Gegen das Vergessen

Marcus Ressing starb 2006 bei einem Autounfall.Foto: PR | Foto: PR
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„Ich wache mit dem Gedanken an Marcus auf, gehe damit zu Bett und werde nachts davon wach. Wir Eltern haben lebenslänglich bekommen.“
Seit dem 3. Dezember 2006 ist nichts mehr im Leben von Conni Meyer, wie es war: Das war der Tag, an dem die Langenbergerin ihren einzigen Sohn verlor.
„Er rief mich von der Autobahn an und sagte mir, er habe einen Unfall gehabt“, erinnert sich die 50-Jährige. Dann war die Verbindung unterbrochen. Kurze Zeit später stand die Polizei vor der Tür und teilte der Familie mit, dass Marcus Ressing tot sei. Er war auf der Autobahn von einem anderen Auto überfahren worden.
„Ich sagte mir: Das ist ein Traum. Werde wach! Aber das ist mir bis heute nicht gelungen“, schildert Meyer ihre Gefühle. Der einzige Tag der letzten Jahre, der ihr zu 100 Prozent in Erinnerung geblieben ist, war der Tag des Unfalls.
Mit ihrem Sohn scheint sie ihre Lebensfreude verloren zu haben, sie ist oft antrieblos und zieht sich mit ihrem Mann in die eigenen vier Wände zurück. Halt gibt ihr der Austausch mit anderen Betroffenen im Internet. Wenn Conni Meyer im Fernsehen einen Bericht über Eltern sieht, die ein Kind verloren haben, schreibt sie spontan eine E-Mail, bekundet ihr Mitgefühl. Einige Kontakte haben sich über das Netz ergeben, Meyer sucht die Nähe zu jenen, die ähnliches erlebt haben wie sie selbst.
„Viele verstehen nicht, dass es ein Unterschied ist, ob ich einen Angehörigen wie den Vater, Mutter oder eine Schwester verliere, oder ob es das eigene Kind ist.“ Denn als Elternteil gehe man von allem aus, aber nicht vom Tod des Nachwuchses. „Ich habe daran gedacht, dass Marcus irgendwann mal heiratet“, erinnert sich seine Mutter. Aber dass so plötzlich dieser endgültige Abschied anstand, damit kommt sie auch heute, vier Jahre später, nicht zurecht. „Dieser Gedanke ,nie wieder‘ macht mir zu schaffen.“ Nie wieder seine Stimme zu hören, ihn nie wieder zu sehen und zu riechen, all das erscheint Meyer unerträglich.
Hinzu kommt die Angst zu vergessen. „Manchmal denke ich an bestimmte Gesten oder Aussprüche von Marcus. Wenn mir dann nicht das Passende einfällt, bekomme ich gleich ein schlechtes Gewissen.“ Austauschen kann sich die 50-Jährige mit ihrer Schwester. So tragisch es ist: Sie hat drei Jahre vor Conni einen ihrer Söhne ebenfalls bei einem Autounfall verloren. „Sie muntert mich auf. Gegenseitig geben wir uns Kraft“, sagt die Langenbergerin. Aber das Gefühl der Leere bleibt. „Eigentlich funktionieren mein Mann und ich nur noch. Wir planen nichts, machen nichts, feiern nicht Weihnachten.“ Nur arbeiten und mit den Hunden spazieren gehen, das sind Konstanten im Leben des Paares. „Am Anfang war das Mitgefühl riesig“, erinnert sich Meyer. Aber nach und nach hole der Alltag die Menschen ein und der Kreis derer, die mit ihren Gedanken noch bei Marcus sind, werde kleiner. „Das Schlimme ist, wenn nicht mehr gefragt wird“, sagt sie. Denn das gebe ihr das Gefühl, dass Marcus in Vergessenheit gerate. Deshalb ruft sie am morgigen Sternenkindertag alle dazu auf, eine Kerze ins Fenster zu stellen und um 19 Uhr zu entzünden. Ein Licht für Marcus und alle anderen Sternenkinder.

Autor:

Miriam Dabitsch aus Velbert

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