Nach dem Öffnen wieder verschließbar
Wohl kaum eine Tätigkeit ist derart von Flüchen begleitet wie das Öffnen von Verpackungen. Beinahe täglich werden wir Verbraucher vor neue Herausforderungen gestellt, wenn es gilt, die heimgebrachten Waren aus ihren maßgeschneiderten Behältnissen zu befreien.
Im günstigsten Fall findet man auf dem Hassobjekt einen Hinweis, wie und wo man schneiden oder ziehen muss, um an den begehrten Inhalt heranzukommen. Weil man die Verpackung vorrangig als Werbefläche ausnutzen will, werden hilfreiche und nützliche Informationen an weniger exponierte Stellen verbannt, zudem noch in mikroskopisch kleiner Schrift. So nimmt es nicht wunder, wenn sich vor den Frischeregalen Kunden stauen, die verzweifelt nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum fahnden. Da werden die Verpackungen gedreht und gewendet, als handele es sich hierbei um Professor Rubiks legendären Zauberwürfel, der in den 50-er-Jahren bei jung und alt Furore machte.
„Man solle an der Lasche ziehen, diese jedoch vorher umknicken“, heißt es auf vielen Käseverpackungen . Doch ist dies in der Regel eine unzumutbare Knibbelarbeit, die gar allzu oft mit einem abgebrochenen Fingernagel endet. Eine Mär ist auch die Werbung, dass man die Verpackung nach dem Aufreißen wieder luftdicht verschließen könne. Das Adhäsions-Prinzip funktioniert hier in der Praxis nur bedingt bzw. gar nicht Die Deckfolie ist einfach nicht zu bändigen, es sei denn, man würde einen Tacker zu Hilfe nehmen..
Sauer werden auch Alleinstehende sein, wenn sie sich vergeblich daran versuchen, ein großes Glas Gurken öffnen zu wollen . Wie so vieles im Leben, ist dieses Problem eigentlich nur zu zweit zu lösen. Einer hält den Glaskörper fest mit beiden Händen, während der vermeintlich Stärkere ruckweise versucht, den Twist-Off-Deckel loszudrehen. Außer einem überdehntem Handgelenk bringt diese Vorgehensweise in der Regel nicht den gewünschten Erfolg. Schließlich herrscht im Gurkenglas ein Vakuum und da erinnert man sich an Otto von Guerickes physikalische Demonstration mit den Magdeburger Halbkugeln, die selbst mit der Kraft von acht Pferden nicht voneinander zu lösen waren. Selbstverständlich gibt es auch Spezialgeräte, die das Öffnen der Drehverschlüsse zumindest erleichtern sollen. Aber auch die haben ihre Tücken.
Eine weitere Frustquelle sind Dosen, bei denen man an einem Ring zerren muss, um in den Genuss des Inhaltes zu gelangen. Dieses sogenannte Ring-Pull-System ist äußerst launisch und entsprechend ist die Erfolgsquote. Häufig bricht das Metallstück ab und nun muss man mit irgendwelchen Hilfsmitteln versuchen, dennoch Zugang zum Doseninhalt zu bekommen. Gern hätte ich auch dem sadistischen Erfinder ein paar passende Worte gesagt, dem die Idee kam, Ölsardinen in Behältnisse zu verpacken, deren Deckel mit einem beigefügten kleinem, geschlitzten Schlüssel aufgerollt werden müssen
Eine neue Höchstmarke des Verpackungswahnsinns haben die Hersteller von Elektronik-Artikeln gesetzt. In ihrem Bemühen, die oftmals wertvolle Ware gegen Vandalismus und Diebstahl zu schützen, haben sie diese in transparente, dickwandige sogenannte Blister-Verpackungen eingeschweißt. Normale Haushaltsscheren oder Küchenmesser scheitern kläglich an dem stabilen Kunststoff. Eben mal im Urlaub eine neue Speicherkarte für die Kamera kaufen ist nicht drin – es sei denn, man hat einen Bolzenschneider im Reisegepäck.
Verpackungen werden stets Vor- und Nachteile haben, auch wird es niemals den idealen Dosenöffner geben. Jede Kleinigkeit wird heute verpackt, manchmal doppelt und dreifach. In meiner Kindheit gab es fast ausschließlich lose Ware, so dass man die gekauften Mengen nahezu grammgenau bestimmen konnte. In den Lebensmittelgeschäften, die meist nur wenige Meter von den Wohnungen entfernt waren, standen große Fässer und Gläser, aus denen die Händler Mehl, Zucker oder Gewürzgurken entnahmen. Eine Milchkanne gehörte zur Standardausrüstung eines jeden Haushalts und ohne eine große Einkaufstasche ging niemand aus dem Haus. Auch hatte das Zeitungspapier noch Hochkonjunktur, wenn es darum ging, frische Heringe transportsicherer zu machen.
Gewiss, es roch an manchen Tagen nicht besonders gut in unserem Kaufladen, auch konnte man es wegen der Gemischtwaren mit der Hygiene nicht so genau nehmen. Doch was nützen uns sterile Verpackungen, die nur schwerlich zu öffnen sind und deren Entsorgung häufig mit unangenehmen Geruchserlebnissen verbunden ist, weil die gelben Tonnen in der Regel auch mit Lebensmittenresten behaftet sind.
Wie heutzutage allgemein üblich, sind Inhalte eher von nebensächlicher Bedeutung. Schreierisch aufgedruckte Werbung hat geradezu eine magnetische Wirkung auf unser Kaufverhal-ten. Wenn es dann auf einer Pizza-Verpackung plötzlich heißt, „jetzt mit neuer Rezeptur, wagt man einen erneuten Versuch, der jedoch mit einem weiteren enttäuschenden Geschmackserlebnis endet.
Verpackungen werden uns lebenslang begleiten – und sogar darüber hinaus. Trösten wir uns mit den Gedanken, dass wir mit einem attraktiv verpackten Geschenk Liebe und Zuneigung ausdrücken können, um dann das Standard-Lob zu hören bekommen: „Das ist ja viel zu schade, um es auszupacken“
Autor:Klaus Ahlfänger aus Herten |
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