Reinhard Frotscher - ein Künstler, bewegt von der Macht des Mysteriums
Die „Interessengemeinschaft – Kunst, Literatur, Musik“ ist bereits zu einer populären und angesehenen Gemeinschaft in Langenfeld herangewachsen. Die Gruppe hat sich 2013 gegründet und erfreut sich zusehends steigender Beliebtheit für kultur- und kunstschaffende Bürger in Langenfeld und Umgebung. Ständig melden sich neue Teilnehmer und profitieren erfolgreich von dem Austausch von Erfahrungen.
In naher Zukunft plant die Gruppe das Projekt „Kunst statt Leerstand“. Dabei geht es um die sinnvolle Nutzung leer stehender Geschäfte in Langenfeld, die zu Stadtfesten von den Künstler genutzt, dekoriert und mit Veranstaltungen gefüllt werden sollen. Es werden mittlerweile über Stadtgrenzen hinaus bekannte Künstler aus Langenfeld an diesem Projekt teilnehmen und vom 17.Mai bis 1. Juni ihre Arbeit in nicht vermieteten Geschäften dem Publikum vorstellen. Einer von ihnen wird der Künstler Reinhard Frotscher sein.
Ein Interview stellt den Künstler einmal vor.
IG – KLM:
Lieber Herr Frotscher, Ihr künstlerisches Werk umfasst Zeichnungen, Druckgrafik, Collagen und andere Papierarbeiten, Öl - und Acrylmalerei, Holzskulpturen, Terrakotta sowie Objekte, Bild- und Raum- Installationen. Mit anderen Worten, Sie malen, zeichnen, modellieren und gestalten. In welchem Alter haben Sie Ihre künstlerischen Begabungen an sich entdeckt und wie hat sich das gezeigt?
R. Frotscher:
Meine Großmutter brachte mir eines Tages Papier und Farben aus dem Nachlass eines Malers mit. Damit fing es an, und ich entdeckte meine Gabe und Leidenschaft für die Architektur und Kunst. Ich muss wohl 15 oder 16 Jahre gewesen sein.
IG – KLM:
Sie sind in Chemnitz geboren und wohnen seit einiger Zeit in Langenfeld. Dazwischen ist viel in Ihrem Leben passiert. Das alles aufzuführen, wäre zu viel, aber wo und wann haben die wichtigsten Stationen in Ihrem Leben stattgefunden?
R. Frotscher:
Über 30 Jahre Lateinamerika haben viel geprägt, inhaltlich und formal, aber auch 3 Jahre Ägypten waren sehr wichtig. In Paraguay, in den 90ern, ging es aber erst richtig los. Arbeiten in Gruppen, viele interessante Ausstellungen, auch in anderen Ländern Amerikas und Europas. Auch Japan war dabei.
IG – KLM:
Auf Ihrer Website steht das Motto „Durch die Welt und durch die Zeit“. Welche Motivation verbirgt sich dahinter?
R. Frotscher:
In der Abschlussprüfung meines Architekturstudiums in Darmstadt fragte der Professor, was wir denn im Anschluss an das Examen zu machen gedenken. Meine Antwort war spontan, dass ich dienächsten Jahre als “Lehr- und Wanderjahre“ betrachten würde, während viele meiner Kommilitonen
das Büro vom Papa übernehmen wollten. Dabei ist es geblieben, in 7-Jahresschritten: Peru, Brasilien, Paraguay, Guatemala und Honduras. Die ganze Farbenpracht eines Kontinents.
IG – KLM:
In welcher Gefühlsphase werden Sie künstlerisch tätig? Damit meine ich, ob Sie einen bestimmten „Zustand“ brauchen, um kreativ zu sein.
