Die spektakuläre Dampfzug-Rückfahrt - Teil V.
Rund 750 Fahrgäste bevölkerten mit ihren Regenschirmen den viel zu kleinen Bahnhof in Cochem. Es gab auch keine Lautsprecherdurchsage zur allgemeinen Information. Wohl versuchte ein Zugbegleiter einige Fahrgäste zu informieren. Doch die Stimmung, zumal auch mitfahrende Kinder quängelten, sank mit dem fallenden Regen und der tiefliegenden Wolken im Moseltal. Plötzlich regte sich etwas an der Lok, der fast schwarze Rauch, der so ab und zu aus dem Rauchrohr entwich, ging ins Weiß über und siehe da, das 2 Meter im Durchmesser zählende Haupträderwerk drehte sich und der Zug konnte nun Rückwärtsfahrend das Nebengleis über eine Weiche verlassen und so dann vorwärts auf´s richtige Abfahrtsgleis fahren. Die 750 zum Teil ziemlich durchnässten Fahrgäste stürmten nun die ausgewiesenen Abteile und die Crew auf der guten alten Lok 011533 setzte alles daran, die verlorene Zeit wieder aufzuholen. Indess versorgten sich einige Fahrgäste im Restaurationswagen mit Getränken und leckerer Würstchen mit Brot. Auf der Hinfahrt konnte man sich in dem Versorgungswagen schon mit belegten Brötchen, Kaffee oder auch mit alkoholfreien und Umdrehungshaltigen Getränken zu zivilen Preisen versorgen. Einer Durchsage zufolge war bereits auf der Hinfahrt das Prickelwasser (Piccolöchen) ausgegangen und es mussten in Cochem sogar Taxifahrer die umliegenden Anbieter von diesen kleinen Fläschchen bezahlender Weise befreien. Die weitere Info bestand in einer Entschuldigung zur verzögerten Abfahrt. Es kam im eingleisigen Cochemer Tunnel zu einem Güterzugstillstand, der in beiden Richtungen auf eine geraume Zeit jeglichen Bahnverkehr zum Erliegen brachte und auf andere Gleise umleitete. Ein weiteres unvorhergesehenes Ereignis war die Wasserversorgung des Zuges für die Rückfahrt. So gut wie es mit der Kohleaufnahme in Cochem von ca. 8 Tonnen klappte, es stand dort ein LKW mit Greifer bereit, der diese Tenderbeladung vornahm, und auch die Wasserversorgung in Goch am Abfahrtsbahnhof durch die Freiwillige Feuerwehr Goch gut funktionierte, so war in Cochem zunächst kein Wasser in unmittelbarer Nähe zu bekommen. Obwohl im Vorfeld alles genehmigt und gut vorbereitet war, auch die Bahneigene Wasserversorgungsstelle mit einem 100er Hydrant sehr schön hergerichtet war, kam dort nicht ein Tropfen heraus. Jetzt blieb nur noch der Wasserspezialist vor Ort, die Freiwillige Feuerwehr Cochem mit ihrem Know how, doch - Fehlanzeige! Die gesamte Feuerwehr Cochem war bis 18 Uhr zu einem Seminar und somit nicht präsent. Selbst der örtliche Bauhof wurde aktiviert und im Bahnhofskeller eine wasserlose Entnahmestelle aufgesucht. Jetzt gab es noch eine Möglichkeit von einer etwas weiter gelegenen Wasserversorgung über B-Schäuche (die zum Bestand des Zuges gehören) das nötige Nass zu bekommen. Immerhin lag der Wasserverbrauch auf der Hinfahrt bei ca.150000 Liter, da nützt auch keine noch so umfangreiche Personenentwässerung. Trotz allem stand der Zug unter Mithilfe der fast 30 Dampfzuginvolvierten "MitarbeiterInnen" gegen 15 Uhr schon zur Abfahrt bereit. Nur da waren noch keine Fahrgäste zugegen und der Zug dampfte auf dem zugewiesenen Nebengleis vor sich hin. So war für die Lokbesatzung noch genug Zeit um für´s leibliche Eigenwohl zu sorgen und den Grill anzufeuern. Die weitere Fahrt war nun sehr schön, trotz Regen, an den Moselhängen vorbei und bis Köln-West lief alles super, im Versorgungswagen wurde musikalisch über einen DJ den Tanzwilligen gut eingeheizt. Unterwegs wurden weiterhin Fotos geschossen und auch unter den Mitfahrenden neue Bekanntschaften geschlossen. Bis Köln - West ! Dort war zunächst "Warten " angesagt. Nach ca. 10 Minuten kam die Durchsage, dass die Strecke Richtung Dormagen und Neuß