Museumsnacht im Neanderland
Nachtschwärmer auf dem Velberter Rottberg
Zahlreiche Besucher kamen zur Museumsnacht ins Neanderland. Besuchermagnete waren erwartungsgemäß das Mettmanner Neanderthal-Museum und der Zeittunnel in Wülfrath, aber auch weniger bekannte Orte wie die Kruppsche Nachtscheinanlage in Velbert hatten geöffnet.
Bereits am 12. September, dem "Tag des Denkmals", konnte das Areal tagsüber besichtigt werden. Eine Infotafel am "Neanderlandsteig", der dort entlang führt, weist auf die militärische Hinterlassenschaft hin. Die Kruppsche Nachtscheinanlage war eine mit einfachsten Mitteln errichtete Attrappe der Kruppschen Gußstahlfabrik in Essen. Sie sollte Bombenangriffe auf das etwa 10 Kilometer entfernt liegende Gussstahlwerk in Essen weglenken, was von 1941 bis 1943 auch weitestgehend gelang. Bei Dunkelheit war die Begehung natürlich noch viel eindrucksvoller. So kamen auch interessierte Nachtschwärmer, die sich das Ganze noch einmal ohne Tageslicht ansehen wollten. Tieffliegende Flugzeuge erweckten gar den Eindruck von anfliegenden Bombern und erzeugten ein wenig Gänsehaut.
Die Anlage wurde 1941 auf dem Velberter Rottberg errichtet. Einzelne Anlagenteile dehnten sich bis in das Asbachtal und in angrenzendes Essener Gebiet aus (Ludscheidt, Rodberger Straße). Auf die Anlage wurden viele Sprengbomben als auch über 5.000 Stabbrandbomben abgeworfen. Ab 1943 war die Radartechnik dann so weit entwickelt, dass die Bomber das echte Werk in Essen anpeilen und angreifen konnten.
Direkt nach dem Krieg wurde die Anlage von der Bevölkerung abgebaut und "verwertet". Noch heute findet man auf dem Rottberg vielfach die Eisenbahnschienen der Scheineisenbahn als Zaunpfähle. Der ehemalige Leitbunker der Kruppschen Nachtscheinanlage entging nur durch Zufall der Sprengung durch die Besatzungstruppen. Der damalige Eigentümer des Grundstückes, ein Landwirt auf dem Rottberg, konnte den britischen Besatzungstruppen verständlich machen, dass er diesen als Stall für das Vieh nutze – was genehmigt wurde. So ist die Anlage über die Jahrzehnte hinweg unbeschädigt erhalten geblieben. Diese Bunkeranlage ist in Deutschland einer der ganz wenigen Überreste einer solchen Scheinanlage überhaupt, weshalb sie historisch einzigartig ist und zwischenzeitlich unter Denkmalschutz gestellt wurde
Seit Ende 2011 beschäftigt sich ein Team ehrenamtlicher Mitarbeiter des Landschaftsverbands Rheinland (LVR), Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland mit Erforschung und Dokumentation der Anlage. Ein Mitarbeiter stellte zu Beginn der Führung im Leitbunker anhand einer Präsentation die Geschichte des Objekts dar. So gab es auf dem Rottberg viele Anlagen, die auch in einer echten Fabrik vorhanden waren, nur dass hier alles eben aus Holz, Spanplatten, Segeltuch und anderen Leichtbaumaterialien gebaut war. Zudem war alles etwas kleiner als das Original.
Kulissen wie in Babelsberg
Ein 36 Meter hoher Schornstein täuschte mit künstlichen Dampfschwaden Betriebsamkeit vor, verschiedene andere Anlagennachbauten verwirrten mit künstlichen Lichteffekten, die Gießereifeuer und Schweißarbeiten nachbilden sollten. Eine zweigleisige Feldeisenbahn mit zwei Zügen fuhr im Kreis und auf den Anhängern wurden Lichteffekte erzeugt, die glühende Schlacke vortäuschen sollten. Die Lokomotiven mit Dieselantrieb fuhren während der Angriffe unbemannt. Die Lokführer starteten die Motoren und sprangen dann ab. Mit einem roten Lichtband wurde in dieser Nacht der Verlauf der Eisenbahn markiert. Im Gelände gab es viele ebenfalls beleuchtete Sheddach-Attrappen, sie sollten Fabrikhallen nachbilden. Die Anlagen waren abgesehen von ihrer nächtlichen Beleuchtung und "Befeuerung" getarnt und eher unauffällig, so dass sie tagsüber aus der Luft schlecht erkennbar waren. Dabei waren die Anlagen aber nur teilweise aufgebaut, und nicht etwa flächendeckend wie ein echtes Werk. Die nächtlichen Effekte genügten hier aber, um eine Fabrik vorzutäuschen. Das ganze erinnerte eher an Filmkulissen wie im Filmstudio Babelsberg.
Anwohner wurden evakuiert
Die Bauern mussten für die Errichtung der Scheinanlage ihr Land abgeben, notfalls wurden sie auch enteignet. Die Anwohner wurden bis Ende 1942 regelmäßig von abends 22 Uhr bis morgens gegen 6 Uhr vom Rottberg evakuiert und in umliegenden Hotels untergebracht. Jede Nacht bangten sie dabei, ob sie am Morgen ihre Höfe noch unversehrt vorfinden würden. Es fielen etliche schwere Bomben und auch Luftminen in die angrenzende Region, wo dann teils auch Opfer zu beklagen waren.
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Autor:Norbert Opfermann aus Düsseldorf |
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