R. Frotscher:
Das ist sehr unterschiedlich. Ich arbeite gut und gerne allein in meiner Werkstatt ohne mich dabei einsam zu fühlen. Wichtig ist dabei natürlich die Idee, die alles antreibt, aber auch der Arbeitsplatz. Meine Arbeitsplätze waren sehr vielfältig und unterschiedlich, wie die Länder in denen ich gelebt
habe. Mal war es der Keller, mal das Gartenhaus unter einem riesigen Mangobaum oder die große schattige Veranda. Dazu im Gegensatz stehen fantastisch kreative Momente in großen und kleinen Gruppen bei Ausstellungsvorbereitungen sowie bei Malwochen an Sommerakademien wie Salzburg oder Bad Reichenhall mit Künstlern wie Markus Lüpertz oder den Zhou Brothers aus Chicago deren Motto FÜHLEN IST FREIHEIT es am besten trifft.
IG –KLM:
Ihre Arbeit wird auch geprägt durch das soziale und politische Umfeld gewaltsamer Auseinandersetzungen der neueren Geschichte in der Region Lateinamerika. Das klingt nach Begebenheiten, die schwer für Sie zu verarbeiten sind. Wie äußert sich das in ihrer Arbeit?
R. Frotscher:
In die meisten Länder kam ich während einer Aufbruchsituation, z. B. Ende der Diktatur in Brasilien und in Paraguay, Ende des Bürgerkriegs und Genozids in Guatemala, aber auch während eines allesverwüstenden Hurrikan in Honduras. Die Aufbauphasen, die Demokratisierung und die damit verbundene Befreiung von Presse, Kultur und öffentlichem Leben waren ein fruchtbares Umfeld
für künstlerische und intellektuelle Aufarbeitung des Grauens der Vergangenheit. Auch in meinen Arbeiten ist davon etwas, meist jedoch verschlüsselt, zu finden.
IG – KLM:
„Die Suche geht weiter, der Weg bleibt das Ziel“ ist weiterhin auf Ihrer Website zu lesen. Das verspricht noch viele Aktionen und Projekte in Ihrem Leben. Was wäre Ihr Traumprojekt?
R. Frotscher:
Natürlich werde ich immer neue Projekte finden. Zum einem möchte ich noch einmal die Gelegenheit haben, meine Arbeiten in einem angemessenen Rahmen einem größerem Publikum zu zeigen. Zum anderen möchte ich über Erlebtes und Erfundenes schreiben und dazu illustrieren.
IG – KLM:
Sie lebten und arbeiteten in Peru, Venezuela, Ägypten, Brasilien, Paraguay, Guatemala und Honduras und haben dort zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen zu verzeichnen. Welche waren für Sie die wichtigsten?
R. Frotscher:
Jede Ausstellung ist wichtig, ob in einer kleinen Galerie oder in einem famosen Museum. In letzter Zeit konnte ich an Ausstellungen in USA, Italien und Kroatien teilnehmen. Für Kuba ist eine in Vorbereitung. Daraus ergeben sich natürlich interessante Reisen und Kontakte und auch neue Anlässe für die Arbeit.
IG – KLM:
Sie haben an Biennalen in Guatemala, weiteren Ausstellungen im Duke University Museum, USA, im Meguro Museum in Tokio, Japan sowie Eschborn, Bremen und Stuttgart teilgenommen und Preise dort gewonnen. Welche war die erfolgreichste Teilnahme?
R. Frotscher:
Ja, es gab natürlich Sternstunden wie die großen Retrospektiven anlässlich meiner Preise bei den Biennalen in Guatemala oder die große Einzelausstellung in der Stadtgalerie von Buenos Aires mit tausenden von Besuchern, auch Schulklassen. Die Kommentare der Kinder in meinem Gästebuch begeistern mich heute noch. Aber eben auch ganz andere Veranstaltungen an denen ich teilnehmen durfte, wie die Skulpturen-Ausstellung von 30 Künstlern in einem riesigen Kieswerk bei München, vor 3 Jahren, mit der entsprechend großen Zahl von Besuchern. Und Tokio war natürlich ein extra Bonbon.
IG – KLM:
Nun wohnen Sie seit einigen Jahren in Langenfeld und nehmen an dem Projekt „Kunst statt Leerstand“ teil. Welche Werke gedenken Sie auszustellen?
