Didi Lobster im Seepferdchenland ( Teil 6 )

Didi Lobster im Seepferdchenland

Ein rauer und scharfer Wind fegt über die Meeresoberfläche dahin. Er treibt die Möwen vor sich her, die über schaumbedeckte Wellen dahingleiten und ihre Flugkünste zeigen. Hin und wieder stürzt sich eine wie ein Pfeil herab, taucht ins Wasser und kommt mit einem kleinen Fisch wieder heraus. Die kleinen Fische sind nicht sicher vor den großen Möwen, im Gegensatz zu den Meeresbewohnern, die tiefer unten leben.

In dieser ruhigen, halbdunklen Welt bewegt sich, unter vielen anderen, ein kleiner Geselle den Meeresgrund entlang. Er hat außer seinen Beinen noch zwei kräftige Arme an deren Enden scharfe Scheren sitzen.

Wir ahnen es schon, wer das ist: Es ist natürlich unser kleiner Held!

Er ist schon einige Zeit unterwegs und hat sich von seinem letzten Abenteuer gut erholt

Nun ist er auf dem Weg ins Seepferdchenland das ihm die Nixen so sehr empfohlen hatten.

„Ich will mal sehen, wie die so leben “ hat er zum Abschied gesagt und sich auf den Weg gemacht.

Nun ist er sein Ziel fast erreicht und ist sehr gespannt.
Außerdem sollen die Seepferdchen wissen, wo eventuell sein heimatliches Korallendorf zu finden ist.

Er erreicht die Hecke aus Seeanemonen die keinen Durchlass, keine Tür zu haben scheint.
Er wandert an der Hecke entlang und will schon fast kehrt machen um in die andere Richtung zu gehen, da ist die Hecke plötzlich zuende.

Ein breiter Weg führt in eine Höhle. Neben der Höhle ist ein Schild angebracht auf dem zu lesen ist:

Willkommen im Seepferdchenland.

Didi geht auf die Höhle zu und stellt fest, dass es nur ein Durchgang ist. Nachdem er ihn durchquert hat sieht er sich staunend um.

Er erblickt feines Seegras, das sich in einer leichten Strömung bewegt. Er sieht Unterwassereichen, die groß und kräftig auf Sandhügeln stehen.

Ein breiter Weg führt um einige Felsbrocken herum. Dieser Weg scheint in die Runde zu gehen. Überall sieht man durchlöcherte Felsen vor denen kleinere Steine liegen.

Auf einmal entdeckt er die Bewohner, die Seepferdchen!

Sie lassen sich von der sanften Strömung mal hierhin und mal dorthin treiben. Es scheint aber, dass sie sich alle, trotz der Leichtigkeit in eine Richtung bewegen.

Auf einer großen, freien Fläche haben sie sich versammelt und blicken alle in eine bestimmte Richtung.

Es ist ein Weg der um die Felsblöcke herumführt.

Gerade als Didi dies erkennt, erhebt sich großer Jubel. Auf dem Weg erscheinen acht, neun, nein sogar zehn Seepferdchen.

Sie scheinen um die Wette zu gleiten oder besser zu laufen oder vielleicht doch zu schwimmen. Sie nähern sich schnell einem Band das offensichtlich das Ziel ist. Es ist genau vor den jubelnden Zuschauern gespannt.

Eines der Seepferdchen ist besonders schnell und erreicht weit vor den anderen das Band. Hier ist wohl soeben ein sportlicher Wettbewerb beendet worden.

Didi ist inzwischen näher gekommen und wird von einigen Seepferdchen bemerkt.

„Hallo, wer bist du denn? Suchst du etwas? Können wir dir helfen?“ so, fragt eines der Seepferdchen
„Ja, vielleicht! Ich bin Didi Lobster und bin auf der Suche nach meinem Dorf. Dort bin ich bei einem Unfall fortgerissen worden. Auf meiner Suche bin ich nun bei euch gelandet. Ich habe gehört, ihr könntet mir eventuell helfen.“

„Na ja, das werden wir schon schaffen “ antwortet das Seepferdchen. „Ich heiße übrigens Hippocampus und bin Präsident von unserem Sportclub. Wir können uns nach Abschluss aller Wettbewerbe bei mir treffen und über dein Problem nachdenken. Ich bringe dann Hippoweisus mit, unseren Dorfkältesten. Nun lass dich einladen, um die letzten Rennen zu beobachten!“

Hippocampus wendet sich wieder dem Spektakel zu und auch Didi blickt interessiert auf das Geschehen.

Die Zuschauer bejubeln jedes Rennen, feiern alle Sieger und haben offensichtlich eine Menge Spaß.

