Geschenke für die (nicht) vergessene Generation
Ein Wunschbaum für Senioren in Menden
In Menden ist es, wie auch schon in einigen anderen Städten, zu Weihnachten Usus, einen Wunschbaum aufzustellen. Doch dieses Jahr steht er nicht nur für Kinder hier: Auch ein Wunschbaum für Senioren wurde aufgestellt.
Als Kind war es kein Problem mit den Geschenken für die Oma oder den Opa - die Frage "Was schenke ich?" stellte sich uns bastelbegeisterten Kindern einfach nicht. Das diese kleinen Mitbringsel für die Beschenkten oft einen ganz anderen Stellenwert hatten als man sich dies als Kind vorgestellt hat, erfuhr man allerdings teils erst Jahrzehnte später, als man bei der Wohnungsauflösung auf die einst erstellten Gaben im Regal oder im Schuhkarton stieß. Als man älter wurde, stellte man fest: Oma/Opa haben schon alles und die Suche nach dem passenden Geschenk wurde immer schwieriger. Die Fragen wurden familienintern geklärt, denn irgendwie bekam man über das Jahr immer mit, was noch oder wieder gebraucht wurde.
Nun ist wieder Weihnachtszeit. Jeder sucht für seine Lieben noch die Geschenke zusammen. Gut dran ist, wer zum Geschenke-Kauf noch das Geld hat und noch besser dran sind diejenigen, die sich noch über Familienbesuch (nicht nur während Corona-Beschränkungen) freuen darf. Für die Kinder aus Familien, in denen es sozial nicht so gut bestellt ist, sind vielerorts, wie auch in Menden, schon seit einigen Jahren Kinderwunschbäume aufgestellt. Doch gibt es ja nicht nur Kinder, deren Eltern ihnen den Weihnachtswunsch nicht erfüllen können sondern auch die ältere Generation, unsere Senioren, die oftmals nicht wissen wie sie über die Runden kommen sollen. Manchmal fern von den Familienangehörigen, so denn sie noch welche haben, fristet diese Generation ihren letzten Lebensabschnitt, fast schon unbemerkt und vergessen, in Alten- und Pflegeheimen. Ausgestattet mit einem kleinen Taschengeld, welches manchmal nicht mehr als 120 Euro im Monat beträgt - und davon wird dann der Frisör, die Zuzahlung für die Medikamente oder auch die notwendige Fußpflege bezahlt. Oder sie wohnen noch daheim - als Bezieher von Wohngeld oder Grundsicherung. Auch damit sind keine großen Sprünge, geschweige denn besondere Weihnachtsgeschenke, möglich.
Unerwartet hohe Resonanz deutschlandweit
Der Mendener Olaf Jäger hat nun mit einer bisher einzigartigen Aktion auf diese Menschen aufmerksam gemacht und damit eine unerwartet hohe Resonanz erzielt. Gemeinsam mit den Vereinen "Mendener in Not" sowie "Menden hilft" sind sie an die Stadtverwaltung heran getreten. Damit der Datenschutz und die Privatsphäre gewahrt werden konnten, half diese aus, indem sie die von Olaf Jäger und Mendener-in-Not erstellten Anschreiben mit in die Briefe zur Grundsicherung und zum Wohngeld beilegen konnte. "Für dieses Jahr haben wir die Menschen im Rentenalter und ab 60 Jahren ausgewählt", so Olaf Jäger. "Aber das machen wir im nächsten Jahr anders - die Grenze bleibt ab 60, aber es gibt Wohngeld-/Grundsicherungsbezieher die noch NICHT berentet sind. Diese Menschen sind nicht bei der Stadt registriert, sondern laufen über die ARGE und sind somit vom Märkischen Kreis erfasst. Daher wollen wir nächstes Jahr diese Gruppe mit einbeziehen. Unterstützt wurden wir dabei von Oliver Leichinger", freut sich Jäger zudem über den Inhaber einer Mendener Medienfirma, welcher sich sofort unentgeltlich um den Entwurf und Druck der Plakate und der Briefumschläge kümmerte. Neben diesen Anschreiben in den von der Stadt Menden versandten Briefe, wurden auch in den Alten- und Pflegeeinrichtungen sowie in Mendener Einzelhandelsgeschäften Plakate ausgehängt um möglichst viele Senioren zu erreichen. "Wir haben das dann auch mal in den sozialen Medien geteilt und gehofft, dass sich überhaupt jemand meldet," so Olaf Jäger weiter. "Einige meinten, die Senioren seien zu schüchtern oder zu stolz zuzugeben, dass sie Bedarf hätten oder einen Wunsch. Doch dann nahm das Ganze Fahrt auf." Der Aufruf wurde geteilt, sogar das TV berichtete in seiner Lokalzeit über die Aktion. Dieser Bericht wiederum wurde so oft aufgerufen, dass Jäger mittlerweile Anfragen aus vielen Städten deutschlandweit und sogar aus dem Ausland erhält. Die Idee, nicht nur an die Kinder, sondern auch an unsere Senioren zu denken, ist für viele Städte und Gemeinden nachahmenswert.
