Drei Frauen und ein Baby
Eine Geschichte aus dem Leben (Name verändert)
So eine günstige Gelegenheit! Die junge Mutter hat Besuch von gleich drei jungen Frauen aus dem Verwandtschafts- und Freundeskreis. Der Nachwuchs, Klein-Inge, wird glühend bewundert und gewürdigt.
„Ich hätte da was Wichtiges zu besorgen, würdet ihr auf Ingelein aufpassen? Ihr seid ja zu dritt und ich mach‘ euch auch ein Fläschchen fertig.“ „Klar doch, machen wir glatt“, tönt der Frauenchor zurück. Gesagt, getan, Milch abpumpen, Fläschchen füllen („die Windeln liegen da links unten!“) und tschüss!
Ingelein fühlt sich im Frauenkreis sehr wohl und lässt sich mit sichtlichem Behagen von allen dreien betüddeln. Aber nach etwa einer Stunde wird sie etwas knötterig. Diagnose: Hunger! Nun, nichts Leichteres als das. Fläschchen wärmen, Schnuller in die Schnüss, und gut is! Ja, denkste! Rabääää, tönt es unüberhörbar, denn Ingelein hat eine überaus kräftige Stimme!
„Na, vielleicht liegt’s an mir? Ich reich‘ dich mal weiter.“ Rabääää! Rabäää! Nach dem ersten Umlauf ist Klein-Inges Kopf puterrot angelaufen. Aber sie will partout nichts trinken, Die Lautstärke ihres Protests erreicht das Klangvolumen einer Feuerwehrsirene. „Ob vielleicht die Windel …?“ Also auswickeln – nichts – einwickeln. Rabääää! Auf die stereotype Frage „Ja, was hat denn das liebe Ingelein?“ folgt nur die ebenso stereotype Antwort: Rabäää!
Bäuchlein massieren, auf dem Arm schuckeln, weh, mich packt Verzweiflung! Mutig wird Klein-Inge in den Kinderwagen verfrachtet und siehe da, Ruhe kehrt ein und Inge schläft ein Stückchen. Aber wirklich nur ein Stückchen, denn dann ertönt das Sirenengeheul von neuem.
Das wieder aufgewärmte Fläschchen bleibt abermals ungenutzt, Klein-Inge verweigert konsequent die Nahrungsaufnahme und brüllt stattdessen. Die Nachbarn werden bestimmt schon misstrauisch. Nochmal wickeln – vielleicht eine Schere vergessen? – Nein, das ist es auch nicht!
Endlich geht die Eingangstür auf und die junge Mutter findet drei völlig entnervte Frauen und ein kreischendes Baby im Wohnzimmer vor. Bevor noch die drei etwas stammeln können, eilt der prüfende Blick der Mutter von dem Vierer-Ensemble zum Tisch, auf dem das volle Fläschchen steht.
„Ja, habt ihr denn die Verschlusskappe unter dem Sauger nicht aufgemacht?“ ist ihre entsetzte Frage.
Betretenes Schweigen schlägt ihr entgegen und nach einer Viertelstunde liegt Klein-Inge satt und zufrieden in ihrem Bettchen.
Foto und Text: © Volker H. Glücks, geb. Heintz / 06.05.2013
Autor:Volker H. Glücks aus Neukirchen-Vluyn |
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