Veruntreuungsfall in der Stadtverwaltung Langenfeld - Stellungnahme von Bürgermeister Frank Schneider
Folgende Stellungnahme von Bürgermeister Frank Schneider umfasst eine Darlegung des Falls nach den bislang vorliegenden Informationen, eine Erläuterung der aktuellen Vergabepraxis in der Stadtverwaltung, in deren Rahmen die Veruntreuung vorgefallen ist, sowie erste Schlussfolgerungen und Konsequenzen – vor allem in Bezug auf die Ergänzung der bestehenden Kontrollmechanismen:
„Nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch bei allen, die in der Stadtverwaltung Langenfeld Verantwortung tragen und sich tagtäglich ehrlich, aufrichtig und leistungsbereit für die Menschen unserer Stadt einsetzen, stellt sich die Frage, wie es zu einem solchen, jetzt bekannt gewordenen Veruntreuungsfall in der Stadtverwaltung Langenfeld kommen konnte.
Zum Sachverhalt
Interne Routineüberprüfungen haben den Verdacht ergeben, dass eine städtische Kraft öffentliche Gelder veruntreut hat. Die als sehr engagiert, anerkannt und kompetent geltende Kraft hat offenbar über annähernd 20 Jahre das bestehende Kontrollsystem umgangen, um bei Instandhaltungsmaßnahmen bei der Gebäudeunterhaltung Gelder zu veruntreuen.
Rechnungen mit den Briefköpfen mehrerer nicht existierender Unternehmen
Die Person erstellte Rechnungen mit den Briefköpfen mehrerer nicht existierender Unternehmen über nicht erbrachte Leistungen. Die einzelnen Rechnungsbeträge im zumeist dreistelligen bis kleinen vierstelligen Bereich wurden dabei auf Konten der Scheinfirmen überwiesen. Nach unseren heutigen Kenntnissen ist so insgesamt ein Schaden von rund 1,9 Millionen Euro bei der Stadtverwaltung und bei der Stadtentwicklungsgesellschaft entstanden.
Keine der ‚Luftbuchungen‘ zu Lasten der Bürger
Keine der ‚Luftbuchungen‘ hat sich zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger gebührenrelevant ausgewirkt. Die Stadt hat sich mit sofortiger Wirkung von der besagten Person getrennt und Strafanzeige erstattet. Die Person hat die Vorwürfe sowohl gegenüber der Stadt, als auch der Staatsanwaltschaft eingeräumt. Die Stadt hat über ihre beauftragten Rechtsanwälte sofortige Sicherungsmaßnahmen in das Vermögen der betreffenden Person ergriffen. Die betroffene Person ist um Schadenswiedergutmachung bemüht, so dass eine teilweise Rückzahlung der veruntreuten Haushaltsmittel möglich erscheint.
Nach bisherigem Erkenntnisstand handelte nur eine Person
Nach bisherigem Erkenntnisstand handelte die Person allein. Die aktuelle Praxis der Auftragsvergabe: Effektives Arbeiten durch Vertrauen. Eine Vergabe beziehungsweise eine Ausschreibung über einen öffentlichen Auftrag ist mit einer Fülle von administrativen Arbeitsschritten verbunden, die zahlreichen Vergaberegeln unterliegt.
Vergabe-Grenzen für das laufende Tagesgeschäft
Zudem nimmt eine Ausschreibung aufgrund der vorgegebenen Fristen Zeit in Anspruch.
Aus diesem Grund gibt es für das laufende Tagesgeschäft Vergabe-Grenzen, unterhalb derer Kleinaufträge frei und mit einem weniger komplexen und zeitaufwändigen Vergabeverfahren erteilt werden können. Dies geschieht vor allem im Tagesgeschäft der Instandhaltung von städtischen Anlagen, Gebäuden o.ä. In Langenfeld liegt der Schwellenwert für diese frei zu vergebenden Aufträge bei derzeit 1.200 Euro (bis Mitte Juli 2017 bei 3.000 Euro). Der von der Stadtverwaltung Langenfeld festgelegte Wert von 1.200 Euro fußt auf Erfahrungen und internen Feststellungen, was ein effektives Arbeiten im Tagesgeschäft angeht.
- Ein Beispiel:
Wird für eine beschädigte Tür in einer Schultoilette Ersatz benötigt, schlägt dies mit einem beispielhaften Materialwert von 300 Euro zuzüglich Installations- und Reparaturkosten von z.B. 150 Euro zu Buche. Würde für diesen Auftrag eine formelle Vergabe in Gang gesetzt werden, könnten der Personalaufwand und die damit verbundenen Kosten annähernd so hoch werden wie die gesamte Auftragssumme. Außerdem würde es leicht mehrere Wochen dauern, bis die Tür repariert werden kann. Hinzu kommt der Umstand, dass auch die sich bewerbenden Unternehmen kaum Interesse hätten, sich für diesen Auftragswert an einem entsprechenden Vergabeverfahren zu beteiligen, da auch auf ihrer Seite der bürokratische Aufwand die Auftragssumme fast erreichen und den Gewinn sogar überschreiten würde. In Anbetracht der Vielzahl der mit dem Beispiel beschriebenen anfallenden Kleinaufträge, die bei der Gebäudeunterhaltung abzuwickeln sind, bedarf es bei dieser Arbeitsweise eines erheblichen Vertrauensvorschusses.Gleichwohl gibt es auch bei diesen Verfahren eindeutige Regeln und Kontrollmechanismen wie zum Beispiel Stichprobenkontrollen, Vier-Augen-Prinzip bei der Unterzeichnung der Auszahlungsanordnungen sowie ein elektronisches Firmenverzeichnis geprüfter Vertragspartner.
