitsvisa, halte Kontakt zu den Leuten vor Ort und vieles mehr. Ich investiere auch privates Geld, opfere viel meiner Freizeit und natürlich auch einen Teil meiner Urlaubstage - doch es lohnt sich! Außerdem bekomme ich durch das Klinikum Niederberg auch viel Unterstützung.“
Inwiefern? „Ich darf das Material hierhin bestellen und hier lagern, einen Teil der Urlaubstage werden mir als Sonderurlaub genehmigt und natürlich bekomme ich auch viel Zuspruch von meinen Kollegen. In diesem Jahr sind neben mir zum Beispiel auch zwei weitere Kräfte des Klinikum Niederbergs mit auf den Philippinen. Es ist wirklich schön, was wir dort als Team gemeinsam alles bewegen können!“
Infos:
-Die Organisation „Pro Interplast Germany“ ist ein gemeinnütziger Verein für Plastische Chirurgie in Entwicklungsländern
-„Pro Interplast Germany“ hat rund 3.000 Mitglieder, von denen rund 300 aktiv bei Auslandsaufenthalten helfen.
-Inzwischen gibt es weltweit 47 Einsatzorte.
-Homepage: www.interplast-germany.de
Autor:Maren Menke aus Velbert |
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