Kriegserlebnis 1870/71 meines Urgroßvaters, Mütterlicherseits

Erstürmung der Spicherer Höhen

Landwirt Johann Tönnis aus Rayen, geb. am 21. Juli 1848 in Rayen berichtete:
Von der Garnison Düsseldorf, wo ich bei den 39ern diente, fuhr unser Regiment mit der Eisenbahn nach Stolberg. Von hier aus marschierten wir durch die Eifel nach Trier und dann auf Saarbrücken zu. Am 5. August, einem Ruhetage, musste ich einen Spion, der nachts von der Feldwache einefangen war, nach Lebach zum general bringen. Am 6. August ging´s nach anstrengendem Marsche durch Saarbrücken den Spicherer Höhen zu. In Schützenstellung ging die 5. Kompagnie links ab, um den Feind in der Flanke zu fassen. Obwohl wir beschossen wurden, ging´s ohne Schuss den Berg hinan, bis wir oben festen Fuß hatten und wirksamer feuern konnten. Da der Feind starken Zuwachs erhielt, wurden wir umzingelt und mussten gegen zwei Fronten kämpfen. Hierbei erhielt ich einen Schuss in die linke Brust, bald darauf einen zweiten in die linke Hüfte. Da wir leider zurückweichen mussten und ich nicht mehr laufen konnte, musste ich mich hinlegen. Nun erhielt ich einen dritten Schuss, welcher am Steißbein eindrang. Noch jetzt sitzt die Kugel im Becken am oberen Lendenwirbel. Der Feind überholte mich und einige feindliche Soldaten hoben mich auf und untersuchten mich, um festzustellen, wo ich getroffen wäre. Später mussten sie aber vor den Unsrigen wieder zurückweichen. Abends wurde ich zum Verbandsplatz und am anderen Tage zur neuen Schule in St. Johann gebracht, da Saarbrücken schon voll von Verwundeten war. Hier wurde am 8. August die Kugel aus der linken Hüfte entfernt. Der Arzt hat sie leider selbst behalten. Nach einigen Tagen kam ich mit einem Transport gefangener Franzosen, welche nach Koblenz gebracht wurden, nach Kreuznach ins Lazarett. Später siedelte ich zum Lazarett Geldern über und kam nach meiner Wiederherstellung von da zum Ersatzbataillon nach Wesel. Daselbst wurde ich für invalide erklärt und bis zur Entlassung beurlaubt.
1869 Inf.-Regiment 39; Gefreiter; 1870 Spichern; ausgezeichnet mit: LD = Landwehrdienstauszeichnung; D 70 = Kriegsdenkmünze; EM = Kaiser-Wilhelm-Erinnerungs-Medaille.
Aufgezeichnet 1912 zum Abdruck in Unsere Veteranen des Kreis-Kriegervereins Moers, herausgegeben zum 25 jährigen Bestehen durch den 1. Vorsitzenden Herrn Bergwerksdirektor in Homberg - August Siedenberg - im Jahr 1915

Autor:

Fritz van Rechtern aus Neukirchen-Vluyn

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