Liebe Hertenerinnen und Hertener,
liebe Freundinnen und Freunde,

ich finde es unverzichtbar, unterschiedlicher Meinung sein zu können. So unverzichtbar, wie eine Haltung einzunehmen und diese offen zeigen zu können. Am heutigen Ostersonntag, was sich beinahe grotesk anfühlt, hörte ich verstärkt die Aussage: "Das ist doch alles übertrieben, es sterben vielmehr Menschen an anderen Krankheiten, als am Corona Virus". Eine egoistische Haltung, die mich erschrickt und oft fassungslos zurücklässt. Einige meiner Freunde, zitieren dazu einen Kommentar von Amelie Fried. Warum? weil dieser Kommentar, auch der Meine ist. Zitat:

„Ganz ehrlich, die Debatte darum, ob unsere Grundrechte derzeit zu Recht eingeschränkt sind oder wir uns schon auf dem Weg in eine Diktatur befinden, geht mir unglaublich auf die Nerven. Vor allem, wenn sie damit begründet wird, die Zahlen seien doch rückläufig und die Maßnahmen völlig übertrieben. Ja, die Zahlen sind rückläufig, und zwar w e i l es die Maßnahmen gibt. Gäbe es sie nicht, hätten wir bereits ein Vielfaches an Toten zu beklagen, und es würden täglich sprunghaft mehr werden. Und übrigens würden dann der Besuch im Theater, im Kino oder beim Lieblingsitaliener über kurz oder lang auch ausfallen, weil nämlich Schauspieler, Kartenabreißer und Kellner in so großer Zahl krank wären, dass die wirtschaftliche Infrastruktur ebenfalls in die Knie gehen würde.

Wer beim Blick nach Italien, Spanien und in die USA allen Ernstes das Konzept der mehr oder minder ungesteuerten Herdenimmunität verteidigt, demonstriert ein erschütterndes Desinteresse am Leiden und Sterben anderer. Und eine geheime Verachtung für die Alten und Schwachen, deren Verlust in hoher Zahl in Kauf genommen würde. Die scheinheilige Formulierung, man müsse diese Gruppen eben "besonders schützen" heißt in Wahrheit: Sperrt sie ein, damit wir endlich ungehindert unser bequemes Leben fortsetzen können. Wer in Deutschland alle über 65 und Menschen mit Vorerkrankungen isolieren möchte, hätte damit übrigens rund ein Drittel der Gesamtbevölkerung isoliert. Ob das mit unserem Grundgesetz vereinbar wäre?

Das Ausmerzen des Schwachen ist ein genuin faschistischer Gedanke, auch wenn man einem Virus diese Arbeit überlässt. Da sind wir ganz schnell beim "unwerten Leben" und der Selektion, die der medizinischen Triage vorausgeht. Was für ein verächtliches (und verachtenswertes) Menschenbild sich da offenbart!

Die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise sind für viele verheerend, und natürlich muss alles getan werden, um diese Schäden möglichst zu begrenzen. Ich habe aber den Eindruck, dass unsere Regierung diese Herausforderung überaus ernst nimmt. In rasender Geschwindigkeit wurden Beschlüsse gefasst und nun werden Milliarden in die Wirtschaft gepumpt. Aber trotzdem wird schon wieder gemeckert: weil dies nicht gleich klappt, weil das ein bisschen länger dauert. Meine Güte, was ist das für eine infantile Anspruchshaltung? Wir alle haben uns dieses Virus nicht ausgesucht. Anstatt zu jammern, sollten wir uns besser gegenseitig unterstützen. Und begreifen, dass diese Situation auch für Politiker neu ist. Dass man nicht erwarten kann, dass sie den fertigen Masterplan in der Tasche haben. Und dass es deshalb notwendig ist, auf den Rat von Experten zu hören, die etwas von ihrem Fachgebiet verstehen. Und damit meine ich nicht nur Virologen, sondern auch Ökonomen, Soziologen und Psychologen. Natürlich muss es eine lebendige, interdisziplinäre Debatte darüber geben, wie man dauerhaft mit der Situation umgeht, wann welche Maßnahmen sinnvoll und vertretbar sind. Ganz bestimmt nicht hilfreich ist die Verbreitung absurder Verschwörungstheorien, das Gemunkel über den bösen Staat, der uns vorsätzlich verarscht und in Wahrheit andere, finstere Ziele verfolgt.

Davon zu reden, dass wir aufgrund der momentan herrschenden Einschränkungen auf dem Weg in eine Diktatur seien, ist verantwortungslos - insbesondere mit dem Blick auf wirkliche Diktaturen. Wir leben in Deutschland in einer stabilen Demokratie, die so lange stabil bleibt, so lange die Menschenverächter nicht das Ruder übernehmen. Debatten wie diese spielen ihnen in die Hände.“

Amelie Fried

Danke für die Achtsamkeit und Aufmerksamkeit - Ihr Fred Toplak

Autor:

Fred Toplak aus Herten

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