„Einfach da sein“
Sie sind immer da: 365 Tage im Jahr stehen die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Telefonseelsorge für Gespräche zur Verfügung. Dabei ist kein Gespräch wie das andere. Eine, die sich seit 18 Jahren für die Telefonseelsorge engagiert, ist die Nevigeserin Petra (Name von der Redaktion geändert, die Mitarbeiter bleiben anonym). „Damals habe ich im Gemeindebrief einen Aufruf gesehen, in dem Mitarbeiter gesucht wurden. Da habe ich mich spontan gemeldet.“
Und sie ist dabei geblieben. Nach der Ausbildung, die heute 120 Stunden umfasst und ein halbes Jahr dauert, standen die ersten Dienste an. „Ich hatte fürchterliche Angst, etwas falsch zu machen“, erinnert sich die 64-Jährige, denn bekanntermaßen rufen nicht nur Menschen an, die ein bisschen plaudern wollen. „Der überwiegende Teil der Anrufer ist verzweifelt“, weiß Petra. Meist sind es psychische Erkrankungen wie Depressionen, Ängste, Sucht oder Suizidgedanken, die die Anrufer schildern. „Weitere häufige Themen sind Beziehungen, Einsamkeit und das körperliche Empfinden“, schildert die Mitarbeiterin. „Das ist schon eine riesige Verantwortung, die man da hat.“ Aber natürlich gibt es auch die Anrufer, die einfach über Erlebnisse oder Alltagsprobleme sprechen wollen.
Grundsätzlich versteht sie es nicht als ihre Aufgabe, den Anrufern Ratschläge zu erteilen. „Die Kunst ist, das Gespräch so zu führen, dass der Anrufer selbst zu einer Lösung für sein Problem kommt“, sagt Petra. Sie will vor allem „für den Anrufer da sein“, zuhören, die Einsamkeit durchbrechen. Das kann auch schon mal dauern: Drei Stunden war ihr längstes Gespräch, mit einer schwer kranken Frau.
55 Prozent der Anrufer leben allein. Und auch, wer ein funktionierendes Umfeld hat, will nicht unbedingt jedes Thema mit seinen Vertrauten besprechen. „Die Anonymität der Telefonseelsorge führt dazu, dass Menschen ganz frei ihre innersten Schubladen öffnen.“
Am intensivsten erlebt Petra die Telefonate in den Nachtdiensten. Davon sollen die Ehrenamtler pro Jahr sechs absolvieren, hinzu kommen drei Tagdienste pro Monat à vier Stunden. „Ich sehe das als meine Arbeit an. Nur, dass sie unbezahlt ist.“ Eine gute und hochqualifizierte Arbeit, die den Mitarbeitern das Gefühl gibt, etwas für andere getan zu haben. Neben den Diensten am Telefon finden ein- bis zweimal pro Monat Supervisions-Gruppen statt, die den Mitarbeitern dabei helfen, sich und ihre Arbeit am Telefon zu reflektieren.
Hinzu kommt eine gute Gemeinschaft: „Wir können auch feiern“, sagt Petra. So gibt es verschiedene Veranstaltungen, bei denen die Mitarbeiter Spaß haben - das Telefon bleibt natürlich auch an diesen Tagen besetzt.
Fakten:
- 17.000 Anrufe gehen pro Jahr bei der Telefonseelsorge Wuppertal ein.
- 55 Prozent der Anrufer leben allein.
- 66 Prozent der Anrufer sind Frauen, 34 Prozent Männer.
- 39 Prozent der Anrufer sind zwischen 40 und 60 Jahre alt.
- Die Telefonseelsorge bietet auch eine Beratung per Mail sowie einen Chat an (erreichbar über www.telefonseelsorge-wuppertal.de).
Interessiert:
- Weitere Informationen zur Tätigkeit unter www.telefonseelsorge-wuppertal.de sowie unter Tel. 0202/974400 (Wuppertal) oder Tel. 0201/747480 (Essen).
- Die Ausbildung findet donnerstagsabends statt.
- Bewerber sollten mindestens 30 Jahre alt sein.
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