Ein „gemeinsames Haus“ gegen Egomanie und Vereinzelung
(jg) Vor einem fast ausverkauften Forum Leverkusen sprach die heutige Professorin an der Universität Bochum und frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, anlässlich einer Mitgliederversammlung der Volksbank Rhein Wupper zum Thema: „Christliche Werte in unserer Gesellschaft“. Menschenwürde, Vertrauen und Respekt gegenüber dem anderen lassen sich nach Käßmann wie für das frühe Christentum auch heute noch als zentrale Werte für das menschliche Zusammenleben identifizieren. Die Botschaft der zehn Gebote wie Respekt gegenüber den anderen, Wertschätzung den Alten gegenüber, der gesellschaftliche Zusammenhalt, die Bewahrung von Vertrauen, die Vermeidung von Schmerz und Kummer durch Töten, Stehlen, Verleumdung sowie Habgier in Bezug auf fremdes Eigentum und fremde partnerschaftliche Verhältnisse entlang der zehn Gebote seien auch heute noch Werte der Orientierung in unserer modernen Gemeinschaft.
Käßmann leitete die Begriffe Ökonomie, Ökologie, Ökumene von dem griechischen Begriff „oikos“ für das „gemeinsame Haus“ ab, in dem jeder ein Teil des Ganzen ist. Es komme darauf an, jedem seinen Platz, seine Rolle und seine Würde in diesem gemeinsamen Haus einzuräumen. Starke und Schwache seien in dieser Leitphilosophie nach ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten einzubinden und zu fördern. Sie bedauerte, dass sich in unserer Wirtschaft eine Spreizung breit gemacht habe. Egomanie, eine Schnäppchenmentalität und eine Spaßgesellschaft hätten Ausgrenzung, Vereinsamung und Vereinzelung zur Folge, die den Zusammenhalt der Gesellschaft gefährdeten. Schon allein die Tatsache, dass es im Lebenszyklus eines Einzelnen schwache und leistungsstarke Phasen gebe, sollte individuelle Wertschätzung zu einem gemeinsamen Band werden lassen. Geiz ist nicht geil, sondern peinlich und unangenehm, nicht die Karnevalisierung unserer Gesellschaft, sondern die individuelle Sinnfrage, und nicht Ablehnung und Vermeidung von Kindern, sondern die Weitergabe von Werten an die nächsten Generationen müssten im Fokus unseres Handelns stehen. Schenken müsse mehr Genugtuung und Erfüllung vermitteln als Nehmen und Fordern.
Mit Blick auf die „sog. Wirtschaft“ oder die „Banken“, die ja keine selbständigen Handlungssubjekte seien, sondern es sind immer Menschen, die entscheiden und ausführen, mahnte Käßmann den Blick auf das Gemeinwohl und Verantwortung an. Unternehmerisches Handeln und Wachstum seien zwar notwendig und wichtig, aber es müsse auch Grenzen des Wachstums und Verantwortung in Bezug auf menschliche und natürliche Ressourcen geben. Zu den notwendigen Antworten auf die Zunahme von Stress- und Burnout-syndromen zählten zweifelsohne auch Ruhe- und Entspannungsphasen, wie sie bislang durch die Sonn- und Feiertagsregelungen vorgegeben waren und sind.
Käßmann sprach sich auch unmissverständlich für die gemeinsame Wertegemeinschaft in Europa aus, die auf jüdisch-christlichen Wurzeln gründe. Freiheit, Gleichheit und Demokratie seien Ausfluss dieser jüdisch-christlichen Wurzeln, auch wenn die Realisierung dieser Prinzipien z.T. lange Zeit in Anspruch nahm. Wir sollten diese Wertegemeinschaft nicht auseinanderdividieren lassen. Die Wortschöpfung des türkischen Präsidenten Erdogan des „Christenclubs“ könne sich zu einem ähnlichen Markenzeichen wie „made in Germany“ entwickeln. Auch wenn der Zeitgeist andere Prioritäten suggeriere, könne die christliche Vision im Hinterkopf stets eine wertvolle Orientierung abbilden.
Der Sprecher des Vorstandes der Volksbank Rhein Wupper, Hans-Jörg Schäfer, dankte Frau Käßmann unter Standing Ovations für ihre überzeugenden Ausführungen. Die Werteanalyse von Frau Käßmann und die genossenschaftliche Philosophie träfen sich in vielen Punkten.
Zuvor hatte der Vorstand der Volksbank gegenüber den Mitgliedern die wirtschaftliche Entwicklung der Bank als nachhaltige und von den Mitgliedern getragene Institution skizziert. Bilanzsumme, Kundengesamtvolumen, Kreditgeschäft, Kundeneinlagen und Zins- und Provisionsergebnis hätten 2012 gegen den Trend und die allgemeine Finanzkrise zugenommen. Personal- und Verwaltungsaufwand konnten durch Rationalisierungen und Optimierungen auf dem Vorjahresniveau stabilisiert werden. Als genossenschaftliche Bank unterliege das Institut einer soliden solidarischen Absicherung. Öffentliche Unterstützungen seien im Verbund daher nicht notwendig. Von daher verböten sich auch eine politische Gleichschaltung aus Berlin oder Brüssel mit anderen Kreditinstitutionen und ungebührliche bürokratische Neuregelungen.
Autor:Ralf Paarmann aus Langenfeld (Rheinland) |
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