R. Frotscher:
Ich glaube, dass ich etwas variieren sollte: Altes und Neues, Kleines und Großes, neben Bildern auch einige Objekte, kurz eine interessante Mischung. Die Betrachter sollen aufmerksam werden, sich freuen oder auch erschrecken, vielleicht sogar ärgern. Auf jeden Fall ein zweites Mal hinschauen. Ich freue mich über jeden, der mit mir ins Gespräch kommt.
IG – KLM:
Sie haben sehr viele künstlerische Wege beschritten, und Ihr künstlerisches Dasein macht sicherlich das meiste in Ihnen als Mensch aus. Können Sie uns ein wenig über den Menschen „Reinhard Frotscher“ erzählen?
R. Frotscher:
Ich habe mein Leben lang in Problemländern mit großen Schwierigkeiten gearbeitet. Armut, Elend, Unbildung, Verwaltungschaos und Hunger auf der einen Seite. Dann immenser Reichtum, Überfluss und Korruption auf der anderen Seite. Das alles hat mich dazu gebracht, zweimal hinzuschauen und die Meinung der Betroffenen sehr ernst zu nehmen, Fragen zu stellen, statt fertige Antworten für die Lösung der Probleme zu haben.
IG –KLM:
Wie wirkt sich Ihre Arbeit auf Ihr Leben aus?
R. Frotscher:
Meine Arbeit bedeutet Bewegung. Nicht stehenbleiben und verkümmern. Ich gehe von großer Neugier angetrieben durchs Leben und lerne Menschen allgemein und Künstler im speziellen kennen und verstehen. Das wiederum bedeutet Anreiz und Inspiration. Ich denke, man sollte nie in einer Ecke bleiben, sondern offen für alles sein. Diese Form von Bewegung lässt den Geist nicht altern.
IG –KLM:
Was würde passieren, wenn man Ihnen Ihre Arbeit plötzlich wegnehmen würde?
R. Frotscher:
Ich würde mir sofort ein neues Betätigungsfeld suchen. Ich bin nicht der Typ, der sich so leicht unterkriegen lässt. Ich würde alles tun, um nicht in die Lethargie zu stürzen. Ich bin ein „Sucher“, der bis jetzt immer fündig geworden ist und kenne keine depressiven Phasen. Da ich mein Leben lang in gefährlichen Gegenden gelebt habe, habe ich gelernt, mich darauf einzustellen und keine Angst mehr zu verspüren. Bin ein sehr gelassener Mensch, der Situationen abschätzt, also Problem, Rahmenbedingung und Potential. Zudem liebe ich die Macht des Mysteriums.
IG – KLM:
Was würden Sie jungen Künstlern heute mit auf Ihrem Weg ins Leben geben?
R. Frotscher:
Ich habe von meinen Chinesischen Lehrern eine Reihe von Lehrsätzen mitgenommen, die von jedem Künstler, ob Musiker, Literat, besonders aber Maler, natürlich unterschiedlich interpretiert werden. Für mich waren sie auf jeden Fall hilfreich. Acht Ingredienzien zum Schlüssel für einen exzellenten Künstler:
Arbeite gegen traditionelle Vorgaben
Nutze die Macht des Mysteriums in deiner Arbeit
Nutze das Potential des „Unfertigen“
Berücksichtige die Wirkung von Extremen und Kontrasten
Lege Wert auf deine individuelle Persönlichkeit
Bedenke immer: Schönheit ist ganz sicher nicht das Einzige in der Kunst
Vertraue deinen eigenen Gefühlen
Nutze die Kraft der Wiederholung
IG – KLM:
Geben Sie mir ein Wort, was Ihre Arbeit für Sie bedeutet.
R. Frotscher:
… neugierige Herausforderung…
Vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Offenheit, Herr Frotscher. Wir wünschen Ihnen auf Ihrem weiteren Weg noch ganz viele spannende Herausforderungen.
Autor:Marion Schreiner aus Langenfeld (Rheinland) |
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