Auch blonde "Gringas" können putzen und kochen
„Du kannst fegen?“ fragte die Gastmutter der 19-jährigen Carolina Lottkus mit großen Augen, als diese das erste Mal beherzt den Besen schwang. Die Neukirchen-Vluyner Abiturientin lebt seit fünf Wochen in einer der ärmsten Gegenden Ecuadors. Sie bleibt ein Jahr dort, arbeitet in einem SOS-Kinderdorf in Las Esmeraldas im Norden des Landes (der Lokalkompass berichtete). Vormittags betreut die Niederrheinerin Säuglinge in einem Kinderhort, nachmittags unterrichtet sie Deutsch. Dem Lokalkompass schilderte die junge Frau ihre vielen Eindrücke.
Dass blonde „Gringas“, wie Nichtlatinas in dem südamerikanischen Land genannt werden, sehr wohl in der Lage sind, schnöde Haushaltspflichten zu erledigen, hilft sicher, Klischees abzubauen. Oder aber, dass sie des Kochens mächtig sind: Der deutsche Klassiker - Rotkohl, Gulasch und Kartoffeln - hat im Norden Ecuadors bereits Einzug gehalten. An einen typisch ecuadorianischen Gaumenschmaus - Zwiebelsalat mit Zitronensaft - muss die Niederrheinerin sich jedoch erst noch gewöhnen.
Daran, dass „durch die Löcher der Zimmerwand alle möglichen Geräusche von draussen dringen, hat sie sich bereits gewöhnt: Musik, die neuesten Saftangebote, Gerüche und natuerlich bekäme man auch mit, wenn die Sonne aufgeht, schlidert Carolina. Obwohl vieles ganz anders ist, als am Niederrhein, tausend neue Eindrücke auf sie einströmen, hatte die Neukirchen-Vluynerin sehr schnell das Gefühl, als sei sie bereits eine Ewigkeit dort.
Der Deutschunterricht im „Colégio“ und die Arbeit im SOS-Kinderdorf machen Carolina sehr viel Spaß. „Vormittags bin ich immer im Kinderdorf. Um dort hinzukommen, werde ich immer von einer Mitarbeiterin abgeholt, da es sonst für mich zu gefährlich ist“, erzählt sie. „Zum Deutschunterricht in meinen Kurs kommen jeden Tag 20 motivierte Schüler, von denen wir dann Mitte nächsten Jahres einige nach Deutschland entsenden können.“ Zwar dauere es immer geraume Zeit, bis alle Schüler eingetrudelt seien. „Doch dann sind sie auch für die ganzen zwei Stunden super motiviert und geben sich viel Mühe,“ freut sich die junge Frau.
Manchmal liefe nicht alles wie geschmiert, da sie ja auch selbst noch Spanisch lerne und manche Dinge nicht ganz klar formulieren könne. „Doch da habe ich auch ein paar im Kurs, die schnell verstehen und manchmal noch genauer erklären können.“
In ihrer Gastfamilie, von der sie sehr herzlich aufgenommen wurde, wohnen nicht nur die Gastmutter und ihr Ehemann - ein Zivilpolizist und Busfahrer - sondern auch noch drei weitere Mädchen:„Da ihre Eltern kein Geld haben, die Schulbildung zu bezahlen, übernimmt das meine Gastmutter - im Gegenzug helfen die Mädchen im Haushalt.“ Ein weiterer Kontrast zum europäischen „Luxusleben“:„Unser Bad befindet sich unter freiem Himmel, und das gefällt mir super gut“, so Carolina. Es gibt einen grossen Balkon mit Waschbecken, Wäscheleinen, Wasseraufbewahrungsbecken und zwei Kabinen für Toilette und Dusche. „Die Wasseraufbewahrungsbecken sind Gold wert“, erzählt sie, „fliessendes Wasser gab es in meiner Gastfamilie bis jetzt nicht. Als ich danach gefragt habe, hat meine Gastmutter nur gelacht.“ Immerhin, Wasserhahn, Klospülung und Duschkopf sind vorhanden.
Auch dass man im Dunkeln besser mit dem Taxi zum Supermarkt fährt, daran hat sich Carolina gewöhnt. „Busfahren ist genau wie alles andere nachts sehr gefährlich“, weiss sie. Besonders als blonde „Gringa“, müsse man sehr vorsichtig sein. „Mein Gastvater riet mir, nicht in der Öffentlichkeit zu telefonieren, denn das Handy kann einem aus der Hand gerissen werden“. Die Niederrheinerin erfährt in dem bettelarmen Land ein völlig anderes Leben:„Die Menschen leben mehr auf der Strasse als in ihren Häusern, deren Fenster alle vergittert sind.“, erzählt sie. „Sie treffen sich einfach mit Stühlen auf der Strasse, hören laute Musik, erzählen und essen. Abends kommen „cervezas“ (Anm. der Redaktion: Biere) und Tanz dazu. Erstaunt ist die Neukirchen-Vluynerin darüber, „dass man immer irgendwo jemanden schlafen sieht. Mal ein Kind im Einkaufswagen, eine Frau auf der Parkbank, eine ganze Familie auf der Ladefläche ihres Pick-Ups oder jemanden vor einer Tienda (Geschäft).
Der Lokalkompass wird in den kommenden Monaten regelmäßig über Carolinas Leben und ihre Arbeit in Ecuador berichten.
Hintergrund: Im SOS-Kinderdorf in Las Esmeraldas werden in den sogenannten "Salitas" 65 Kinder von drei Monaten bis fünf Jahren jeden Tag neun Stunden lang betreut. Carolina unterstützt in der sogenannten „Salita“, in der neun Säuglinge von drei bis zwölf Monaten, betreut werden, eine Kraft, die die die Arbeit sonst alleine bewältigen müsste. Inzwischen geht sie souveräner mit der fordernden Arbeit um: "Dass etwa drei von den neun Babys gerade essen, drei spielen, eins kuscheln, eins laufen lernen und eins an mir herumklettern will", erzählt sie.
Autor:Marjana Križnik aus Düsseldorf |
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