Später, als das letzte Rennen beendet ist, verlassen die Seepferdchen
nach und nach den Rennplatz und streben ihren Wohnungen und Höhlen zu.

Didi bemerkt, dass die Löcher in den Steinen und Felsen offensichtlich von den Seepferdchen bewohnt werden.

Bevor er sich richtig umgesehen hat, nähert sich wieder
Hippocampus.

Mit ihm kommt ein graues Seepferdchen auf Didi zu.
„Das ist bestimmt Hippoweisus “ denkt er. Es stimmt!

Nach der Begrüßung begeben sich die drei in eine große Höhle, die durch Leuchtalgen erhellt ist.

Über dem Eingang steht „ Clubheim“.

Dort lassen sich alle nieder und Didi wird aufgefordert zu erzählen.

Er erzählt von Anfang an und die beiden anderen staunen nur noch.

„Das ist ja allerhand!“ ruft Hippoweisus, „was du alles erlebt hast! Nun erzähle auch mal von deinem Dorf. Wie habt ihr dort gelebt? Was hattet ihr dort für Pflanzen? Erzähle einfach alles, was eventuell wichtig sein könnte! Ich kann dann viel leichter bestimmen in welche Richtung du gehen musst!“

Didi lässt sich nicht lange bitte und erzählt:

Er erwähnt die Korallengärten, er spricht über Herrn Wimpelfisch und vergisst auch nicht die anderen Bewohner. Kurz gesagt, er beschreibt sein Dorf so toll, das Hippoweisus ihn bald stoppt.

„Genug! Ich glaube zu wissen wo das ist! Lasse mich noch einmal meine Seekarten studieren. Morgen früh treffen wir uns wieder hier und ich erkläre dir den Weg. Bis dahin musst du dich noch etwas gedulden. Also, bis morgen!“

Hippoweisus verabschiedet sich und Didi erkundigt sich bei Hippocampus, wo er die Nacht verbringen kann.

“ Du bist selbstverständlich mein Gast “ erwidert der. „Meine Familie wird sich freuen. Wir haben gerne Gäste und meine Kinder hören sich sicher gerne deine Abenteuer an. Also Komm!“.

Während des Abendessens unterhalten sich alle ganz angeregt.

Didi fragt seine Gastgeber: „Was treibt ihr so die ganze Zeit?“

„Ach, meistens sind wir auf dem Rennplatz. Der größte Teil unserer Freunde läuft begeistert Rennen. So ähnlich wie du das heute gesehen hast. Es sind immer 5 Runden, weil so viele teilnehmen. Damit alle mal eine Chance haben, zu gewinnen, ist die Teilnehmerzahl begrenzt. Wie du gesehen hast, sind auch viele Gäste anwesend. Damit sie zuschauen dürfen bringen sie immer etwas Verpflegung mit, von der dann alle etwas abbekommen.
Das ist dann der Eintritt.

Es ist immer so viel, das niemand von uns hungern muss. Außerdem sind unsere Jagd-Seepferdchen immer unterwegs um Nahrung zu sammeln.

Da ist Hippohunter der Beste. Dafür, dass sie jagen gehen, halten alle anderen deren Wohnungen sauber. Jeder von uns ist einmal zur Jagd eingeteilt, damit alle mal was zum Gemeinwohl beitragen.

Ab einem bestimmten Alter hört das dann auf. Die Alten unter uns, sind von diesem Dienst befreit.“

„Habt ihr denn keine Feinde oder irgendwelche anderen Probleme? Ist es immer friedlich hier?“

„Nein, es gibt keine nennenswerten Probleme. Das einzige ist im Moment Olli Seeteufel!“

„Wer ist denn das?“

„Ja, der lebt am großen Tor, dort hinten am Ausgang aus unserem Land.

Früher haben wir ihn kaum gesehen. Jeder ging seiner Wege.
Seit einigen Seewochen kommt er allerdings ziemlich bösartig daher. Er pöbelt alle unsere Freunde an und schlägt auch manchmal mit seinem Schwanz zu.

Einfach so!
Dann verwüstet er unsere Gärten, u.s.w. Dabei war er früher ganz friedfertig. Man kann fast sagen, wir waren sehr gute Nachbarn, ja fast Freunde. Wir wissen gar nicht was mit ihm los ist. Er spricht einfach nicht mit uns. Na ja, wir hoffen, das es wieder besser wird.

„Habt ihr alles versucht?“

„Ja, aber es gibt keine Chance. Aber das ist ja nicht dein Problem.
Lass uns schlafen gehen. Morgen wirst du wohl den Weg nach Hause antreten. Da bin ich ganz sicher!“

Am nächsten Morgen treffen sie sich alle wieder bei Hippoweisus.

