So läuft eine COVID19-Impfung ab - Stadtspiegel-Redakteur hat sich stechen lassen
Injektion zur Normalität
„Das könnte jetzt ein wenig pieksen.“ Der Mediziner im martialisch wirkenden Seuchenschutzanzug macht keine leeren Versprechungen. Es „piekst“ in der Tat, ja sogar etwas mehr als das. Eine Minute später ist es allerdings schon wieder vorbei. Der Doktor zieht die Spritze aus meinem linken Arm und ich bin Mitglied im Impf-Klubhaus von Biontech. Ja, ich habe mich in der Tat gegen COVID 19 impfen lassen. Wenn das der Wendler wüsste…
Inspektor Schicksal spielt an diesem Nachmittag eine entscheidende Rolle, dass ich, der zwar mit einer ernstzunehmenden Vorerkrankung zu einer Risikogruppe gehört, aber weit von der derzeit im Impffokus stehenden Altersklasse enfernt bin, eine Restdosis des in Windeseile entwickelten neuartigen Schutzstoffes von Biontech "abgreifen" kann. Der Besuch in einer Praxis mit Klinikstatus hat eigentlich andere Gründe. Dass er an dem Tag, an dem das Personal durchgeimpft werden soll, stattfindet, ist zufällig. Kurz vor Feierabend stellt sich heraus, dass einige wenige Dosen übrig bleiben würden, da durch Krankheitsfälle einige Mitarbeiter fehlen würden. Deshalb könnte bewusst der "Überschuss" an Risikogruppen vergeben werden, um nichts zu verschwenden.
Die europäische Arzneimittelagentur EMA hat erlaubt, dass aus einem Impffläschchen sechs Impfdosen entnommen werden können. Dies erhöhe die Zahl der zu verimpfenden Dosen erheblich. Es bleiben also oft Reste. Und die können nicht zurücktransportiert werden aufgrund der schwierigen Lagerung.
Ob ich denn davon eine wolle? Eine gute Frage, eine Frage, die ich mir allerdings schon einige Wochen lang gestellt hatte. Nein, ich bin und war nie ein Impfgegner (auch, wenn ich die alljährliche Grippeimpfung meistens auslasse). Wenn man sich einmal überlegt, gegen was sich Fernreisende so impfen lassen, nur um in den Urlaub zu fahren, halte ich die Diskussion auch für überflüssig. Doch ein Impfstoff, der so wenig erprobt ist? Wenn man den vielen vielen Publikationen glauben darf, ist der Biontech-Wirkstoff sogar an mehr Menschen erprobt worden, als es üblich ist. Nur in kürzerer Zeit. Spätfolgen seien bei Impfstoffen ohnehin eher nicht zu erwarten, wenn es Komplikationen gibt, treten diese meist innerhalb der ersten Stunden auf. Kurzum: Ich war entschlossen, jede Chance zur Impfung zu nutzen, um einen Teil zu leisten, dass sich diese verdammte Pandemie so schnell es eben geht auflöst, unser Leben wieder normal werden kann.
Im Wartezimmer - ich bin nicht der einzige, der in die Resteverwertung kommen konnte - herrscht gespanntes Schweigen. Nervös sind sie alle, die hier gleich den „Bill Gates-Chip“ implantiert bekommen werden. Ob ich meine Microsoft Xbox One bald ohne Gamecontroller steuern kann? Oder abstürze wie Windows 95? Ist das Galgenhumor? Egal, denn ein stark maskierter Helfer kommt mit einem Fragebogen angewackelt.
mRNA ist das Zauberwort
Was es zu beantworten gibt, ist ähnlich den Fragen einer Grippeschutzimpfung. „Nehmen Sie Blutverdünner? (Nein)“, „Haben Sie derzeit irgendwelche Atemerkrankungen? (Nein)“, Sind Sie Allergiker? (Birkenpollen, „zählt“ aber nicht als ernsthafte Allergie, die Komplikationen verursachen könnte). Ich unterschreibe, dass ich gescheit aufgeklärt wurde und muss zurück in den Warteraum. „Sind das da Brötchen?“, frage ich, ein Auge auf das leckere Mett, das sich verführerisch auf dem Weizenbett in einem Extraraum räkelt. „Ja, aber die sind für danach, wie bei einer Blutspende“, werde ich fast schon getadelt. Danach? Gibt’s noch eine Impfparty? In der Tat darf sich jeder Geimpfte anschließend ein Brötchen mitnehmen. Gegessen werden muss das natürlich draußen. Ich setze mich und warte, dass ich aufgerufen werde.
Der mRNA-Impfstoff von Biontech basiert auf Boten-Ribonukleinsäure (mRNA) und ist eine neuartige Technologie, die die körpereigene Immunantwort stimuliert.
Diese Impfstoffe enthalten Informationen aus der mRNA, darunter den „Bauplan“ oder Code eines bestimmten Virusmerkmals, dem Antigen. Anhand der Informationen kann der Körper dieses Antigen selbst produzieren: Die mRNA überträgt die Informationen für die Produktion des Antigens an die Zellmaschinerie, die Proteine herstellt. Zellen in unserem Körper präsentieren dann das Antigen auf ihrer Oberfläche und lösen dadurch die gewünschte spezifische Immunantwort aus.
Wenn der Körper mit dem Virus in Kontakt kommt, erkennt das Immunsystem das spezifische Antigen und kann das Virus und somit die Infektion schnell und gezielt bekämpfen. Im Fall des mRNA-Impfstoffes gegen COVID-19 erkennt der Körper und damit das Immunsystem, den Virus anhand des Spike Proteins des Coronavirus, das sich auf der Virusoberfläche befindet. „Herr Seiffert“, tönt es durch das Zimmer. Es wird Ernst, was auch der Blick ins Impfzimmer beweist, in dem sich ein Arzt und eine Assistentin im filmreifen Seuchen-Outfit befinden. Hollywood hat uns wirklich gut vorbereitet auf das, was hier passiert. „Links- oder Rechtshänder?“, fragt der Doc, gefühlte drei Millisekunden später rammt er die gar nicht mal so dünne Nadel in meinen Oberarm. Nach der Impfung darf ich die Praxis nicht verlassen, sondern muss eine Viertelstunde mindestens da bleiben - zur „Beobachtung“. „Die meisten Komplikationen treten innerhalb der ersten Minuten auf“, erläutert der Mediziner. Zu erwarten seien allerdings bis auf Schmerzen an der Einstichstelle kaum welche.
Zweite Impfung kann heikler sein
Der Präsident des für die Impfstoffüberwachung zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Professor Dr. Klaus Cichutek, sagte kürzlich, dass Nebenwirkungen intensiver Art, häufigerer Art, ähnlich wie bei den Grippeimpfungen, vorwiegend bei Jüngeren und nach der zweiten Dosis zu erwarten seien. Erschöpfung, Kopfschmerzen und Fieber könnten häufiger auftreten als nach der ersten Impfung. Das gelte vor allem für jüngere Geimpfte. Die Beschwerden seien jedoch moderat, würden nur einen bis zwei Tage anhalten und sich mit Schmerzmitteln in den Griff bekommen lassen.
In drei Wochen und einem Tag weiß ich mehr, denn dann soll ich wieder kommen zum zweiten Stich. Jetzt erst einmal geht es mir gut, der Arm schmerzt etwas (und wird es auch noch zwei Tage tun), aber dafür gibt es ja leckere Mettbrötchen…
Autor:XY Z aus Sonsbeck |
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