Ab nach Chiang Mai - Letzte Reise für Greise

3Bilder

Vor Jahren hieß es, dass es zum guten sozialen Benehmen gehöre, wenn man mit 65 stürbe. Mittlerweile wurde das Renteneintrittsalter erhöht, so dass wir zwei Jahre Daseinsberechtigung hinzugewonnen haben. Doch danach wird es richtig zugig um uns herum, mutieren wir doch plötzlich zu einem reinen Kostenfaktor, den sich unsere Gesellschaft auf Dauer nicht leisten kann. Und immer wieder ist von Jüngeren zu hören, dass Oma und Opa die Rentenkassen plünderten und man dann im Alter selbst der Gelackmeierte sei. Wohl niemand mehr muss sich heutzutage in unserem Land vorzeitig zu Tode schuften – zudem haben Fitness-Trends, sensibleres Ernährungsbewusstsein und medizinischer Fortschritt wesentlich dazu beigetragen, dass in Diskussionen immer häufiger von einer Altenrepublik die Rede ist. Selbstverständlich sollte in diesem Zusammenhang auch der drastische Geburtenrückgang erwähnt werden.

Längeres Leben geht in der Regel mit Verlust der Selbstständigkeit einher und somit ist es nur eine Frage der Zeit, bis ein Verbleib in der eigenen Wohnung nicht mehr zu verantworten ist. In aller Eile wird dann ein geheimes Familientreffen anberaumt, auf dem Söhne und Töchter versuchen, sich wechselseitig die Last und Mühen der Altenpflege zuzuschieben. Doch hatte sich jeder von ihnen mit einem Vorrat an Ausreden bzw. triftigen Gründen gewappnet, so dass sich nach ergebnislosem hin und her letztendlich jemand traut, die Unterbringung in einem Altersheim zu erwägen.

In den meisten Fällen reicht die Rente nicht aus, um die Heimkosten zu decken – und noch krasser wird die Finanzierungslücke, wenn wegen völliger Hilflosigkeit sündhaft teure Intensivpflege erforderlich wird. Natürlich springt hier das Sozialamt ein, das aber gleichzeitig penibel die finanziellen Verhältnisse der nahen Angehörigen durchleuchtet. Und wenn dann den Söhnen und Töchtern die Zuzahlungs-Bescheide ins Haus flattern, entwickeln sich ambivalente Gefühle bezüglich der ansonsten wünschenswerten Langlebigkeit.

Da mag vielen die Idee, gebrechliche Verwandte ins Ausland zu verbringen, eine reizvolle Alternative sein. Heime in Ungarn bieten beispielsweise Einzelzimmer mit Intensivpflege für 1150 Euro monatlich an, wobei deren Ausstattung dem deutschen Standard deutlich überlegen ist. Einteilung nach Pflegestufen gibt es hier nicht. Ein Preis gilt für alle, egal wie aufwändig jemand gepflegt wird. Eigentlich perfide, wenn dann der Sohn die senile Mutter unter Druck setzt, indem er darauf hinweist, dass er im Falle ihres Einverständnisses keinerlei Zuzahlungen mehr leisten müsse.

Oma und Opa sind zum Exportschlager geworden titelten einige Zeitungen und wenn vom Greisenexport die Rede ist, wird stets auf die Alters- und Pflegeheime in Thailand hingewiesen, die oftmals familiengeführt sind. Kritikern wird zynisch entgegnet, dass Demenzkranke ohnehin nicht merken, wo und von wem sie gepflegt werden. Es kann also durchaus möglich sein, dass wir unsere letzten Tage im thailändischen Chiang Mai verbringen müssen.

Und was soll man einem Abschiebe-Befürworter erwidern, wenn er wie folgt argumentiert: „Ob ich meine Mutter in einem Dinslakener Heim nicht besuche oder in einem ausländischen, das ist egal.“ Noch eine Warnung zum Schluss: Wer sich allzu sehr mit diesem gesellschaftlich relevanten Thema befasst, ist hinterher wütend, traurig und ratlos.

Und wer von den Lesern irgendwann nach Thailand verfrachtet wurde, sollte stets die ihm täglich zugeteilte Reisportion loben. „Arroi maak“ sagt man dort als eingeschüchterter Heimbewohner, was auf deutsch „sehr lecker“ heißt.

