Seltene Tiere und Pflanzen am ehemaligen Klärteich in Velbert angesiedelt
Ur-Rinder sind als Naturschützer unterwegs
Die Hörner sind bis zu einem Meter lang, gebogen und kräftig – diesen Tieren möchte man nicht in der freien Wildbahn begegnen. Gemeint sind die Auerochsen, die vor den Toren der Stadt leben.
Allerdings nicht im totaler Freiheit, sondern in einem über 30 Hektar großen Wildgehege, das auf dem ehemaligen Klärteich Eignerbach entstanden ist. Dort lagerten sich die Feststoffe aus der Gesteinswäsche des Wülfrather Kalksteinwerkes ab. In den 40-er Jahren des vorherigen Jahrhunderts wurde ein Damm durch das Tal gezogen, von dem Velberter Heimatforscher überzeugt sind, dass es sich dabei um das obere Tal der Anger handelt, die vorbei an Heiligenhaus und Ratingen bei Angermund in den Rhein fließt.
Naturschutz- und
Erlebnisgebiet
Vor gut 20 Jahren wurde das Sedimentationsbecken stillgelegt und behutsam rekultiviert. Die Firma Lhoist, zu der die Kalkwerke gehören, entwickelte in enger Abstimmung mit dem Kreis Mettmann ein Naturschutz- und Erlebnisgebiet. Aus „zweiter Hand“ sind Biotope entstanden, die seltenen und bedrohten Tierarten eine Rückzugmöglichkeit bieten. Mittendrin befindet sich eine Herde aus zwölf Auerochsen.
Otto Kahm, Vorsitzender des Naturschutzvereins Neandertal, hatte vor zehn Jahren die Idee, Auerochsen als natürliche Rasenmäher anzusiedeln, damit die Grasflächen nicht durch Sträucher überwuchert werden. Am Ende der Mettmanner Straße, neben dem dortigen Autohaus, geht es zum Rundweg um den Eignerbach, nach einigen Minuten ist der Aussichtspunkt erreicht. Mit etwas Glück lassen sich die Hornviecher entdecken, Spaziergänger können ihnen aber nicht zu nahe kommen. „Das könnte lebensgefährlich sein“, weiß Hans-Joachim Czerwonka, der sich um die Liegenschaften von Lhoist kümmert und auf den besonderen Elektrozaun rund ums Gehege verweist: „Bei Stromausfall gibt es sofort Ersatz aus einer Batterie, eine App warnt bei Störungen.“
Jährliche
Gesundheitskontrolle
Die Einzigen, die sich regelmäßig den fast schwarzen Hornträgern nähern, sind Gabriele Meiser und ihr Mann Wilhelm Meiser-Meyer. Die Mettmanner Landwirtin weiß, wie sich die verwilderten Rinder anlocken lassen. „Wie jedes Rind, unterliegen auch die hier einer jährlichen Gesundheitskontrolle, bei der Blut entnommen wird“, erklärt die erfahrene Hegemeisterin aus dem Wildgehege Neandertal. Damit der Tierarzt in einem Gatter seine Spritze setzen kann, lockt Kraftfutter als begehrtes Leckerchen die Tiere an, bei denen es sich streng genommen um so genannte Heck-Rinder und nicht um Auerochsen handelt. Die sind bereits Anfang des 17. Jahrhunderts ausgestorben.
Attraktion des
Wildgeheges
Die Brüder Heinz und Lutz Heck, beides Zoologen, kreuzten vor hundert Jahren mehrere europäische Rinderrassen - alles in der Hoffnung, so ein Abbild des ausgerotteten Auerochsen zu erhalten. Seit Jahrzehnten sind diese Auerochsen die Attraktion des Wildgeheges im Neandertal. Dort, in der Nachbarschaft der Fundstelle des Urmenschen, wird weiter an der Rückzüchtung des Auerochsen gearbeitet.
In dem Gehege auf dem ehemaligen Klärteich zwischen Velbert und Wülfrath sind nur Kühe unterwegs, die nicht beim Metzger enden. „Die dürfen so alt werden, bis sie von alleine sterben“, beschreibt Gabriele Meiser deren Schicksal.
Bei Lhoist blickt man zufrieden auf die positive Entwicklung: „Die industrielle Nutzung schließt den Natur- und Artenschutz nicht aus“, sagt Lisa Gödde, zuständig für Umweltschutz und Genehmigungen: „Wir haben Verantwortung und schaffen was Neues für den mit der Kalkgewinnung verbundenen Eingriff in die Natur.“ Die Untere Naturschutzbehörde im Kreis Mettmann stellte bei dem letzten jährlichen Artenschutz-Monitoring fest, dass die Kombination von natürlicher Entwicklung und extensiver Beweidung mit den sehr robusten Auerochsen eine höchst interessante Fauna und Flora hat entstehen lassen.
Autor:Maren Menke aus Velbert |
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