Anna und Sofiia Balobanova flüchteten aus Kiew
Durch Bomben getrennt
Es war ein Aufbruch ins Ungewisse. Die Familie Balobanova trennte sich im März 2022 an der Grenze zu Polen. "Ich verabschiedete mich von meinem Mann mit dem Gedanken, dass wir uns vielleicht nie wieder sehen würden." Anna hat Tränen in den Augen.
16 Monate sind vergangen. 16 Monate auf sich allein gestellt in einem fremden Land, ohne Familie und Freunde. "Das Heimweh wächst", sagt Anna. Die 37-Jährige ist mit Tochter Sofiia (10) vor dem Krieg in der Ukraine geflohen und lebt seitdem in Velbert.
Alltag in der Fremde
Längst hat der Alltag Einzug gehalten bei den Beiden: Sofiia geht zur Schule. Zum Glück für das Mädchen war in ihrer Grundschulklasse ein weiteres ukrainisches Mädchen, das machte den Anfang leichter. Mama Anna besucht Deutschkurse. "Ich habe bereits das Niveau B1 erreicht", erzählt sie nicht ohne Stolz. Wäre ihr Mann Anton bei ihnen, könnte sie sich sogar vorstellen, in Deutschland zu bleiben. "Überall, wo ich hingehe, treffe ich nette und angenehme Menschen. Deutschland wird für immer eine Spur in meinem Herzen hinterlassen als ein Ort, an dem man mich im schwierigsten Moment akzeptiert und unterstützt hat."
Kiew verlassen, als die Bomben fielen
Mit dem Angriff Putins im Februar 2022 hat sich auch das Leben der Balobanovas von Grund auf verändert. Anna und Anton kennen sich noch aus Schulzeiten, die Familie lebte mit Tochter Sofiia in Kiew. Dort arbeitete die 37-Jährige bis zur Flucht als Bankkauffrau. Sofiias Leidenschaft ist das Tanzen, sie besuchte eine Tanzschule in Kiew und nahm an Aufführungen teil. Mit den Bomben zog die Angst ein ins Leben der Familie. "Ich wollte die Ukraine und meinen Mann nicht für wer weiß wie lange verlassen", sagt Anna. Aber Sofiia hatte große Angst und bat darum, Kiew zu verlassen. "Wir berieten uns - auch mit meiner Freundin Marina, die schon lange in Deutschland lebt - und kamen zu dem Schluss, dass wir Sofiias Wunsch entsprechen müssen."
Mit dem Auto durch das Kriegsgebiet
Mit dem Auto brachte der Familienvater die Beiden durch das Kriegsgebiet bis an die polnische Grenze. "Es war sehr beängstigend und stressig, durch die Ukraine zu reisen, da jeden Moment eine Rakete einschlagen konnte", erinnert sich Anna. An der Grenze dann Abschied nehmen - denn auch wenn Anton nicht als Soldat kämpft, stand fest, dass er in der Ukraine bleiben würde. Der emotional schwerste Moment auf der Flucht.
Fast drei Tage dauerte die Flucht
Aber für langes Trauern blieb keine Zeit. Fast drei Tage lang dauerte die Reise nach Deutschland. "Zuerst mit dem Bus nach Krakau, dann warteten wir am Bahnhof auf einen speziellen Evakuierungszug, der uns kostenlos zur Grenze nach Deutschland brachte. Dort stiegen wir in einen Bus mit Ziel Berlin um. Hier trafen wir eine Bekannte meiner in Velbert lebenden Freundin, die Flüchtlingen aus der Ukraine half, und wir verbrachten die Nacht bei ihr. Am nächsten Tag wurden wir zum Zug begleitet, der uns kostenlos nach Dortmund brachte. Überall auf unserem Weg wurden wir herzlich empfangen und mit Essen und Getränken versorgt", erinnert sich Anna. Diese Fürsorge habe ihr sehr dabei geholfen, sich nach all dem Schrecken, dem sie in den ersten Kriegstagen ausgesetzt waren, zusammenzureißen.
Liebe Gesten zum Start in Velbert
Ihre Freunde haben Mutter und Tochter dann in Dortmund abgeholt und nach Velbert gebracht. Hier hat Marina, die Freundin aus Schulzeiten, Anna geholfen, sich einzuleben, alle notwendigen Dokumente zu erstellen und eine Unterkunft zu finden. "Die Vermieter waren so lieb. Neben einer kompletten Wohnungsausstattung war sogar der Kühlschrank mit Lebensmitteln gefüllt", sagt Anna. "An jede Kleinigkeit wurde gedacht, auch an Handtücher und Bettwäsche." Seitdem leben die Beiden dort.
Gedanken an Rückkehr in die Ukraine
Wie lange noch, dazu wagt Anna keine Prognose. "Ich mag Deutschland wirklich, aber die Trennung von meinem Mann ist mir in letzter Zeit besonders schwer gefallen. Die Tochter vermisst ihren Vater, ihre Großeltern und ihr Zuhause sehr, es ist hier besonders schwer für sie. Wir denken darüber nach zurückzugehen, auch wenn der Krieg noch nicht vorbei ist. Denn die Familie soll wieder zusammenleben."
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