bis auf unbestimmte Zeit gesperrt sei. Schnell musste ein neuer Streckenverlauf beantragt und genehmigt werden damit die erneut verlorene Zeit auch reingeholt werden konnte. Dem war jedoch nicht so. Die Dormagener und Kölner Fahrgäste sollten uns im Hbf Köln verlassen und ihren Nachhauseweg nun selbst zu meistern. So solten wir dann weiter über den Hauptbahnhof in Köln, Düsseldorf, Duisburg- Wedau, Rheinhausen und Krefeld auf der Güterzugstrecke fahren. Hier kam den Dampferzeugern und Lokführer der Gedanke an ein berühmt-berüchtigtes Gleis, das sogenannte Schlundgleis. Hier blieben wohl zu Dampflokzeiten sehr oft Züge stecken, weil es unter die anderen Gleise drunterher führt und im großen Rechtsbogen ansteigend auf das Niveau der anderen Gleise führt. Genau dieses Schlundgleis mussten wir nun befahren. In der heutigen Zeit stellt es den 10.000 PS starken E-Loks kein großes Problem mehr da. Außerdem wird nach Möglichkeit dieses enge und steigungsreiche Gleis nicht mehr so häufig
befahren. Der 1. Anlauf misslang genau an der stärksten Steigung auf der Strecke an einem auf Rot stehenden Signal, hier ist ein Anfahren gänzlich unmöglich mit einem 650 Tonnen-Gefährt. Also, langsam wieder Rückwärtsrollend, Anlaufnehmend nach dem Grünsignal, reichlich Dampfumspülte so manche feinschnuppernde Nase, andere empfanden es als nostalgisches Beiwerk, jetzt Volldampf voraus und oben fast angekommen, gab es eine Zwangsbremsung, die den gesamten Tross erneut stehen ließ. Die gleiche Prozedur nun zum 3. Mal und diese wurde dann auch vom Erfolg gekrönt. In der Zwischenzeit füllte sich der Hauptbahnhof Köln mit reichlich Schaulustigen und Fotografen, die dieses Erlebnis, mit Winken und Klatschen würdigten. Wann gab es das schon mal, das liegt Jahrzehnte zurück. Der Dom war uns zum Greifen nahe und auch an der Hohenzollernbrücke hätten wir noch ein Liebes-Schloss hinzufügen können. Für Fotos vom Dom war es schon ziemlich dunkel, jedoch habe ich trotzdem welche eingestellt. Die Heimfahrt ging nun über Düsseldorf weiter auf dem Güterzuggleis nach Duisburg-Wedau. Hier merkten wir nun den Unterschied zwischen einer ruhigen Gleisbeschaffenheit und das Hin und Hergeklappere der Güterstrecke. Nun stand der Weiterfahrt an den schon zur Nachtruhe übergegangenen Niederrhein nichts mehr im Wege. Wir passierten die Rheinhausener Brücke, fuhren am BAYER-Kreuz in Uerdingen vorbei, ließen die Krefelder Mitreisenden aussteigen, desgleichen auch die in Kempen zugestiegenen Gäste und meine Gattin und ich verabschiedeten uns von den anderen Abteilpassagieren und bewegten uns in Richtung Zugmitte zum Versorgungswagen. Hier waren noch die letzten Tanzfreunde anzutreffen und manch leichtwankender Fahrgast begab sich Richtung Ausstieg. Die Gleise von Krefeld bis Geldern ließen zur fortgeschrittenen
Stunde schon manche Reisende mit den Augenlidern klimpern. Unterwegs auf der gesamten Strecke wurden wir immer über die besonderen Vorkommnisse und auch den Spielstand der Fußball-WM-Ergebnisse unterrichtet und vor dem Ausstieg herzlich verabschiedet mit Entschuldigung der so mancher nicht voraussehbaren Beeinträchtigung, die nicht dem Veranstalter anzulasten ist. So ging mit etwa 2 Stunden Verspätung, es war mittlerweile bereits 1 Uhr durch, eine höchst abenteuerliche Reise zu Ende. Es hat uns sehr viel Freude bereitet und wir werden diesen 35. Hochzeitstag so schnell nicht vergessen, zumal es damals auch sehr nass von oben herunter kam.
Herzlichen Dank an alle Leute, die dieses Erlebnis planten, durchführten und uns alle wieder sicher heim brachten. Dank an die Arbeitsgemeinschaft Westfalendampf und an die Ulmer Eisenbahnfreunde
Autor:Fritz van Rechtern aus Neukirchen-Vluyn |
13 Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.