"Die Hinrichtung siegt" - Der genagelte Schädel fasziniert

Preisverleihung im Stadtmuseum: Peter Hor, 2. Gewinner, WA-Redakteur Stefan Pollmanns, Gewinnerin Susanne Korbel, Museumschefin Dr. Hella-Sabrina Lange und der Vorsitzende des Fördervereins Stadtmuseum, Manfred Stuckmann (von links). Foto: Michael de Clerque
  • Preisverleihung im Stadtmuseum: Peter Hor, 2. Gewinner, WA-Redakteur Stefan Pollmanns, Gewinnerin Susanne Korbel, Museumschefin Dr. Hella-Sabrina Lange und der Vorsitzende des Fördervereins Stadtmuseum, Manfred Stuckmann (von links). Foto: Michael de Clerque
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Das ungeklärte Schicksal jener knapp 30jährigen Frau, die um das Jahr 1700 in Langenfeld hingerichtet und deren Schädel anschließend zur Abschreckung mit einem großen Nagel gepfählt und zur Schau gestellt wurde, fasziniert die Besucher des Stadtmuseums immer wieder. So ist es kein Wunder, dass dieser auch in Wissenschaftskreisen viel beachtete „genagelte Schädel“ im Mittelpunkt des Besucherinteresses in der kreisweiten Museumsnacht stand.
In der schaurigen Rauminszenierung im Freiherr-vom-Stein-Haus erfuhren die Besucher bei einer Führung zunächst den aktuellen Stand der Forschung zu eben jenem Schädel, der ein absolut seltenes Zeugnis aus der Gerichtsbarkeit früherer Tage ist. Der Schädel des berühmt-berüchtigten Seeräubers Klaus Störtebecker ist einer der wenigen, die man mit unserem Langenfelder Schädel vergleichen kann.

Das Thema Strafe und Hinrichtung im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit – in der „unsere“ Hinrichtung stattfand – standen anschließend im Mittelpunkt eines Vortrages von Dr. Stephanie Marra von der TU Dortmund. Das Fazit einiger Zuhörer: „Gut, dass wir heute und in einer humanen Zeit leben.“
Ins Heute führte auch die anschließende Preisverleihung durch den Förderverein Stadtmuseum und den Wochen-Anzeiger. Gemeinsam hatten sie einen Wettbewerb zum Thema Schädel-Schicksal unter den Lesern ausgeschrieben, und eine Jury hatte die spannendste Geschichte ausgewählt. Es ist die von Susanne Korbel, die nicht nur spannend geschrieben ist, sondern auch noch eine überraschende Wende nimmt (siehe untenstehenden Text). Peter Hor erhielt als zweiter Preisträger ebenso wie Susanne Korbel ein Buch aus Langenfelds Stadtgeschichte.

Das Schädelkabinett im Stadtmuseum kann übrigens täglich (außer montags) von 10 bis 17 Uhr bei freiem Eintritt besucht werden.

Die Siegergeschichte von Susanne Korbel:

"Die Hinrichtung"