"Ein Pullover, Hauptsache warm!"
Aber zurück zu Menden: Mittlerweile sind mehr als 400 Wünsche eingegangen und "Jeder Wunsch wird erfüllt!". "Dabei ist das Berührendste dabei", so Jäger weiter, "was sich diese Menschen wünschen!" Was für jeden selbstverständlich sei wie ein Pullover ("Welche Farbe?" "Egal, Hauptsache warm!"), eine Hose oder ein paar Socken, CD´s, zwei Tassen - das steht auf den Wunschzetteln.
"Teilweise musste ich sogar googeln", schmunzelte Veronika Czerwinski von Mendener-in-Not. "Dabei stellte sich dann heraus, dass sich der Senior oder die Seniorin ein Weihnachtsgeschenk nicht für sich sondern wohl für das Enkelkind gewünscht hat." Auch das wird zur Selbstverständlichkeit für das Team.
Eine Mutter kommt mit ihrer Tochter zu dem Seniorenwunschbaum, welcher seinen Platz in diesem Jahr im Möbeloutletcenter gefunden hat.
Ein Foto von sich möchten sie nicht machen lassen, aber sie freuen sich, dass sie einer Seniorin eine Freude machen dürfen. "Auf den Wunschzetteln stehen nur die Vornamen, damit man weiß, ob es ein Mann oder eine Frau ist, und eine Nummer. Mit dieser Nummer können wir nachher die Geschenke beim Sortieren für die Verteilaktion dann den jeweiligen Bereichen und Personen zuordnen", so Jäger weiter. Die Pflegeheime lassen die Präsente abholen. An die Einzelpersonen werden heute mindestens 15 Teams die Geschenke verteilen. Erneut hat sich das Fernsehen angekündigt und möchte live darüber berichten. Ob sie bei einer Übergabe filmen dürfen? Nein, das nicht, aber das Team wird mit seiner Freude am Geschenke sortieren und verteilen zu sehen sein. "Und wenn mir noch Fahrer fehlen sollten", so zeigt sich Jäger zuversichtlich, "springen ruckzuck ein paar Mendener noch ein. Da sind sie alle ganz groß im Helfen - das haben wir hier schon ein paar Mal erlebt!"
Alleine was an Geschenken zusammen gekommen ist, verschlägt ihm immer noch die Sprache und lässt ihm die Augen feucht werden. "Da wird sich ein paar Socken gewünscht und dann kommen gleich Süßigkeiten oder ein ganzer Schwung Badaccessoires mit dazu", zeigt er sich gerührt. Selber lässt er es sich aber auch nicht nehmen, persönlich einer betagten 92-jährigen zu ihrer gewünschten, notwendigen Hose zu verhelfen: "Wir werden gemeinsam in das von ihr ausgesuchte Modegeschäft gehen und die Hose erwerben", freut er sich bereits auf die strahlenden Augen. "Die Freude über die Freude der Beschenkten ist eigentlich das Größte" sind die Initiatoren einhelliger Meinung.
"Eigentlich hatten wir auch hier gesagt (genau wie beim Kinderwunschbaum), die Obergrenze sollte 30 Euro nicht übersteigen", so Czerwinski weiter, "aber da hält sich keiner dran!" Doch nicht nur für sich oder ihre Enkelkinder haben die Senioren Wünsche auf den Zettel geschrieben. Oftmals sind für einsame Menschen ihre Haustiere ihre letzten lebenden Familienmitglieder. Und wenn die Tiere krank werden, kann eine Arztrechnung auch mal den finanziellen Rahmen sprengen, der diesen Menschen zur Verfügung steht. Also steht "Tierarztbesuch" oder "Tierarztrechnung" auf dem Wunschzettel. "Aber auch hierfür haben wir mittlerweile eine Lösung gefunden", freut sich Jäger, der einige Mendener Tierärzte dazu animieren konnte, für diese Fälle bereits einzuspringen oder in Bereitschaft zu stehen.
"Das Gute muss in der Welt bleiben"
Bevor es los geht zur Verteilerrunde schmunzelt Jäger noch: "Die haben mich in den Medien schon den Robin Hood von Menden genannt, aber ich bin eher Bruder Tuck. Alle Mendener, die Geschenke abgegeben haben, das sind Robin Hoods. Wir können die Welt nicht retten, aber wir können sie zumindest etwas besser machen. Das Gute muss einfach in der Welt bleiben!" Und damit es noch mehr mitbekommen: Die Verteilaktion wird am heutigen Montag in der Aktuellen Stunde zu sehen sein, und am morgigen Dienstag ist Olaf Jäger live in der Aktuellen Stunde im WDR zu Gast.
Autor:Karolin Rath-Afting aus Menden (Sauerland) |
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