Autor:

Klaus Ahlfänger aus Herten

Eine/r folgt diesem Profil

4 Kommentare

Klaus Ahlfänger aus Herten
am 24.07.2014 um 13:43

Mittlerweile wurde der Beitrag von mehr als 500 Usern angeklickt - doch immer noch das Schweigen im Wald.

Paul Scharrenbroich aus Monheim am Rhein
am 27.07.2014 um 16:21

Klaus, dieser Beitrag war vor meiner Zeit - ich muss mich bei einigen LKlern noch über deren frühere Beiträge hermachen. In diesem Fall eine glückliche Fügung, weil ich deine SCHREIBE inzwischen schon ein wenig kennenlernen durfte, sonst wäre es mir unerträglich gewesen. Jetzt aber unterschreibe ich den Vorwurf, dass dieser Beitrag zwar Beachtung, aber keine Kommentare ausgelöst hat.
( Der Hinweis auf die Sonnen- und Mondanbeter ist offensichtlich aus der Verärgerung entstanden und unsachlich.)
Ich habe zu deinem Thema eine TV-Reportage gesehen und eine Menge Ambivalenz produziert. Alleinstehende Senioren, die sich bewusst und aus freiem Willen dorthin begeben, möglicherweise in Thailand oder wo auch sonst gern Urlaub verbracht haben, kann man beglückwünschen. Jeder andere, der/die aus finanziellen und familiären Rücksichten ins Ausland entsorgt wird,
ist ein Opfer.
Jüngere Politiker, die sich im Generationenproblem sehr betont positioniert haben, landen schon bald bei Unternehmen oder Wirtschaftsverbänden (sic!)
Lösungen des Problems sind auch nicht ansatzweise vorgesehen z.B Sozialabgaben - hier Pflegeversicherungsbeiträge - auf a l l e Einkommen. Sammelbegriff SOLIDARITÄT

Herbert Johannsen aus Bochum
am 14.02.2015 um 17:01

Das ist die Realität?
Mittlerweile muss man sich als Rentner doch vera..... vorkommen.

Die Rendite aus unserer Altersvorsorge z.B. Direktversicherung , wurde durch das Gesetz zur Gesundung der Krankenkassen geraubt.Auf den Auszahlungsbetrag fallen in voller Höhe , für 10 Jahre, Krankenkassenbeiträge an.z.Zt 14,9 %.Dieses Gesetzt wurde stillschweigend verabschiedet, die Versicherungen haben ihre Kunden nicht informiert,jetzt , bei den Fälligkeiten ,kommt die böse Überraschung.
ZAHLEN!!!Beispiel: bei 50.000,-€ 74,50 €/Monat , plus Pflegeversicherung. Fragen?

Das Renteneintrittsalter steigt weiter,aber auch die "Alten" werden älter.
Jetzt kümmere ich mich als Rentner meine alte Mutter!Die Suche nach einem geeignetem Pflegeheim ist schwierig und langwierig.Wartelisten.

Die Kosten für das Pflegeheim sind hoch, zusammen mit dem Pflegegeld selten unter 3.000,-€ /Monat.

Falls die Rente der Mutter/Vater nicht reicht und keine Rücklagen oder Vermögen vorhanden ist, kommt der Antrag auf Pflegwohngeld vom Heim!

Ein harmloser Begriff ,aber voller Brisanz.

Jetzt müssen die Angehörigen "die Hosen herunterlassen" und die Vermögensverhältnisse offenlegen. Allein der Ton in dem Schreiben des Sozialamtes ist jenseits von Gut und Böse und das Schreiben ist voller böser Fallen .
Ergebnis: Um diese Entwürdigung zu vermeiden zahlen jetzt die Kinder (als Renter) für die Mutter im Pflegeheim um dem Sozialamt nicht das letzte Hemd zu geben.
Tolle Politik.
Im Pflegeheim treffen wir dann auf die Ärzte mit Budgetzwang, jetzt werden Medikamente nur zum Teil auf Kassenrezept, aber das meiste auf Privatrezept (Grün)verschrieben.
Die Rezeptbefreiung der Krankenkassen bei den Heimbewohner und Rentnern gilt aber nur bei Kassenrezepten.
Also zahlen wieder die Angehörigen aus der eigenen Rente diese Gebühren für die Angehörigen im Heim.
Soviel zum Thema: den Rentner von Heute geht es Gut.