„Ich glaube ich habe dein Dorf auf den Karten gefunden. Leider gibt es drei ähnliche Dörfer und alle liegen ziemlich weit auseinander. Ich kann also nicht mit absoluter Sicherheit sagen, ob es sich wirklich um dein Dorf handelt.

Ich zeige dir die jeweilige Richtung. Der Anfang des Weges ist der gleiche.

Du musst bei Olli Seeteufel vorbei, durch das große Tor und dann noch ein Stück mit der Strömung ziehen lassen.

Sobald die Strömung dich nicht mehr zieht, dann musst du dich entscheiden, in welche Richtung du gehen willst.“

Didi schaut sich die Karte an. Er zögert nicht lange und tippt mit seiner Schere auf das am nächsten liegende Dorf.

„Dort versuche ich es!“

„Gut, Didi, dann will ich dir den Weg erklären.“

Hippoweisus erklärt ihm alles was er wissen muss.

„Bevor du aus diesen Bergen heraus bist, gibt es möglicherweise Schwierigkeiten mit Olli Seeteufel. An dem musst du nämlich vorbei.

Ob das bei seiner jetzigen Laune gefährlich ist, kann ich nicht sagen. Du musst einfach damit rechnen.

Es ist der einzige Weg und schon deshalb solltest du es versuchen!“

„In Ordnung. Angst habe ich nicht so sehr. Ich werde schon aufpassen. Ich werde sehen was passiert.“.

Gesagt, getan!

Nachdem sich Didi von allen verabschiedet und noch einmal seinen Dank ausgesprochen hat, macht er sich auf den Weg.

Unterwegs trifft er viele Seepferdchen, die auf dem Weg zum Rennen sind.
Alle sind sie freundlich und grüßen und nicken ihm zu.
Er setzt seinen Weg fort und wandert in Richtung der Berge.

Bald ist es Abend geworden. Er ist müde und sucht sich einen geschützten Platz zum Schlafen. Er verzehrt noch etwas von seinem Proviant und schläft dann ein.

Mitten in der Nacht wird er plötzlich von seltsamen Geräuschen geweckt.

Weint da jemand?

Didi lauscht!

Ja, da weint und stöhnt jemand ganz kläglich.

„Aua, auweh! Warum geht der Schmerz nicht weg? Ich habe ja solche Schmerzen und niemand kann mir helfen. Dabei waren meine Zähne immer gesund. Jetzt könnte ich die Felsen hochgehen. Aua, oh, oh, oh weh! Ich könnte alles kurz und klein schlagen. Aua!“

Didi ist jetzt hellwach und überlegt, wer das wohl sein könnte.

Wer hat da solche Zahnschmerzen? Wieder ertönt das laute Weinen.

„Alle meine Freunde, die Seepferdchen, denken jetzt, ich kann sie nicht mehr leiden. Sie denken sicher, ich bin gewalttätig geworden. Ich kann doch keinem erzählen das ich nicht mehr der große, starke Olli Seeteufel bin.

Ach wäre doch schon alles wieder vorbei. Aua!“

Nun weiß Didi, wer da jammert.

„Ich würde ihm ja gerne helfen. Aber wie?“ denkt er.

„Man müsste seinen kranken Zahn ziehen. Vielleicht könnte ich das mit meinen Scheren machen? Ja, eigentlich müsste das gehen! Ich versuche es einfach. Hoffentlich lässt der mich an seine Zähne ran!“

Wieder hört er das Jammern.

„Hallo“ ruft er laut in die Meeresnacht hinein.
„Hallo, bist du Olli Seeteufel? Ich habe von dir gehört. Vielleicht kann ich dir helfen!“

Einen Augenblick ist es still. Dann hört Didi, wie sich etwas seinem Platz nähert.

„Wo bist du?“ fragt die Stimme, „ich kann dich nicht sehen! Wer bist du?“

Es ist ja auch stockdunkel.

Ich bin Didi Lobster. Ich schlage vor, wir warten bis es hell wird!“

„Das geht nicht “ erwidert die Stimme, „warte, ich besorge Licht! Bleib´ bloß wo du bist, sonst setzt es was!“

Es wird still.

Didi überlegt, ob es wohl richtig war, was er gemacht hat und ob er warten soll, da wird es plötzlich heller und heller.

„Los “ hört er die wohlbekannte Stimmer wieder,

„ hier muss es sein! Los, du Zwerg, komm raus! Zeig dich! Ich habe ein paar Leucht-Seepferdchen herbefohlen, damit sie Licht machen und ich dich besser sehen kann. Los, komm also raus!“

„Bist du das, Didi?“ fragt eine zaghafte Stimme.

