Bildungsreise – Selbst ist der Mann

Reisen bildet bekanntlich – so werde auch ich mit einem beträchtlichen Zuwachs an Wissen die Heimreise antreten und hoffen, dass ich die im Urlaub unfreiwillig erworbenen Fachkenntnisse niemals in der Praxis anwenden muss. Denn wer wechselt schon gern das Rohrsystem unter der Spüle ohne fremde Hilfe aus oder baut für seinen Enkel ein Baumhaus mit Strom- und Wasseranschluss.

Ich scheine wohl ein bevorzugtes Opfer für alle Besserwisser und Hobby-Bastler zu sein und so gehen häufig kostbare Urlaubsstunden verloren, wenn diese Kletten mir dann breit ausgewalzt von selbst durchgeführten Reparaturen berichten, für die ein Fachbetrieb mindestens das Vierfache einkassiert hätte. Penibel erwähnen sie die Anzahl und Zollmaße der Verschraubungen, die man am besten bei OBI kaufen solle, wohingegen die TOOM-Baumärkte die größere Auswahl an Dichtungen und Muffen hätten. Nichts an Unwesentlichkeiten wird ausgelassen, so dass die Schilderung der Vorgehensweise wohl in der Regel länger dauert als die Instandsetzung selbst.

Im Laufe der Jahre hat sich mein Blick für diese aufdringlichen Heimwerker-Könige geschärft. Vorwiegend sind es kleingewachsene , dickliche Männer aus dem Schwäbischen, die als Häusle-Bauer ständig an ihren nie fertig werdenden Eigenheimen herumwerkeln. So achte ich auch am Swimming-Pool stets darauf, dass unsere Liegen möglichst weit weg von einem potentiellen Dauerschwätzer entfernt sind. Dennoch tappte ich in die Falle, als ich bei 30 Grad im Schatten dringend eine Abkühlung benötigte. Kaum hatte ich den flachen Teil des Schwimmbeckens erreicht, drehte ein etwa 60-jähriger rundlicher Mann die Wortdusche auf und ließ mich unaufgefordert wissen, dass er sich vor Jahren eigenhändig einen Pool gebaut habe. Leider beschränkte er sich nicht auf diese Kernaussage und wechselte ohne erkennbaren Übergang auf eine detailreiche Schilderung der damals durchgeführten Arbeiten. Zum ersten Mal wurde mir bewusst, dass meine Körpergröße von 186 Zentimetern auch nützlich sein könnte. Zeitlupenartig bewegte ich mich rückwärtsgewandt in Richtung Tiefgewässer, ohne dass sich jedoch der Abstand zu meinem Plagegeist merklich verringerte. Obwohl ihm das Wasser bereits bis zum Kinn reichte, tat das seinem Redefluss keinen Abbruch. Vermutlich würde er auch unter der Wasseroberfläche weiter reden, was in mir ein ambivalentes Gefühl von Rache und Besorgnis hervorrief. Einen Schritt weiter rückwärts – und ich würde nur noch sein Blubbern hören. Doch wäre mir damit wirklich geholfen – schließlich war er nur einer von Vielen.

Besonders gut gemeint hatte es ein rüstiger Rentner aus Stuttgart, der sich anschickte, unter einen Tisch zu kriechen und von dort aus - unter realitätsnahen Bedingungen – mir unbedingt beibringen wollte, wie man das Rohrsystem unter der Spüle auswechselt. Letztendlich konnte seine Frau diese Peinlichkeit mittels Körpereinsatz verhindern.

Auch nach unserer Rückkehr werden mir meine „beiden linken Hände“ erhalten bleiben, doch im theoretischen Wissen kann ich es dann mit jeder Baumarkt-Fachkraft locker aufnehmen.
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Autor:

Klaus Ahlfänger aus Herten

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