Blinde sehen das Wesentliche

Für den blinden Heinz-Peter Maas (re.) und den sehbehinderten  Manfred Schattschneider (li.) gehört ein Weihnachtsmarktbummel zur Adventszeit dazu. Sie haben eine Schwäche für gebrannte Mandeln und Bratwurst.	                                                                     Foto: Marjana Kriznik
  • Für den blinden Heinz-Peter Maas (re.) und den sehbehinderten Manfred Schattschneider (li.) gehört ein Weihnachtsmarktbummel zur Adventszeit dazu. Sie haben eine Schwäche für gebrannte Mandeln und Bratwurst. Foto: Marjana Kriznik
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Die gemeinsame Zeit mit der Familie, schöne Gespräche, einander zu beschenken sowie der Duft nach gebratenener Ente - das macht für Heinz-Peter Maas die besondere Stimmung an Weihnachten aus. Düfte und Klänge nimmt der 69-Jährige besonders intensiv wahr. Denn er ist blind. Und das seit bereits 30 Jahren.

Wird Heinz-Peter Maas gebeten, zu beschreiben, wie er als Nichtsehender die Adventszeit und das Weihnachtsfest erlebt, wirkt er etwas erstaunt. Da muss er nicht lange überlegen und antwortet fast pragmatisch: „Eigentlich nicht viel anders, als damals, als ich noch sehen konnte. Aber auch wenn er den Lichterglanz nicht mehr sehen kann, so erlebt er diese Zeit mit seinen anderen Sinnen umso intensiver. Das Hören, Schmecken und Tasten sind bei ihm, wie bei allen blinden Menschen, viel stärker ausgeprägt, „und dann versucht man diese mit den eigenen Erinnerungen aus der Zeit als Sehender zu verbinden“, erklärt der schlanke Senior.

Als Späterblindeter habe er hierbei vermutlich einen Vorteil gegenüber den geburtsblinden Menschen, so vermutet der Witwer. Er kennt jedoch niemanden, der von Geburt an blind ist. Bei ihm haben als Enddreißiger eine hochgradige Kurzsichtigkeit sowie eine Netzhautablösung innerhalb eines Jahres zur völligen Erblindung geführt. Seit einigen Jahren ist er Witwer und gestaltet seinen Alltag weitgehend selbstständig. Er beklagt sich nicht. Nur so ganz alleine losziehen mag er dennoch nicht. „Ich muss unbedingt noch mal mein Mobilitätstraining auffrischen“, sagt er praktisch. Einmal in der Woche kommt jemand von der Freiwilligenzentrale, der ihn begleitet.

Auf dem Wohnzimmertisch steht ein Weihnachtsgesteck mit duftenden Tannenzweigen und roten Kerzen - die Dochte sind blütenweiß. „Die Kerzen anzuzünden wäre mir zu gefährlich“, gesteht Heinz-Peter Maas. Dann steht da noch ein kleiner geschnitzter Weihnachtsbaum sowie Miniatur-Weihnachtsmänner. Seine Zugehfrau hilft Heinz-Peter Maas, seine Wohnung etwas weihnachtlich zu dekorieren.

Wie viele seiner sehenden Mitmenschen, so hat auch Heinz-Peter Maas zurzeit einen gefüllten Terminkalender. „Ich habe noch nicht alle Weihnachtsgeschenke beisammen“, gesteht er. Denn er ist gut eingespannt: So galt es etwa gerade, die Weihnachtsfeier des Blinden- und Sehbehindertenvereins, deren erster Vorsitzender er seit zwei Jahren ist, zu organisieren und durchzuführen. Dieses Fest sei immer sehr schön. Aber der Verein, der überregional arbeitet, wünscht sich mehr jüngere Mitglieder. „Und da war noch eine Feier im Altenheim in Orsoy, in dem ich einen Auftritt hatte“, erzählt der passionierte Musiker nicht ohne Stolz. Eine seiner Leidenschaften ist das Keyboardspiel. Er hat Schlager, aber auch Weihnachtliches in seinem Repertoire.

Bei Weihnachtseinkäufen nimmt er immer einen Berater mit. „Ich lasse mir alles ganz genau erklären und beschreiben“, erzählt er, „und das Einpacken übernehme ich oft auch selbst.“ Sehr gerne besucht Heinz-Peter Maas den Moerser Weihnachtsmarkt - aber immer mit einer Begleitperson, die ihm alles sehr genau beschreiben muss. Heute ist er mit seinem Freund Manfred Schattschneider unterwegs. Dieser ist stark sehbehindert, verfügt aber noch über eine Restsehstärke, so dass er im Hellen noch die Umrisse erkennen kann. Heinz-Peter Maas hat sich bei seinem Freund eingehakt und gemeinsam ziehen sie, wie so oft, los. Erst zum Moerser Weihnachtsmarkt, wo es so herrlich duftet und anschließend irgendwo „lecker essen“. Auf dem Kastellplatz steuern die Freunde einen Stand mit gebrannten Mandeln an, denn diese sind eine weitere Leidenschaft von Heinz-Peter Maas. „Als Diabetiker halte ich mich jedoch immer an die weniger süßen Exemplare“, verrät er. Auch eine leckere Bratwurst gehört für die Beiden zu einem zünftigen Weihnachtsmarktbummel dazu. Die lieben sie. „Den Geruch von Glühwein mag ich jedoch gar nicht“, gesteht Heinz-Peter Maas. Nun freut er sich auf die Festtage, die gemeinsame Zeit mit seinen beiden Söhnen, von denen einer in Norddeutschland lebt und natürlich – auf die leckere Ente.

Autor:

Marjana Križnik aus Düsseldorf

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