Wenn es richtig kracht am Gartenzaun...

Wenn es in der Nachbarschaft richtig kracht, dann versuchen  Klaus Joemann (Bezirk Datteln-Nord) (l.) und Josef Schwarzenberg (Bezirk Datteln-Süd) als Schiedsmänner die Wogen zu glätten. Foto: Martin Meyer
  • Wenn es in der Nachbarschaft richtig kracht, dann versuchen Klaus Joemann (Bezirk Datteln-Nord) (l.) und Josef Schwarzenberg (Bezirk Datteln-Süd) als Schiedsmänner die Wogen zu glätten. Foto: Martin Meyer
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Die laute Musik des Nachbarn mitten in der Nacht, der beißende Qualm des Grills oder der aggressive Ex-Freund - das alles sind Fälle, bei denen Menschen ihr gutes Recht einklagen dürfen und vor Gericht ziehen können. Doch bevor es dazu kommt, ist der Weg zu einem ortsansässigen Schiedsmann Pflicht.

Gericht als einziger Ausweg?
Wenn es mit dem Nachbarn oder einem anderen Mitmenschen richtig kracht, dann wissen sich viele Menschen nicht mehr zu helfen. Täglich erleben Betroffene Fälle von Beleidigung, Körperverletzung, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch, Bedrohung, Verletzung des Briefgeheimnisses oder viele andere bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten. Da hilft nur der Weg vor Gericht. Doch dieser kann unter Umständen äußerst teuer sein.

Schiedsmänner als neutrale Personen
Ein Gerichtsverfahren ist aber nicht der einzige Weg, diese Streitigkeiten zu lösen. Denn bevor es vor den Richter geht, ist es in NRW und zwölf anderen Bundesländern gesetzlich vorgeschrieben, einen sogenannten Schiedsmann aufzusuchen, um eine mögliche Schlichtung des Streits zu erreichen. Damit werden die Gerichte entlastet, die mit Richtermangel und überlangen Verfahrensdauern zu kämpfen haben. „Wir versuchen als neutrale Personen die Streitparteien unter einen Hut zu bekommen“, sagt Klaus Joemann, Schiedsmann im Bezirk Datteln-Nord. „Doch wir können auch nur Vorschläge zur Einigung machen.“

Aufklärungsarbeit
Seine Fälle bekommt er meist über die Staatsanwaltschaft. Erst wenn diese in einer Straftat kein öffentliches Interesse sieht, werden die Betroffenen auf den Privatklageweg hingewiesen. In durchschnittlich 70 Prozent der Fälle können die Schiedsmänner eine Einigung erreichen. „Wir öffnen mit den Gesetzen den Streitparteien die Augen und klären die Leute darüber auf, was auf sie zukommt, wenn sie mit ihrem Streit vor Gericht landen“, sagt Josef Schwarzenberg, Schiedsmann im Bezirk Datteln-Süd.

Einigung 30 Jahre vollstreckbar
Eigentlich seien er und sein Kollege juristische Laien. Eine Einigung müsse auch nicht immer den geltenden Gesetzen entsprechen. Dennoch handeln die beiden Schiedsmänner nach dem Strafgesetzbuch und dem Nachbarschaftsrecht. Die Einigungen sind gleichzusetzen mit einem richterlichen Urteil und auf 30 Jahre vollstreckbar.

Viel zu hören bekommen
In ihrer langjährigen Tätigkeit haben die beiden Schiedsmänner schon einiges erlebt und zu hören bekommen. „Ich habe einen Fall, der vor zehn Jahren begonnen hat. Drei Familien liegen seit dieser Zeit im Clinch. Der Streit hat da schon Tradition. Die Parteien können gar nicht mehr ohne“, erzählt der 68-jährige Josef Schwarzenberg, der seit zehn Jahren dieses Ehrenamt ausführt. Klaus Joemann, mittlerweile im fünften Jahr Schiedsmann, erinnert sich an einen Streit unter Geschäftsleuten, in dem eine krebskranke Frau beleidigt wurde. „Ich habe mit den Parteien eine Einigung erzielen können. Am Ende hat der Täter sogar 200 Euro an die Krebshilfe gespendet“, so Klaus Joemann, 52 Jahre alt.

Ruhiges Gemüt ist Pflicht
Es braucht schon einiges, um als Schiedsmann eingesetzt zu werden. „Man darf vor allem nicht aufbrausend sein“, sagen die beiden Dattelner Schiedsmänner. Die jeweilige Stadt schreibt das Ehrenamt aus und Interessierte können sich darauf bewerben. Die Stadt prüft allerdings jeden Kandidaten genau. Grundvoraussetzung ist ein einwandfreies polizeiliches Führungszeugnis.
Organisiert werden die Schiedsmänner im Kreis Recklinghausen von der Bezirksvereinigung Recklinghausen und in ganz Deutschland vom Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen (BDS). Durch diese Organisationen werden die Schiedsmänner auch in mehreren Lehrgängen im Jahr geschult.

31 Schiedsmänner und -frauen im Vest
Insgesamt 183 Jahre gibt es in Deutschland schon Schiedsmänner. Seit 61 Jahren gibt es sie auch im Kreis Recklinghausen. 31 Schiedsmänner und -frauen führen hier das Amt aus. Zwei Drittel davon sind Männer. „Die Fallzahlen sind sehr unterschiedlich. Je nach Bezirk kann man von durchschnittlich zwölf Fällen im Jahr ausgehen“, sagt Michael Scholz, Schiedsmann im Bezirk Recklinghausen-Mitte und Geschäftsführer der Bezirksvereinigung Recklinghausen.

Jahrelange Streits bauschen sich auf
Treffen die Streitparteien am runden Tisch aufeinander, dann kann es auch schon einmal richtig laut werden. „Jahrelange Unstimmigkeiten bauschen sich dann auf. Oft sind über die Jahre aus dicken Freunden große Streithähne geworden. Doch man muss einfach einen kühlen Kopf bewahren und sachlich handeln. Die Polizei musste ich bisher noch nie alarmieren“, lacht Josef Schwarzenberg.

Schlichtung günstiger als Gerichtprozess
Er legt nach zehn Jahren nun sein Amt nieder. 35 Jahre war Josef Schwarzenberg Chemikant in Marl. Nun möchte er seinen Ruhestand genießen. Das Amt als Schiedsmann ist er damals, wie auch sein Kollege, angetreten, um anderen Menschen zu helfen und deren Streitigkeiten zu schlichten. In den meisten Fällen wurde auch ein dauerhafter Frieden am Gartenzaun erzielt, da es keine Gewinner und Verlierer gibt. Auch die Kosten einer Schlichtung halten sich im Vergleich zu einem Gerichtsprozess in Grenzen. Bei einer Einigung fallen rund 30 Euro an. Ohne eine Einigung müssen die Parteien 20 Euro zahlen.

Information
Wichtige Informationen und die Kontakte zu den Ansprechpartnern gibt es auf www.bds-recklinghausen.de.

Autor:

Martin Meyer aus Datteln

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