Mit dem Tandem können auch blinde Menschen Fahrrad fahren.
ADFC-Piloten machen mit „Blinden“ der „Weißen Speiche“ seit 27 Jahren Ausflüge.
Langenfeld (JoR). Im Lexikon liest man unter dem Stichwort "Tandem": ... Fahrrad mit zwei hintereinander angeordneten Sitzen sowie zwei Tretkurbelpaaren... Ein Tandem ist also ein langes Fahrrad, auf dem zwei Menschen fahren können. Aber nur der, der vorne sitzt, kann lenken, bremsen, die Schaltung betätigen. Der Hintermann, der Sozius, muss also dem Vor-dermann, dem Piloten, blind vertrauen.
Damit sind wir beim Thema: Das Tandem ist das ideale Fahrzeug, mit dem auch Blinde Fahrrad fahren können. Und das machen wir hier in Langenfeld seit etwa 27 Jahren. Die Initiative ging damals aus vom Blinden- und Sehbehindertenverein Rhein-Wupper e.V.. der dazu die Tandemgruppe "Weiße Speiche" gründete. Das Gros der Piloten stellt bis heute der örtliche ADFC. Zu dem, was wir in fast drei Jahrzehnten erlebten, haben sich immer wieder Beteiligte geäußert. Ihre Gedanken zeichnen ein lebendiges Bild davon, was unsere Gruppe ausmacht.
Jo Ruppel, Verfasser dieses Berichtes, gehört zu den ADFC-Piloten. Er ist auch im cSc-Team beim jährlichen inklusiven cSc-Lauf (capp Sport cup) „gemeinsam rollt’s“ als Tandem-Pilot der blinden Sportler dabei und außerdem bei den vielen Veranstaltungen in den Grundschulen, die unter dem Titel „Der ganz normale Tag“ durchgeführt werden, um die Grundschulkinder für Menschen mit Handicap zu sensibilisieren. Außerdem ist Jo Ruppel pädagogischer Leiter vom Basti-Bus, der rollenden Werkstatt für Kinder.
Info: www.gemeinsam-csc.de.
"Warum funktioniert das schon so lange? Ein wichtiger Grund dafür ist: Es macht Spaß! Das gemeinsame Radeln durch die frische Luft und das Klönen im Biergarten oder Café haben einen großen Spaßfaktor." (Jo R.)
"Es fing an mit einer Unsicherheit: Wie geht man mit Blinden um, wie wird man ihnen mit ihren Einschränkungen gerecht, was soll man sagen und was besser nicht? Getroffen habe ich dann Menschen wie du und ich, mit Freude am Leben, mit viel ansteckendem Humor und Le-bensklugheit, mit Freude am Zusammensein und Spaß an der Bewegung. Und dann das "Se-hen": Wie oft hat mich mein Beifahrer während der Fahrt auf Dinge hingewiesen, die gerade am Weg lagen, oder nach der Fahrt Wahrnehmungen kommentiert, an denen ich "blind" vor-beigefahren war. Es gibt also auch andere Formen des Sehens, als man sie mit den Augen ausübt. Da habe ich viel über das Leben und den Umgang damit gelernt. Und ich denke, so ähnlich ist es uns allen gegangen." ( Eckart D. )
„Wie angenehm überrascht war ich, als ich das erste Mal mit einem Blinden fuhr. Sicher spielt auch die größere Erfahrung eine Rolle. Doch wichtiger scheint mir, dass ein blinder Mitfahrer erst gar nicht in die Versuchung kommt, sich zu früh in die Kurve zu legen und damit das Tan-dem aus dem Gleichgewicht zu bringen. Dadurch wird der Genuss des Tandemfahrens durch einen sehbehinderten Mitradler deutlich vergrößert." ( Christoph B. )
"Bei unseren blinden Freunden sind alle anderen Sinne stärker ausgeprägt als bei uns. Als wir einmal im Frühling durch den Wald fuhren, stoppte plötzlich ein Tandem vor mir. Der Pilot führte die Hand seines Mitfahrers zu einem Strauch mit aufgehenden Knospen, um ihm das Kommen des Frühlings zu zeigen. So lernten auch wir, Dinge zu sehen, die wir vorher als selbstverständlich hingenommen hatten." (Herbert J.) "Für mich ist das Tandem ein wichtiges Verkehrsmittel geworden. Da ich den ganzen Tag im Büro sitze, ist das Tandemfahren ein guter Bewegungsausgleich." (Susanne W., blinde Sozia)
„Viele Sehende haben Hemmungen, mit Blinden umzugehen; sie wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen. Wir können dazu nur sagen: ganz normal! Denn Blinde sind normale Menschen, die fast alles können, was man im Alltag so braucht. Weil es mit dem Sehen nicht so klappt, sind sie manchmal ein bisschen auf Hilfe angewiesen und deshalb dankbare Menschen.
Autor:Jürgen Steinbrücker aus Langenfeld (Rheinland) |
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