Kontrollmechanismen umgangen
Die Taten blieben über längere Zeit unentdeckt, insbesondere da die Person Kontrollmechanismen, die sie aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit für die Stadt kannte, umging und das Vertrauen ihrer Vorgesetzten und Kollegen missbrauchte.
Zunächst hatte die Person offenbar nur Scheinrechnungen mit dem Briefkopf einer Firma erstellt; im Laufe der Zeit kamen zwei Scheinfirmen hinzu.
Nur plausible Kleinaufträge
Dabei achtete die Person wohl darauf, nur plausible Kleinaufträge, wie sie vielfach auch in der Realität anfallen, abzurechnen. Durch die Verteilung auf viele verschiedene Gebäude und verschiedene zeichnungsberechtigte Personen fielen die in sich plausiblen Einzelzahlungen nicht auf.
Fälschung von Unterschriften
Es besteht zudem noch der Verdacht, dass die Absicherung der Buchungen durch das Vier-Augen-Prinzip auch durch die Fälschung von Unterschriften bewusst umgangen wurde. Dieser Verdacht wird nun geprüft.
Maxime: Kontrollnetz wird noch engmaschiger
Kontrollnetz wird noch engmaschiger – Vertrauen bleibt unsere Maxime
Wir alle nehmen den aktuellen Vorfall sehr ernst. Zusätzlich zur Strafverfolgung der beschuldigten Person sehe ich mich als Bürgermeister selbstverständlich in der Pflicht, das bisherige Kontrollsystem auf den Prüfstand zu stellen.
Krimineller Energie
Offensichtlich haben die bestehenden Kontrollmechanismen das jetzt festgestellte kriminelle Verhalten besagter Person lange Zeit nicht erfasst. Fest steht für mich dabei auch, dass diese Person das bestehende Vertrauensverhältnis zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf allen Ebenen innerhalb der Verwaltung mit hoher krimineller Energie ausgenutzt hat.
Notwendigen Konsequenzen
Wir werden aus dem Vorfall die notwendigen Konsequenzen ziehen. Klar ist aber auch: Die Grundlage für eine effektive und effiziente Verwaltungsarbeit ist das Vertrauen in die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und das gegenseitige Vertrauen untereinander.
Dies darf nicht durch das Fehlverhalten eines Einzelnen erschüttert werden. Deshalb werden wir uns bei den zu ziehenden Konsequenzen an die Maßgaben halten: So viel Kontrolle wie nötig und sinnvoll, soviel gegenseitiges Vertrauen wie möglich.
Zur weiteren Verbesserung der bestehenden Kontrollmechanismen werden folgende erste Maßnahmen sofort auf den Weg gebracht:
- Verbesserung der Dokumentationspflicht.
- In das neue elektronische Vergabeverfahren werden über die bestehende gesetzliche Verpflichtung hinaus auch die Auftragsvergaben unterhalb des Schwellenwertes dokumentiert.
- Die Plausibilitätsprüfung der Firmendaten wird mit dem Buchungssystem der Stadtkasse verknüpft.
- Die bestehenden Firmendatenbanken werden noch engmaschiger kontrolliert.
- Eine referatsinterne Mitarbeiter-Rotation soll dort umgesetzt werden, wo es fachlich sinnvoll ist.
- Die Stichprobenkontrollen werden intensiviert.
- Hinzuziehung externer Beratung zur Optimierung von Kontrollmechanismen und Prozessen in der gesamten Stadtverwaltung.
Absolute Kontrolle und damit absolute Sicherheit wird es in keinem Unternehmen und in keiner Verwaltung geben, die effektiv arbeiten will und muss. Keine Regelung kann und soll das vertrauensvolle Arbeitsverhältnis als Garant für korrekte Prozesse ersetzen.
Deshalb müssen wir nach innen wie nach außen konsequent dafür Sorge tragen, dass einzelne Vorfälle – wie diese mit hoher individueller krimineller Energie durchgeführte Veruntreuung – nicht zu einem Generalverdacht oder gar einer Generalverurteilung der Institution und ihrer Belegschaft führen.
Stärke und die Kraft des Vertrauens
Wir als Stadtverwaltung möchten weiterhin auf die Stärke und die Kraft des Vertrauens setzen. Und wir bitten auch die Langenfelder Bürgerinnen und Bürger sowie unsere Unternehmen, die wir gemeinsam als Gesellschafter unserer Stadt ansehen, uns als schlagkräftigem und kompetentem Team weiterhin das Vertrauen zu schenken. Die Verfehlungen Einzelner dürfen nicht die Leistungsbereitschaft und -fähigkeit unseres gesamten Teams schmälern oder in Frage stellen. Über weitergehende Erkenntnisse werden wir an dieser Stelle informieren.“
Autor:Lokalkompass Langenfeld aus Langenfeld (Rheinland) |
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