„Ich bin Hippolampus und für die Beleuchtung in unserem Land zuständig. Ich würde an deiner Stelle herauskommen. Olli Seeteufel ist in letzter Zeit immer sehr streitsüchtig und wir wissen nicht warum! Bis vor kurzem waren wir noch gute Nachbarn und Freunde!“

„ Halte dich da raus!“ knurrt Olli dazwischen, „ ich möchte dich sehen, wenn du solche Zahnschmerzen hättest, wie ich. Es ist zum verrückt werden. Keiner kann mir helfen. Ihr Seepferdchen hat ja keine Zähne. Aua – da ist es schon wieder. Es geht schon wieder los. Oh weh – aua!“

Didi ist inzwischen aus seinem Versteck heraus gekommen und nähert sich dem leidenden Olli Seeteufel.

Er sieht einen grimmig dreinblickenden, knurrigen, großen Gesellen, der dauernd sein Gesicht vor Schmerz verzieht .Vielleicht kann ich dir helfen “ redet Didi beruhigend auf ihn ein.
„Ich habe kräftige Scheren und könnte deinen kranken Zahn ziehen. Los, lass doch mal sehen!“

„Was kannst du kleiner Knirps denn schon ausrichten?“

„Nun komm schon her! Du bist doch kein Seehase!“

Olli kommt vorsichtig und misstrauisch heran und schaut sich Didi´s Scheren an.

„Na ja, du kannst es ja mal versuchen. Aber sei bloß vorsichtig!“

Er sperrt sein großes Maul weit auf.

Didi sieht eine Reihe von spitzen, messerscharfen Zähnen.

„Da, da vorne rechts, das muss der Zahn sein. Von da kommt der Schmerz!“

Didi kann den kranken Zahn deutlich sehen.

Hippolampus leuchtet in das große Maul hinein.

Vorsichtig nähert sich Didi mit seinen Scheren dem kranken Zahn, packt zu und reißt mit einem kräftigen Ruck den Zahn heraus.

Olli heult auf und schwimmt hektisch hin und her.

Dabei jammert und weint er. Nach einer Weile beruhigt er sich und kommt wieder heran geschwommen.

„Der Schmerz lässt nach! Ich glaube du hast es tatsächlich geschafft. Du hast mir sehr geholfen. Oh, ist das schön! Der Schmerz lässt nach, der Schmerz lasst nach!“

Olli schwimmt ausgelassen auf und ab.

„Ich bin dir einen Gefallen schuldig! Sag mir, was ich für dich tun kann!“

„Och “ meint Didi bescheiden, „ das war nicht der Rede wert. Vielleicht kannst du wieder freundlicher mit den Seepferdchen umgehen. Ich habe gehört, Ihr seid mal richtige Freunde gewesen!“

„Ja, das werde ich auch wieder. Ich habe mich benommen wie ein „Randale-Fisch“.

Ich mache alles wieder gut! Versprochen!“

Didi lässt sich noch einmal die schlimme Stelle zeigen und stellt fest, dass alles in Ordnung ist.

„Wie viele Zähne hast du schon gezogen!“ will Olli wissen.

„Ach, das war mein erster. Ich wusste gar nicht, das ich so etwas kann.“

„Na schön, was kann ich für dich tun!“ erkundigt sich Olli hoffnungsvoll und hilfsbereit.

„Man hat mir den Weg aus eurem Land heraus beschrieben. Dieser Weg führt mich durch ein großes Felsentor, dass du bewachen sollst. Lässt du mich da bitte durch?“

„Na klar, wenn das alles ist! Das ist doch selbstverständlich! Geh du nur und viel Glück auf deinem Weg. Ich werde dich nicht begleiten. Ich werde nämlich zu den Seepferdchen gehen und den angerichteten Schaden wieder gut machen. Also, dann tschüß und pass auf dich auf. Dort geht es entlang.
Du kannst den Weg gar nicht verfehlen. Los, Hippolampus, lass uns gehen!“

Olli und Hippolampus machen sich auf den Weg, zurück ins Seepferdchenland.

Didi schaut ihnen noch eine zeitlang nach, wendet sich dann ab und marschiert in Richtung Felsentor.

Es ist bereits hell geworden. Bald hat er das Tor erreicht, geht hindurch und hat das große, weite Meer vor sich.

„Na denn“ denkt er, „ dann mal los! Bald bin ich wieder zu Hause!“

Er läuft vorwärts, wird von der Strömung erfasst und davon getragen. Ob er wohl sein zu Hause erreicht? Wir werden sehen.

Langsam verschwindet er in der dunklen See.

Autor:

Peter Hor aus Langenfeld (Rheinland)

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