Lektürearbeit mit Anspruch

Fast wie in der Uni, doch hier muss keiner mehr eine Prüfung ablegen: Die Damen des Literaturkreises im Evangelischen Gemeindehaus in Neviges lieben Bücher. �Foto: Bangert | Foto: Bangert
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  • Fast wie in der Uni, doch hier muss keiner mehr eine Prüfung ablegen: Die Damen des Literaturkreises im Evangelischen Gemeindehaus in Neviges lieben Bücher. Foto: Bangert
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Die Bücherauswahl verrät es schon: Hier wird nicht nur geschmökert, sondern vielmehr ernsthafte Lektürearbeit betrieben. Von Luise Rinser über Thomas Mann bis Martin Walser reicht das hochkarätige Spektrum. Doch gelacht werden darf auch, denn die Gemeinschaft wird groß geschrieben. Die Rede ist vom Literaturkreis im Evangelischen Gemeindehaus in Neviges.
Konzentrierte Stille herrscht an diesem Vormittag im Saal des Gemeindehauses im Siepen. Rund 20 Damen blättern emsig in der heutigen Lektüre und lauschen dem Leiter des Literaturkreises Hagen Millauer.
„Zwei alte Frauen“ von Velma Wallis: Eine Legende von Verrat und Tapferkeit heißt das Buch, das aktuell im Literaturkreis besprochen wird.
„In diesem Buch geht es im Großen und Ganzen um das ,Überleben‘. Die Protagonisten gehen durch die Tiefen des Leids, bis die Talsohle durchschritten ist und es wieder bergauf geht.“ Eine Lebenssituation, die jeder lebenserfahrene Mensch schon einmal durchlebt habe, erklärt Hagen Millauer. So sei die Lektüre dieses Buches eine schöne Gelegenheit, sich auf seine eigenen Lebens- oder auch Überlebensmöglichkeiten zu besinnen.
Und an Lebenserfahrung mangelt es den zwischen 57 und 92 Jahren alten Teilnehmerinnen nicht. Hierin liegt für alle auch das Besondere des Literaturkreises: Das gemeinsame Lesen unmittelbar verknüpft mit dem Gespräch.
„So fließen unglaublich viele verschiedene Interpretationsmöglichkeiten, individuell basierend auf der jeweiligen Lebenserfahrung, mit in die Gespräche ein“, so Millauer. „Wenn man alleine liest, passiert es viel schneller, dass man ein Buch schnell wieder zur Seite legt. In der Gemeinschaft passiert das nicht, da wird dann eben kontrovers diskutiert“, so Rosemarie Hahn, seit drei Jahren Mitglied des Literaturkreises.
Daher verwundert es auch niemanden, dass die jeweiligen Buchbesprechungen Zeitspannen von Wochen oder auch Monaten einnehmen können.
„Wir haben Zeit. Unsere Treffen lassen sich genau genommen in drei Bausteine gliedern. Wir beginnen mit einer Andacht, dann folgt ein gemeinsames Frühstück und erst dann folgt die Lektürearbeit“, so Hagen Millauer, der als einziger Mann den Lesekreis leitet und moderiert. Die Andacht sei als Besinnung und zur Orientierung des Gelesenen wichtig, so Millauer. Das anschließende, selbst zubereitete Frühstück stärke das Gemeinschaftsgefühl. Erst dann sei man bereit für die gemeinsame Lektürearbeit.
Am 23. April 2002 rief Hagen Millauer den beliebten Literaturkreis ins Leben. Seitdem haben die belesenen Damen viele interessante Reisen unternommen. Ob Weimar, Dresden oder Berlin - immer wird ein literarischer Bezug hergestellt. Mal wandelte die Reisegruppe auf den Spuren von Goethe, mal auf den Spuren von Kästner oder Thomas Mann.
„Inzwischen beschränken sich unsere Reiseziele hauptsächlich auf die nähere Umgebung“, so die 83-jährige Friedel Hertwig. „Doch hier gibt es gleichfalls viel zu entdecken und ein unerschöpfliches Kulturangebot.“ Organisiert werden die Ausflüge von Marlies Pahlke, die seit der ersten Stunde mit dabei ist. „Monet im von-der-Heydt-Museum, die Buddenbrooks im Düsseldorfer Schauspielhaus oder der Besuch des Folkwang-Museums - „unserer Reiselust werden auch in der Region keine Grenzen gesetzt und Verknüpfungen zu Gelesenem lassen sich immer herstellen.“
Warum nur Frauen am Literaturkreis interessiert sind (mit einer Ausnahme), können sich die Damen auch nicht erklären. Nur eine Vermutung habe man: Vielleicht befürchte die männliche Spezies, dass sich unter dem Deckmäntelchen des Literaturkreises ein vermeintliches Kaffeekränzchen verstecke. Und: Männer lesen anders und daher bleibe man dann doch lieber unter sich.

Fast wie in der Uni, doch hier muss keiner mehr eine Prüfung ablegen: Die Damen des Literaturkreises im Evangelischen Gemeindehaus in Neviges lieben Bücher. �Foto: Bangert | Foto: Bangert
Reisen bildet: Die Damen des Literaturkreises besuchten vor einiger Zeit das Folkwang-Museum in Essen.� Foto: PR | Foto: PR
Autor:

Janina aus dem Siepen aus Hattingen

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