„Integration heißt vorleben und begleiten!“
Kadet Toure hat bei Familie Marwinske aus Velbert ein neues Zuhause gefunden
Bereits seit vier Jahren lebt Bouba Toure in Velbert. Jetzt konnte auch sein Sohn Kadet den schwierigen Lebensbedingungen in Französisch Guinea, Westafrika, entfliehen. Ein neues Zuhause fanden die Beiden bei Rolf und Rita Marwinske. Ein Glücksfall für beide Seiten.
Kadet strahlt, als er den Raum betritt. Er ist modisch gekleidet, höflich und auskunftsfreudig. Dass dieser 16-jährige Junge glücklich ist, spürt man auch ohne Worte. Er sitzt im Friseursalon von Friseurmeister Rolf Marwinske und erzählt stolz über sein „neues“ Leben. Seit vier Monaten gibt es dieses Leben. Bis dahin lebte er in seiner Heimat Französisch Guinea.
Wer sich die Mühe macht, mehr über dieses Land zu erfahren, wird schnell feststellen, dass der junge Westafrikaner jeden Grund hat glücklich zu sein, denn eine Zukunft gibt es dort für junge Menschen nicht. „Conakry“ heißt die Hauptstadt der Republik, in der er gelebt hat. Ein Moloch aus Dreck, Lautstärke, politischen Unruhen und Gefahren – als Kindersoldat und auch als Christ. Denn Kadet ist katholisch. Und die christliche Minderheit bildet gerade einmal fünf Prozent der Gesamtbevölkerung in Guinea.
Gemeinsam mit seinem Vater lebt Kadet jetzt auf 90 Quadratmetern, in einer komplett eingerichteten Einliegerwohnung der Marwinskes. Und obwohl Kadet noch kein halbes Jahr in Deutschland ist, hat sich sein Leben von Grund auf geändert. „Ich besuche die Klasse 9b des Geschwister-Scholl-Gymnasiums. Anfangs war ich noch in der Integrations-Klasse. Doch jetzt nehme ich schon am normalen Unterricht teil. Am meisten Spaß macht mir der Mathematik- und Deutschunterricht“, erzählt der Junge nicht ohne Stolz. Eingelebt habe er sich schnell und seine Klassenkameraden seien sehr nett und auch Freunde habe er schon gefunden. Stolz sind auch „Papa“ und „Mama“ Marwinske, denn so nennt Kadet seine „Zieheltern“ bereits liebevoll. Und tatsächlich: Rita Marwinske sorgt für Kadet wie für ihren eigenen Sohn. „Ich genieße es, ihn zu verwöhnen. Sein Vater muss ja Geld verdienen. Er hat eine Festanstellung und ist dementsprechend eingespannt. Ich mache Kadet seine Schulbrote, wir frühstücken gemeinsam und ich koche für ihn. Er ist für uns ein Riesenglück – so freundlich, hilfsbereit und wissbegierig. Von ihm kommt soviel zurück.“ Rolf Marwinske stimmt seiner Frau zu.
Der junge Westafrikaner Kadet ist ehrgeizig und wissbegierig
Vor allen Dingen sein Ehrgeiz hat es dem 76-Jährigen, immer noch aktiven Friseurmeister angetan. „Es ist toll zu sehen, mit wie viel Freude Kadet weiterkommen will. Als er kam, sprach er kein Wort Deutsch. Inzwischen kann er sich schon prima verständigen.“ Mit Hilfe von Schulunterlagen bis zur zehnten Klasse, habe er sich das meiste selbst erarbeitet. Doch das reiche ihm noch nicht. In einem Intensivkurs will er die Sprache perfektionieren. Er spricht neben Susu, eine der Landessprachen Guineas, fließend Französisch, da dies die Amtssprache ist. Wenn er jetzt noch Englisch lernt, sei er gut aufgestellt, freut sich Marwinske. „Wir unterhalten uns viel, geraten ins philosophieren und ich erkläre ihm unsere Kultur. Wir reden über Politik, Wirtschaft, unser Kranken- und Bildungssystem – alles Dinge, die - wenn überhaupt - in seinem Land nur defizitär vorhanden sind.“
Samstagmorgens ist Kadet gern mit im Friseursalon. „Er hilft, wo er kann und genießt es, sich mit den Kunden zu unterhalten. Er ist an allem interessiert und saugt alles Wissenswerte auf wie ein Schwamm.“ Besonders gefreut hat den passionierten Hobby-Geflügelzüchter, dass Kadet dieses Hobby gerne mit ihm teilen möchte. „Er hat neulich auf einer Geflügelschau mit einem Lakenfelder-Hahn richtig gute Ergebnisse erzielt. Er ist wohl der erste afrikanische Hühnerzüchter hier bei uns.“ Und auch das Vereinsleben der Geflügelzüchter gefällt dem jungen Mann, dessen afrikanische Großmutter ebenfalls Hühner hielt: „Die Menschen im Verein sind alle sehr nett und ich habe auch schon einen Freund gefunden. Dass der Hahn bei meiner ersten Ausstellung eine so super Beurteilung bekommen hat, freut mich sehr. Ich bin sehr froh, dass mir ‚Papa‘ den alten Taubenschlag für die Zucht zur Verfügung gestellt hat.“
Doch trotz der vielen Gemeinsamkeiten, ist es den Marwinskes wichtig, dass Kadet eigenständig bleibt und sich frei fühlt. „Integration heißt vorleben und begleiten. Das machen wir. Ich begleite Kadet zum Elternsprechtag und stehe immer im engen Kontakt mit der Schule und den Behörden des Kreises.“ Mit dieser Zusammenarbeit ist Rolf Marwinske sehr zufrieden. „Die Schule unterstützt Kadet, wo sie kann, und man hat dort immer ein offenes Ohr für uns.“ Für den jungen Westafrikaner steht fest, dass seine Zukunft hier in Deutschland liegt. Das ist sein größter Wunsch. Die Marwinskes sind sich sicher: „Für uns ist Kadet ein Geschenk.“
Autor:Astrid von Lauff aus Velbert-Langenberg |
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