Die Kutsche ruckelt. Die Pferde traben auf der staubigen Via Publica durch den Wald und der Kutscher scheint jedes Loch mitzunehmen. Ich werde ganz schön durchgeschüttelt. Ich sehe aus dem Fenster und genieße das frische Grün der Bäume und Büsche um mich herum. Wir fahren an einem kleinen Tümpel vorbei. Es ragen moosbewachsene, umgefallene Bäume über sein Wasser.
Ich bin ein wenig müde und schließe meine Augen. Ich versuche mir vorzustellen, wie wohl mein Spiegelbild aussehen würde. Ich trage ein wunderschönes silbernes Kleid aus Brokat und Seide. Die dazugehörige Haube umschmiegt sanft meinen Kopf. Sie schmeichelt meinem blonden Haar. Still lächle ich vor mich hin. Endlich bin ich diese hässlichen, schweren Leinenkleider los. Seide und Brokat sind so bequem, so samt weich. Der Kutscher ruft; „Ho.“ Die Pferde halten. Wir sind an der Haltestation Langenfeld angekommen. Hier machen wir eine Rast und die Pferde werden getauscht. Langsam setze ich einen Fuß auf die Stufe. Ich habe sogar daran gedacht, die passenden Schuhe auszusuchen. Ich steige aus und die umstehenden Menschen schauen mich bewundernd an. Selbstbewusst straffe ich meine Schultern und richte mich auf. Mit den Augen suche ich den Eingang zur Schenke. Ah, da ist er ja. Ich schreite langsam und erhaben auf ihn zu. Ich habe einen Sonnenschirm aufgespannt, damit meine Haut schön weiß bleibt. An der Tür angekommen, schließe ich den Schirm und trete ein. Die Schenke ist total verraucht und schmutzig. Ich suche mir einen Stuhl, der einigermaßen sauber aussieht und setze mich. Ich bestelle eine Gemüsesuppe und eine Brezel. ‚Hm, das ist das, auf was ich jetzt gerade Hunger habe.‘ Ich bin so konzentriert auf mein Essen, dass ich nicht bemerke, dass die umstehenden Menschen unruhig werden und tuscheln. Einige stehen sogar auf und verlassen die Schenke. Ich merke plötzlich auf, es ist alles ganz still. Kein Gemurmel, kein Besteck klappern. Auch der Wirt hat sich zurückgezogen… ‚Was ist hier los?‘ denke ich noch und dann bin ich umstellt. 5 Schergen des Richters mit Säbeln. Panik steigt in mir hoch. „Was wollen Sie?“ bringe ich zögerlich heraus. Wortlos packen mich zwei der Männer und zerren mich aus der Schenke. „Weib, du kommst mit vor den Richter!“ befiehlt einer der Männer. Sie fesseln meine Hände und zerren mich auf den Galgenwagen und sperren mich ein. Es gibt viele Zuschauer. Die Panik schnürt mir die Kehle zu. Ich möchte rufen, ‚Was wollt ihr von mir? Was wird mir zur Last gelegt?‘ Aber ich kann nicht. Mit angstgeweiteten Augen stehe ich auf dem Galgenwagen, welcher sich in Bewegung setzt. Nach einer kurzen Fahrt kommen wir auf dem Galgenplatz an. Der Richter und der Henker stehen schon bereit. Es versammeln sich immer mehr Schaulustige. Die Masse ist noch ruhig, sie tuscheln nur und zeigen mit den Fingern auf mich. Jetzt tritt der Richter vor und beginnt die Anklage zu verlesen:

„Der hier anwesenden Hildegard von Jüchen wird zur Last gelegt, ihren Mann Johann Heinrich von Jüchen vergiftet zu haben. Als Beweis haben wir hier die Aussagen der Magd Elisabeth und des Knechtes Leonhard. Des Weiteren wird ihr vorgeworfen….“ Die sonore Stimme des Richters ist ganz weit weg. Ich kann nicht mehr zu hören. Das alles dringt nur wie durch einen Schleier zu mir und scheint mich nicht wirklich zu betreffen. ‚Spricht der da wirklich über mich? Entscheidet er jetzt über mein Leben?‘ Ich merke erst wieder auf, als der Richter das Urteil verkündet: „Und damit ergehe folgendes Urteil. Das Weib Hildegard von Jüchen wird der Enthauptung anheim gegeben und zur Abschreckung für alle wird ihr Kopf an der Via Publica aufgepfählt. Das Urteil ist hiermit gesprochen und wird sofort vollstreckt.“

Die Menge johlt. Sie haben Blut geleckt. Sie wollen mich sterben sehen. Ich zittere am ganzen Körper. Die ganze Zeit konnte ich nichts sagen. Ich habe keinen Ton herausgebracht. Jetzt schreie ich. „Nein. Nein ich war das nicht, bitte glaubt mir doch. Ich war das nicht. Mein Name ist nicht Hildegard von Jüchen. Ich bin die Magd Elisabeth. Gnade bitte.“ Der Richter sieht spöttisch auf mich herab. „Halt die Klappe Weib.“ Sie zerren mich von dem Galgenwagen runter und stoßen mich vor den Henker. Ich schließe die Augen. Doch vor dem inneren Auge sehe ich immer noch die Menge. Diese verlogenen, artigen Bürger. Die sich so ein „Schauspiel“ nicht entgehen lassen. Im Rücken merke ich, wie der Henker sein Schwert hebt. Mein letzter Gedanke ist: ‚Ich war das nicht.‘

Autor:

Thomas Spekowius aus Monheim am Rhein

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